Auf einen anständigen Umgang mit den Bürgern legt Einsatzleiter Alfred Hellmann großen Wert. Wer bei einer Kontrolle nur „Ausweis!!“ knurren würde, der hätte es sich mit ihm verscherzt; das macht der Einsatzleiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit im Hauptzollamt Schweinfurt gegenüber seinen Mitarbeitern deutlich. Ganze Sätze kämen bei den Leuten besser an als Ein-Wort-Befehle; und Lächeln habe noch nie geschadet. Was Hellmann den fünf Zollbeamten in der Vorbesprechung mitgibt, werden sie später bei der verdachtsunabhängigen Prüfung umsetzen. Sie werden ausnehmend höflich und freundlich sein. Eine Zollbeamtin wird sich sogar entschuldigen, dafür dass sie an das Fenster eines Taxifahrers klopft. „Tut mir leid , ich wollte Sie nicht erschrecken. Aber könnte ich mal Ihren Ausweis sehen?“
Würzburg, Hauptbahnhof: Mit Schwung biegen Hellmann und seine fünf Kollegen auf den Bahnhofsvorplatz ein, parken in zweiter Reihe, springen aus ihren Fahrzeugen, scannen die rund 25 Taxis. „Das muss zügig gehen, damit der Überraschungseffekt bei uns bleibt“, hat Hellmann vorhin gesagt. Klar, dass die Taxler über Funk ihre Kollegen von der Kontrolle informieren; klar, dass all jene Fahrer, die nicht unbedingt an den Bahnhof müssen, in den nächsten Stunden dort nicht auftauchen werden. Die Beamten müssen vorlieb nehmen mit den Taxlern, die schon da sind. Sie schauen: Schert da ein Fahrer aus, will sich jemand, angesichts der Beamten in giftgelben Zoll-Warnwesten, davonmachen?
Zoll-Fragebogen: Wie lange arbeiten Sie? Wieviel verdienen Sie pro Stunde?
Angenommen, einer gäbe jetzt wirklich Gas, würden ihn die Beamten weder mit ihren Fahrzeugen blockieren noch verfolgen, sagt Hellmann. Allerdings seien die Beamten drauf geeicht, bei wegfahrenden Taxis sowohl das Autokennzeichen wie auch die an der Heckscheibe erkennbare Konzessionsnummer des Fahrzeugs zu notieren. Wer wegfährt, entgehe der Prüfung nicht; sie ereilt ihn nur möglicherweise später als jenen Taxler, den Hellmann jetzt gerade anspricht.
„Woher kommen Sie denn? Aus Indien? Aus Pakistan?“, fragt - mit einem freundlichen Lächeln - Hellman den Mann. Der angestellte Taxler stammt aus Pakistan, lebt aber, seinen Sprachkenntnissen nach zu urteilen, schon lange in Deutschland. Hellmann notiert die Ausweisdaten und die Adresse und geht dann einen umfangreichen Fragebogen durch. Wo hat die Firma des Taxlers ihren Sitz ? Arbeitet der Taxler auch für andere Firmen? Wie lange arbeitet er täglich? Und wieviel bekommt er? „Festlohn, 9,50 Euro pro Stunde“, antwortet der Mann; aber das stellt den Finanzkontrolleur noch nicht zufrieden. Ob der Lohn brutto gelte. Oder netto? Und ob der Taxler auch bezahlt werde, wenn er nur stehe mit seinem Taxi?
Zoll-Fragebogen: Werden Wartezeiten auch bezahlt?
„Logisch!“, antwortet der Taxler; denn natürlich weiß auch er, dass Warte- und Standzeiten als Arbeitszeit gelten und entsprechend bezahlt werden müssen. Laut Deutschem Gewerkschaftsbund allerdings versuchen seit dem Start des gesetzlichen Mindestlohns Taxiunternehmer immer wieder, den Lohn ihrer Mitarbeiter dadurch zur drücken, dass sie die Standzeiten als Pausenzeiten werten und so dafür nichts bezahlen. Genau solchen Mauscheleien versuchen die Einsatzkräfte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auf die Spur zu kommen.
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Bei einer verdachtsunabhängigen Kontrolle, wie sie gerade am Hauptbahnhof Würzburg stattfindet, prüfen die Beamten, ob die Beschäftigten korrekt bei der Sozialversicherung gemeldet sind. Auszuschließen ist ja nicht, dass der Arbeitgeber in der Absicht, Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, seine Fahrer mit einer niedrigeren als der tatsächlich absolvierten Arbeitszeit bei der Sozialversicherung angemeldet hat. Weitere Fragen zielen nicht auf den Arbeitgeber als möglichen Betrüger, sondern auf den Arbeitnehmer: Bezieht er vielleicht noch Zusatzleistungen? Arbeitslosengeld oder Hartz IV zum Beispiel?
Abgleichung der Daten kann Monate dauern
Schließlich klopfen die Beamten noch ab, ob der Arbeitgeber den Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro einhält. Die Angaben der Taxler werden dann abgeglichen mit Daten der Arbeitsagentur etwa oder mit jenen der Rentenversicherung. Wie lange es dauert, bis Ergebnisse dieser Behörden da sind und die Befragungen endgültig abgeschlossen sind? Da müsse man in Monatszeiträumen denken, heißt es. Und das bedeutet auch: Ob die Finanzkontrolleure bei ihren Prüfungen schwarze Schafe erwischt haben, wissen sie selten sofort.
Das Ziel solcher Einsätze? Einerseits besteht es darin, das Geld aufzufinden, das dem Staat zusteht, das ihm aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer eventuell vorenthalten wollen.Andererseits seien, sagt Hellmann, solche Kontrollen auch einfach nur gut für die Moral der Kontrollierten. „Seien wir doch mal ehrlich“, sagt der Einsatzleiter. „Das Ticket im Bus kaufe ich mir doch eher, wenn ich weiß, dass ab und zu kontrolliert wird. Würde nie kontrolliert, wäre man laxer.“ Allein 2017 haben die rund 140 Mitarbeiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Schweinfurt 1513 Arbeitgeber aus der Region geprüft. In der Folge wurden 2560 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten eingeleitet. Die Summe der Geldstrafen aus Urteilen und Strafbefehlen, die fränkische Verurteilte zahlen mussten, belief sich auf knapp 700000 Euro.