Bischof Friedhelm Hofmann ist in seinen 13 Jahren in Würzburg heimisch geworden, das ist zu spüren bei vielen Begegnungen. Der gebürtige Kölner liebt seine Heimat, wo er als dritter von vier Brüdern im Stadtteil Lindenthal aufgewachsen und wo er 1969 zum Priester geweiht worden ist. Aber er hat Franken schätzen gelernt.
Der Bischof genießt die kulturelle Vielfalt und gesteht, dass er Wurzeln geschlagen hat. So wundert es nicht, dass er sich entschieden hat hierzubleiben – auch im Ruhestand. Hier, wo es Wein gibt statt Kölsch, Fasching statt Karneval, Main statt Rhein.
Am 12. Mai ist Hofmann 75 Jahre alt geworden und hat, wie es das Kirchenrecht vorsieht, dem Papst seinen Rücktritt angeboten. Es wird erwartet, dass Franziskus zustimmt und dies bekanntgeben wird im Umfeld des Silbernen Bischofsjubiläums, das Friedhelm Hofmann an diesem Sonntag mit einem Pontifikalamt und reichlich Prominenz im Würzburger Dom feiert.
Vorher hat sich der Rheinländer Zeit genommen für ein ausführliches Gespräch. Es ist eine tiefgründige Bilanz seines Wirkens in Unterfranken geworden. Bischof Hofmann blickt zurück auf schöne und schwere Stunden – und er bereut, „dass ich nicht noch mehr Zeit für die Menschen hatte“.
Frage: Wenn Sie nach 13 Jahren als Bischof von Würzburg Bilanz ziehen, was war die prägende Erfahrung, das schönste Ereignis?
Bischof Friedhelm Hofmann: Das kann ich nicht an einem einzigen Eindruck festmachen. Ganz sicher die Kiliani-Wallfahrtswoche. Sie ist ein Highlight und prägt das ganze Jahr. Das Zweite sind die Seligsprechungsfeiern von Pater Engelmar Unzeitig und Pfarrer Georg Häfner im Würzburger Dom. Bischöfe haben ja kaum zwei Seligsprechungsfeiern in ihrer Amtszeit. Das Dritte ist die Begegnung mit den Menschen, vor allem die Wallfahrten der Generationen nach Lourdes und Assisi. Als Viertes die Partnerschaft mit den Bistümern Mbinga in Afrika und Óbidos in Südamerika.
Was ist das Besondere an der Kiliani-Festwoche?
Hofmann: Dass ein ganzes Bistum sich der eigenen Wurzeln bewusst wird und dass es nicht nur rückblickend daran erinnert, sondern auf das Heutige hin aktualisiert. Das ganze Bistum kommt zusammen – in diesem Jahr waren an die 20 000 Gläubige in den Gottesdiensten, das ist eine riesige Zahl.
Eheversprechen ist ein spannendes Thema. Wie bewerten Sie die „Ehe für alle“?
Hofmann: Die Ehe zwischen Mann und Frau ist das Grundelement unserer Gesellschaft. Das meint auch das Grundgesetz so. In der katholischen Sicht ist die Ehe ein Sakrament, das heißt, Gott begibt sich als der Dritte in den Liebesbund von Mann und Frau. Für mich ist ganz klar: Die Ehe ist allein die Verbindung von Mann und Frau. Es ist ein Etikettenschwindel, wenn man ,Ehe für alle‘ sagt. Das ist ein so schwammiger Begriff. Die Gesellschaft muss stabil bleiben, es können nicht alle Werte aufgelöst werden. Obwohl ich den homosexuellen Menschen mit Achtung begegne, möchte ich eine solche Partnerschaft nicht auf diese andere Ebene heben.
Sie befürchten eine Aushöhlung der Werte?
Hofmann: Ich denke, dass wir in einem Werteumbruch sind. Vieles, was vor 13 Jahren noch galt, ist heute infrage gestellt. Ich sehe die Aufgabe der Kirche nicht darin, zu verurteilen. Aber doch sehr wohl darin, bislang anerkannte Werte zu verteidigen. Das müssen wir tun, auch wenn es unangenehm werden kann.
Was war die größte Herausforderung Ihrer Amtszeit?
Hofmann: Der Umgang mit den Missbrauchsfällen hat mich am meisten betroffen gemacht. Was auch sehr wehgetan hat, ist, wenn Priester ihr Amt aufgeben – die Gespräche, die geführt wurden und deutlich machten, was falsch gelaufen ist. Die Kirchenaustritte belasten mich ebenfalls sehr. Jeder Einzelne, der geht, ist einer zu viel. Wir müssen uns auch fragen, wieso erreichen wir die Leute nicht mehr? Vor allem auch die Kinder und Jugendlichen, das ist eine unserer Schwachstellen. Wer bindet sich heute noch? Das ist ja auch eine Frage der Wertesicht. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen offen sind, wenn wir offen mit ihnen darüber reden.
Haben Sie ein Smartphone?
Hofmann: Ich persönlich nicht. Aber über unser Medienhaus bin ich im Internet dabei.
Die digitalen Medien und Soziale Netzwerke haben gerade bei Jugendlichen enorm an Bedeutung gewonnen. Kennen Sie sich da aus?
Hofmann: Ich merke schon, was da abläuft. Ich sehe große Chancen in der Nutzung, aber auch die Gefahr, dass ethische Werte mit Füßen getreten werden. Man denke nur an Fake News. Oder daran, dass der persönliche Kontakt zum anderen Menschen ins Hintertreffen gerät. Ich sehe eine Gefahr darin, dass man nur noch schnell etwas twittert, aber die eigentliche Begegnung mit anderen, die Auseinandersetzung, die Reifung verpasst.
Würden Sie sagen, diesbezüglich gibt es auch einen Auftrag der Kirche?
Hofmann: Unbedingt. Die Kirche muss diese Medien nutzen, aber auch helfen, den zwischenmenschlichen Kontakt zu pflegen – und präsent sein: vom Kindergarten über die Schule und die Jugendarbeit bis zur Erwachsenenseelsorge.
Das „Gotteslob“ haben sie gar nicht genannt bei den Highlights . . .
Hofmann: Das ist mein großes Lebenswerk, das ich so verinnerlicht habe, dass es mir gar nicht mehr auffällt. Ich habe mit einem Team von 100 Frauen und Männern 14 Jahre daran gearbeitet. Anfangs habe ich die Aufgabe nicht gerne angenommen, aber dann doch Feuer gefangen. Die Akzeptanz ist beachtlich. Damit habe ich nicht gerechnet.
Ihr Herzensprojekt?
Hofmann: Es ist zum Herzensprojekt geworden. Das „Gotteslob“ soll nicht nur in der Kirche liegen, es soll auch ein Hausbuch sein, mit dem in den Familien der Glauben vermittelt werden kann. Ich habe auch versucht, es künstlerisch aufzuwerten mit der Künstlerin Monika Bartholomé. Die Zeichnungen sind zuerst bei vielen auf Unverständnis gestoßen, aber ich habe sie dann in einem kleinen Buch erläutert. Das hat zum Verstehen beigetragen.
Ist Kunst eine Form der Vermittlung der Werte der Kirche?
Hofmann: Nicht nur der Werte der Kirche. Sondern generell eine Vermittlung von Werten.
Also auch im Dom und in der Neumünsterkirche, die in Ihrer Amtszeit neu gestaltet wurden.
Hofmann: In Würzburg wurde immer schon zeitgenössische Kunst in die Kirchen integriert. Die reduzierten Zeichnungen im „Gotteslob“ sind sozusagen Blicköffner für eine Wirklichkeit, die hinter den sichtbaren Dingen liegt. Je mehr man sich darauf einlässt, desto spannender wird es. Man kann diese Zeichnungen nicht nach dem zweiten Anschauen abhaken.
Und wie wird moderne Kunst im Kirchenraum angenommen?
Hofmann: Es gibt in Würzburg interessierte Gruppen, die sich auch dem Zeitgenössischen öffnen. Bei der Renovierung des Domes erhielten wir sehr viel positives Echo. Fragen, die durch die Kunst angestoßen werden, werden im Glauben aufgegriffen. Über die Kunst können wir die Menschen auf eine andere Weise erreichen als über die Predigt.
Haben Sie sich in den 13 Jahren verändert – im Amt und auch als Mensch?
Hofmann: Als ich zum Bischof geweiht wurde und den Wahlspruch nahm – Das Kreuz, einzige Hoffnung – bekam ich eine Reihe von Briefen, in denen ich gefragt wurde, ob ich noch gescheit wäre, mir einen solchen Spruch zuzulegen. Ich solle bloß nicht meinen Humor verlieren. Den habe ich sicher nicht verloren. Und ich bin sensibler geworden, offener und bereiter, Dinge zu verstehen, die mir fremd sind oder die ich nicht direkt verstehe. Die Bereitschaft zuzuhören und die Menschen in ihrer Not wahrzunehmen ist gewachsen. Auch die Erkenntnis: Ich kann vieles nicht verändern. Ich muss manches einfach hinnehmen, wie es ist.
2010 wurden die vielen Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt. Das war eine Zäsur – auch für Sie?
Hofmann: Ja, das war der Anlass, überhaupt auf dieses Problemfeld zu schauen. Auf einmal nahm man erschrocken wahr, was dort alles geschehen war. Dieses riesige Ausmaß war nicht bekannt.
Was haben Sie gefühlt?
Hofmann: Ich war beschämt. Ich halte den Schritt des Jesuitenpaters Klaus Mertes für richtig. Er hat eine Lawine losgetreten. Aber das war nötig. Wir müssen Transparenz und Offenheit haben. Das ist auch für die Zukunft der Kirche wichtig. Das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle hat viele Probleme mit sich gebracht: Kirchenaustritte, Verunsicherung. Viele fragten sich: Wem kann man überhaupt noch trauen? Das ist schmerzlich und belastet mich sehr.
Bei der Kirche vermutet man so etwas Lebenszerstörendes wie Missbrauch ja nicht, man wendet sich vielmehr vertrauensvoll an sie.
Hofmann: Jeder Fall liegt anders. Ich habe bei den Missbrauchsfällen, die bei uns bekannt wurden, versucht zu verstehen, wie es dazu kommen konnte. Was ist da passiert? Die Umstände und auch die Motivation waren jedes Mal anders. Was ich aber auch gemerkt habe: Missbrauch ist nicht nur ein Problem der Kirche, sondern der ganzen Gesellschaft. Was sich in den Familien oder in den Vereinen abspielt, wurde meines Erachtens nicht wirklich aufgearbeitet.
Und in der Kirche?
Hofmann: Wir stehen in der Kirche natürlich besonders im Fokus – und das mit Recht. Wenn wir als moralische Institution auftreten, müssen wir auch dafür einstehen. Aber ich habe nicht gewusst, dass sich in einem solchen Maß Übergriffe oder sexueller Missbrauch ereignet haben, und das auch durch Personen, von denen ich es nicht erwartet hätte. Das war auch für mich ein Schock. Was allerdings nicht passieren darf, ist eine Generalverurteilung aller zölibatär Lebender. Missbrauch ist nicht eine Frage des Zölibats, zumal er auch in Familien passiert – und dort in einem noch viel größeren Maße. Das habe ich mir von Fachleuten sagen lassen.
Hätte das Bistum besser sein können in der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle?
Hofmann: Ich glaube, das kann man nachher immer sagen. Ich habe vor allen Dingen darauf Wert gelegt, präventiv zu arbeiten. So stellte ich die Frage: Was müssen wir bei uns verändern, dass so etwas bei uns nicht mehr vorkommt? Die allermeisten Fälle, von denen wir reden, liegen ja weit zurück. Ich bin daran interessiert, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alle, die in Seelsorge stehen, sich entsprechend überprüfen lassen. Wir haben die Akten aufarbeiten lassen und reinen Tisch gemacht.
Und Sie selbst: Sie sind mit sich zufrieden, was die Aufarbeitung anbelangt?
Hofmann: Ich bin nicht zufrieden. Ich denke, in dem einen oder anderen Fall hätte ich vielleicht doch noch aktiver werden müssen. Manchmal wird das nötige Engagement durch andere Arbeiten und Verpflichtungen überlagert. So wendet man sich einem Problem nicht in der Intensität zu, wie es eigentlich hätte geschehen müssen. Insofern gehe ich mit mir selber auch innerlich ins Gericht. Auch stelle ich mir die Frage: Hätte ich diesem oder jenen noch mehr begegnen müssen?
Sie haben die Strukturen angesprochen und gesagt, dass Sie das Gefühl haben, dass sie sich verbessert haben. Opfer können sich also ermutigt fühlen, sich ans Bistum zu wenden?
Hofmann: Ich denke schon, dass wir den Betroffenen Mut gemacht haben: Meldet euch! Sagt, was los ist! Ich hoffe wenigstens, dass das rübergekommen ist. Auch glaube ich, dass eine große Sensibilität gegenüber diesem Problem bei den Mitarbeitern gewachsen ist. Missbrauch ist ein absolutes ,No Go‘.
Der Missbrauchsskandal hat auch eine theologische Diskussion in der Gesamtkirche ausgelöst. Wie sehen Sie die Entwicklung, wenn Sie zurückblicken auf 13 Jahre Bischof – mit drei sehr unterschiedlichen Päpsten in dieser Zeit.
Hofmann: Papst Franziskus hat eine neue Weltsicht eingebracht. Er sagt, man muss die Kirche von ihrem Auftrag her sehen. Das ist zwar nicht neu. Aber der Papst verändert den Blickwinkel und rät: Kirche muss an die Ränder gehen. Die Karosserie der Kirche muss sich dabei auch Beulen holen können. Das heißt, nicht alles, was wir da machen, wird richtig sein. Aber um den Menschen wirklich zu helfen, müssen wir auch in Kauf nehmen, dass Kirche missverstanden werden kann. Das ist etwas, was mich sehr anspricht und was mich natürlich ein Stück verändert hat. Seine Sicht ist auch meine: Ich bin für den Menschen da und muss den Menschen im Bistum, für die ich verantwortlich bin, mit der nötigen Offenheit und Demut entgegentreten.
Das gilt für alle Katholiken.
Hofmann: Und auch für alle anderen Menschen, so für unsere Institutionen, für die Beratungsstellen oder die Kindergärten. Wir nehmen dort auch Kinder aus Problemfamilien auf. Dabei ist es egal, ob sie katholisch sind. Wichtig ist nur, dass den Menschen geholfen wird. Dafür steht der Papst ein.
Diese Öffnung gefällt nicht allen.
Hofmann: Ich sehe auch, dass es der Papst schwer hat. Viele missverstehen diese Öffnung und denken, er will eine andere Kirche. Das ist nicht der Fall. Aber wir müssen die veränderten Zeiten und den heutigen Menschen in den Blick nehmen. Die Kirche ist für die Menschen da und nicht die Menschen für die Kirche. Das muss allen, die in der Kirche arbeiten, klar werden. Und das macht meines Erachtens der Papst vorzüglich deutlich.
Was erwarten Sie an Strukturveränderungen in den Gemeindeleitungen? Werden künftig mehr Diakone eingesetzt? Das könnte dem Priestermangel vielleicht abhelfen.
Hofmann: Der Priestermangel ist in den letzten 13 Jahren sogar größer geworden. Es geht sicherlich darum, neue Zugangswege zu finden. Ich glaube nicht, dass der Papst den Zölibat aufheben wird, weil der Gewinn durch dieses Zeugnis stark ist. Die Kirche ist kein Global Player. Sie kommt aus einer anderen Wurzel heraus. Das muss auch in unserem Lebenszeugnis sichtbar werden können. Ich könnte viel dazu sagen . . . Die Frage, welche Zugangswege geschaffen werden, wird innerkirchlich sicherlich weiter diskutiert werden.
Verheiratete Diakone und Viri probati, also bewährte Männer, könnten mehr Leitungsbefugnisse erhalten.
Hofmann: Wir haben ja auch verheiratete Priester. Es ist ja nicht so, als ob es sie nicht gäbe, allerdings unter anderen Bedingungen. Können Diakone, die ein bestimmtes Lebenszeugnis haben, auch zum Priester geweiht werden? Auch Fragen an das Studium und die Ausbildung von Priesteramtskandidaten werden sich neu stellen. Diese Themen wurden schon seit einigen Jahren aufgegriffen. Aber es wird ein Prozess sein, der lange dauert. Die Frage ist: Haben wir die Zeit dafür? Muss nicht alles schneller gehen?
Haben Sie schon eine Antwort?
Hofmann: Nein. Ich versuche, mit der Gesamtkirche zu denken. Das heißt: Ich kann mir vieles vorstellen, versuche aber die unterschiedlichen Standpunkte der Gesamtkirche zu verstehen. Weltweit steigen die Priesterzahlen, sie gehen nur in Europa, in Amerika und zum Teil auch in Südamerika zurück. Ich möchte nicht meine eigene Meinung verabsolutieren. Aber ich möchte offen bleiben und sehen: Was muss getan werden, und wie können wir wirklich zu einem Konsens kommen, der auch neue Strukturen ermöglicht?
Dennoch müssen lokale Lösungen gesucht werden, etwa für die Pastoral.
Hofmann: Im Januar dieses Jahres habe ich in einem Brief an alle Seelsorger, Kirchenmitarbeiter und Ehrenamtliche im Bistum versucht, die pastorale Zukunft unseres Bistums aus meiner Sicht darzustellen. Für mich ist aufgrund des Priestermangels klar: Wir kommen nicht umhin, Großpfarreien zu gründen. Aber mir ist auch klar, dass die Großpfarrei nicht unbedingt die Leute erreicht. Die Kirche muss im Dorf bleiben. Das heißt: Wir müssen Strukturen in den künftigen pastoralen Räumen finden, die eine größere Beteiligung von Laien ermöglichen. Dann sind wir freier, Frauen und Männer zu beauftragen, die das Leben in den Gemeinden vor Ort verantwortlich in die Hand nehmen – in Zusammenarbeit mit dem Pfarrer und mit allen, die in der Seelsorge stehen.
Der Einfluss der Laien wird steigen?
Hofmann: Die Kompetenz der Laien muss sicher in einer neuen Weise gewertet werden. Das bedeutet auch, die vorhandenen Charismen besser zu nutzen. Wir haben im Bistum viele Frauen und Männer, die fähig und gewillt sind und sich seit Jahren einbringen. Das macht mir Mut. Die Kirche wird kleiner werden, die Kirche wird an Bedeutung verlieren, aber der Grundauftrag wird von vielen auch weiterhin ernst genommen. Sie bringen sich heute noch mehr ein als vor 20, 25 oder 50 Jahren. Insofern habe ich Hoffnung. Es wird anders weitergehen, aber es wird.
Die Protestanten, die den Zölibat nicht haben, haben ähnliche Probleme.
Hofmann: Alle Konfessionen sitzen da in einem Boot, kämpfen mit den gleichen Problemen, die sich im Verdunsten des Glaubens in der Gesellschaft bemerkbar machen. Es bleibt aktuell: Wie können wir unserem Auftrag, die Botschaft Christi den Menschen zu vermitteln, gerecht werden. Das ist eine große Herausforderung. Eine der Lösungen ist für mich, Leute auszubilden, um Gottesdienste und Andachten zu leiten und durchzuführen. Über diesen liturgischen Bereich hinaus muss das Zwischenmenschliche, das Offensein füreinander so gelebt werden, dass der Hintergrund des Glaubens in der gelebten Nächstenliebe aufleuchtet.
Plaudern Sie doch mal aus dem Nähkästchen: Wie grenzt sich Papst Franziskus von seinem Vorgänger Benedikt ab?
Hofmann: Franziskus leugnet nichts ab von Benedikt, aber er sagt: Konzentriert Euch darauf, auf die Leute zuzugehen. Es herrscht bei einigen die Angst vor, er könne die Unauflöslichkeit der Ehe verletzen. Das will er nicht. Es gibt Fälle von gescheiterten Ehen, die mit dem Kirchenrecht nicht erfasst werden können. Auch denen müssen wir gerecht werden. Hier müssen andere Wege und Entscheidungen gefunden werden. Ich bin froh, dass der Papst es so macht, wie er es macht, und hoffe, dass er uns lange erhalten bleibt.
Würde im Bistum eine Kindergärtnerin, bei der die Ehe auseinandergeht und die einen neuen Partner findet, ihren Job verlieren?
Hofmann: Das kommt auf den Einzelfall an. Es gibt sicherlich Fälle, bei denen sie nicht den Job verliert.
Geklärt werden muss: Handelt es sich um eine Ablehnung unserer theologischen Vorstellungen von Ehe und Familie? Oder ist ein Unrecht passiert, an dem die Frau leidet und das wir auffangen müssen? Alle, die in der aktiven Verkündigung der Kirche stehen, müssen natürlich die Grundsätze der Kirche bejahen und vertreten können.
Humor ist ein wichtiger Part in Ihrem Leben. Kann Lachen in dunklen Stunden helfen?
Hofmann: Als Kölner bin ich mit dem „Virus“ Humor beschenkt. Mein Vater war Schwabe und kam aus einem pietistisch-evangelischen Elternhaus. Wenn bei uns in Köln der Karneval anbrach und es uns Jungen in den Beinen zuckte, dann mussten wir auf die Straße. Mein Vater saß da und verstand uns nicht. Später hat er sich dem rheinischen Frohsinn angenähert. Um Ihre Frage zu beantworten: Ja, ich habe erlebt, dass Humor in den schwierigsten Situationen helfen konnte, auf den Boden zurückzufinden oder aus einem seelischen Tief herauskommen. Ich habe den Humor tief in mir drin, kann aber manches nicht so humorvoll ausdrücken, wie ich das gerne möchte. Denn mir ist klar, dass die Gefahr von Missverständnissen groß ist.
Die Fastnacht in Franken gehört zu Ihren Lieblingsterminen?
Hofmann: Ja, und als ich einmal zur Veitshöchheimer Sitzung ging, hörte ich, wie zwei bayerische Bischöfe sagten: ,Ach, jetzt geht er auch schon zum Fasching.‘ Ich dachte mir: ,Redet ihr mal, ich gehe da hin.‘ Warum denn auch nicht? Warum sollen wir nicht an der Freude der Menschen teilhaben, da wir doch auch an ihrem Leid mittragen?
Über was können Sie herzlich lachen?
Hofmann: Über die kleinen Missgeschicke des Alltags, nette Fauxpas. Wenn mich Papst Johannes Paul II. sah, sagte er gerne: ,Haben Sie keinen neuen Witz über Tünnes und Schäl?‘ Der lachte auch gerne.
Für Ihre Witze sind Sie bekannt in der Bischofskonferenz?
Hofmann: Na, da warten sie doch schon immer auf einen flotten Spruch von mir.
Was werden Sie am 18. September morgens machen?
Hofmann (lacht): Frühstücken. Im Ernst: Das wird kein leichter Tag, aber er muss kommen.
Haben Sie sich auf den Ruhestand vorbereitet?
Hofmann: Eigentlich noch nicht. Ich bin nur dabei, meine Aufgaben zu reduzieren, das andere lasse ich auf mich zukommen. Es kommen jetzt schon für die Zeit danach Einladungen aus dem In- und Ausland. Man bleibt ja Bischof.
Sie malen gerne. Nun hätten Sie Zeit dafür, oder?
Hofmann: Ich hoffe, dass ich dafür etwas Muse finde. Bislang male ich ja immer nur in den Ferien. Man braucht Zeit und Abstand.
Vor einiger Zeit haben Sie verraten, dass Sie Kitsch in Rage bringt . . .
Hofmann: Diesem Thema möchte ich in der Zeit nach der Pensionierung zu Leibe rücken und versuchen zu verstehen, worin die Faszination des Kitsches besteht. Wie kann es sein, dass so viele Menschen sich im Kitsch beheimaten?
Das neue Bild von „Papstmaler“ Michael Triegel in der Peterer Kirche in Würzburg zeigt ein Motiv, den Barmherzigen Christus, das viele in seiner Ursprungsform eines polnischen Malers nach der Vision der Heiligen Schwester Maria Faustyna als religiösen Kitsch angesehen haben.
Hofmann: Ich hatte nicht die Idee, Michael Triegel damit zu beauftragen. Das kam ja vom Würzburger Klerus. Ich finde es spannend, dass sich der Künstler, der sich in den letzten Jahren international einen Namen gemacht hat, darauf eingelassen hat. Ich habe ihm gesagt: ,Wenn Sie das nicht in der künstlerisch akzeptablen Weise hinkriegen, verlieren Sie ihren ganzen Ruf.‘ Er hat sich trotzdem darauf eingelassen.
Und, hat er es hingekriegt?
Hofmann: Triegel malt renaissanceartig und ist auch bei diesem Bild seinem Stil treu geblieben. Er hat versucht, in dem Gesicht, das er auf einen Goldhintergrund gemalt hat, eine neue Dimension von Vision mitzugeben. Die Leute nehmen das Bild an, es stehen immer Kerzen darunter. Es kann helfen, dass wir gegen den Kitsch ein Kunstwerk setzen.
Also haben Sie Michael Triegel diese Anfangsschwierigkeiten, die Sie mit ihm vor über 13 Jahren wegen seines Bildes vom „Auferstandenen Christus“ im Museum am Dom hatten – den er nackt malte – verziehen?
Hofmann: Dies habe ich mit ihm ausdiskutiert.
Sie haben auch einmal gesagt, dass Sie über Kitsch ein Buch schreiben möchten?
Hofmann: Ich hoffe sehr, dass ich dazu kommen werde. Ich habe mit Professorin Marion Ackermann gesprochen, sie leitet die Dresdner Museen. Sie hat ebenfalls großes Interesse an diesem Thema. Vielleicht hole ich noch einige andere mit ins Boot.
Sie waren ja oft in Lourdes – eine Hochburg religiösen Kitsches, wenn man die Souvenirs in den Läden anschaut.
Hofmann: Genau. Der Kitsch ist so schlimm, dass die Menschen ihn schon nicht mehr sehen.
Ein beliebtes Souvenir aus Lourdes ist die Plastik-Muttergottes mit blauem Krönchen zum Abschrauben . . .
Hofmann: In meiner Kölner Zeit habe ich als Präsident des Deutschen Lourdes-Vereins viele Pilgerzüge durchgeführt. Damals hatte ich mir bei einer Fahrt vorgenommen, die Menschen vom Kitsch abzubringen und die ganze Hinfahrt versucht, das zu erklären. Auf der Rückfahrt kamen viele Leute und brachten mir ihre Figürchen und sagten, die hätte ich doch nicht gemeint. Da wurde mir klar: Es ist ein schwieriges Thema. Seither gehe ich der Frage nach: Worin liegt die Faszination für Kitsch?
Wo wird die Kirche in 13 Jahren stehen?
Hofmann: Das wäre 2030. Es wird schwieriger werden, herausfordernder. Wir brauchen alle einen langen Atem und Geduld und Gottvertrauen. Wir müssen uns auf die Veränderungen einstellen. Gerade im Bereich des Klerus wird sich vieles tun. Viele, die heute in entscheidender Position stehen, werden in 13 Jahren nicht mehr leben. Ich vielleicht auch nicht mehr.
Gibt es etwas, das Sie bereut haben in diesen 13 Jahren in Würzburg?
Hofmann: Diese Frage habe ich mir auch gestellt. Die Antwort ist: Dass ich nicht noch mehr Zeit für die Menschen hatte. Es sind so viele Sitzungen, die man absolvieren muss. Das ganze Jahr ist strukturiert mit Terminen und Verpflichtungen. Sie sind wichtig, aber ich bereue, dass ich nicht die Zeit gehabt habe, um noch mehr auf die Menschen zuzugehen.
Das könnten Sie künftig tun.
Hofmann: Richtig, nur: Ich darf mich nicht einmischen. Wenn ich nicht mehr Bischof von Würzburg bin, habe ich nichts mehr zu sagen oder zu kritisieren. Ich möchte nicht, dass das Engagement missverstanden wird oder mein Nachfolger denkt, ich würde mich einmischen. Aber ich möchte offen sein für Leute, die in Not sind.
Ist da Ihr Vorgänger Paul-Werner Scheele ein Vorbild für Sie?
Hofmann: Ganz sicher. Er hat sich nie eingemischt. Aber wenn ich ihn anrief, hat er sich geöffnet. Dieses Beispiel ist für mich eine wichtige Voraussetzung gewesen, um zu sagen, ich bleibe hier. Weil ich gesehen habe, es geht gut, es muss nicht zu Konflikten führen.