So richtig fassen kann es Wolfgang Lewalter auch eine gute Woche später noch nicht. "Das war schon eine irre Tour", sagt er. Nachdem vor gut einem Jahr seine Frau einen Schlaganfall erlitten hatte und er selbst am Herzen operiert wurde, wollte sich das Rentnerpaar aus Fulda etwas Gutes tun: Mit dem Wohnmobil ins geliebte Bad Kissingen fahren und dort wieder ein wenig Freude ins Leben bringen. "Wir haben eine enge Beziehung zu der Stadt", sagt der 75-Jährige. Zum Kissinger-Sommer waren sie schon drei bis vier Wochen am Stück an der Saale, er hat sogar seinen 50. Geburtstag mit Freunden auf dem Campingplatz gefeiert.
Diesmal machten die Hessen auf dem Wohnmobil-Stellplatz an der Kisssalis-Therme halt. Es ist Samstagnachmittag, das Wetter ist bestens. Die Lewalters entschließen sich spontan, einen Spaziergang zu unternehmen: Über den Altenberg in den Kurpark, dann in die Stadt ein Eis essen und anschließend mit dem Taxi zurück zur Therme. "Gegen 17 Uhr nahm das Drama seinen Lauf", berichtet er. Der Taxistand am Kurgarten sei leer, unter den dort angegebenen Rufnummern kein Taxi zu erreichen gewesen. "Dann bin ich in die Touristinformation marschiert." Dort habe man sich zwar eine dreiviertel Stunde um das Problem gekümmert, letztendlich aber auch erfolglos.
Weil Lewalters Frau den Rückweg körperlich nicht mehr geschafft hätte, "habe ich ernsthaft überlegt, einen Krankenwagen zu rufen." Wenigstens das blieb ihnen aber erspart: Ein junger Familienvater mit zwei Kindern nahm das Paar per Anhalter mit zur Therme. Gute 90 Minuten waren seit dem ersten Anruf vergangen. "Dann war das Trauerspiel beendet."
Gäste häufig vertrösten
Kurdirektorin Sylvie Thormann bedauert den Vorfall. Es sei ungewöhnlich, dass Mitarbeiter der Touristinfo kein Taxi erreichen . "So ein Fall ist nicht in unserem Interesse und wir haben uns entschuldigt", sagt sie. Die Staatsbad GmbH sehe sich als Vermittler und habe bei dem größten Taxiunternehmen der Stadt nachgefragt. "Wir haben die Rückmeldung bekommen, dass die Anrufzeit in eine Stoßzeit gefallen ist", fasst Thormann zusammen. Es waren viele Fahrten vorreserviert. Deshalb kam es zu teils ungewöhnlich langen Wartezeiten. Den Kontakt zu den Taxibetreibern lobt sie als offen und bemüht.
Nachfragen bei Hotels und Gastronomiebetrieben zeigen, dass öfters vergeblich auf ein Taxi gewartet wird. "Wir müssen die Gäste häufig vertrösten", berichtet Dominik Singer, Rezeptionist im Hotel Wyndham Garden. Gerade Abends wenn die Gäste außerhalb unterwegs sind und morgens sei die Lage schlecht. "Wenn ein Gast früh ein Taxi braucht, weil sein Zug fährt, hat er meistens Pech."
Probleme nicht offiziell bekannt
Hotelmanager Pascal Muller vom Vier-Sterne-Haus Cup Vitalis bestätigt das. "Wir sind immer wieder damit konfrontiert, dass wir für Gäste Taxis bestellen wollen und dann entweder keine Rückmeldung bekommen oder eine Rückmeldung bekommen und der Fahrer kommt nicht", sagt er. Die Erreichbarkeit sei unterschiedlich, abends nach Konzerten und an Wochenenden aber am schwierigsten. Muller: "Für uns ist das ärgerlich, weil der Gast wenig Verständnis hat. Wir sind in dem Moment für ihn die Unfähigen."
Qays Mansur betreibt die Deluxe Shisha Bar am Berliner Platz. Obwohl er von vielen Fahrern die private Telefonnummer hat, warten auch seine Gäste immer wieder vergebens. "Unter der Woche geht es, am Wochenende ist es eine Katastrophe", berichtet Mansur.
Das Landratsamt ist als untere Straßenverkehrsbehörde für das Taxigewerbe in Stadt und Landkreis Bad Kissingen zuständig. Die Unternehmen sind gemäß Taxiordnung verpflichtet, den Betrieb "nach den öffentlichen Interessen und dem Stand der Technik aufrechtzuerhalten", erklärt Wirtschaftsförderer und Kreisentwickler Jürgen Metz. Kommen die Unternehmen dem nicht nach, kann das Landratsamt Sanktionen verhängen von Verwarnungen über Bußgelder bis hin zum Entziehen der Zulassung. Die Behörde kann aber auch einen Dienstplan von den Firmen einfordern, wenn sie merkt, dass der Betrieb nicht gewährleistet ist.
"Ein Problem beim Taxiverkehr in Bad Kissingen war bislang nicht bekannt", sagt Metz. Um etwas unternehmen zu können, sei das Landratsamt darauf angewiesen, dass Probleme gemeldet werden. "Wir werden das jetzt auch anlassbezogen prüfen", kündigt er an.
Taxiverband: Behörden gefordert
Von den befragten Taxiunternehmen wollte sich niemand äußern. Laut Frederik Wilhelmsmeyer vom Deutschen Taxi- und Mietwagenverband handelt es sich um ein Problem, das seit der Einführung des Mindestlohnes häufiger vorkommt. Der Mindeslohn habe den Beruf nicht attraktiver gemacht, sondern die Bedingungen erschwert. Ein Taxi müsse in der Stunde mindestens 35 Euro umsetzen um wirtschaftlich zu sein. Das führe zu Versorgungsproblemen, etwa nachts.
Während die Ballungsräume gut abgedeckt sind, "haben wir gerade in Mittelstädten Engpässe", berichtet er. Dem Gewerbe mache zudem die Situation am Arbeitsmarkt nahe der Vollbeschäftigung zu schaffen. Viele potenzielle Taxifahrer finden aktuell auch anderswo eine Beschäftigung. Die Infrastruktur , die Fahrzeuge sind zwar da, aber: "Die Fahrer fehlen", sagt Wilhelmsmeyer. Deshalb sei es grundsätzlich ratsam, rechtzeitig ein Fahrzeug vorzubestellen.
Dennoch hat das Taxigewerbe wie der öffentliche Personennahverkehr die Grundversorgung an Mobilität zu gewährleisten. "Was nicht sein kann ist, dass kein Taxi zu bekommen ist", macht der Fachmann deutlich. Er sieht in betroffenen Bereichen die Landratsämter gefordert, mit den Unternehmen Einsatzpläne aufzustellen. Die müssen natürlich angemessen sein. Wilhelmsmeyer: "Ich kann nicht von einem Unternehmer fordern, dass er tiefrote Zahlen schreibt."
Am Rakoyfest hatte ich ein Hotelzimmer genommen, weil ich genau wusste, dass kein Taxi zu bekommen ist. Abends sind die auch lieber zu hause, was ich verstehe.
Taxibetriebe sind auf dem Land 8gerade Nachts), und selbst in einer Stadt wie Schweinfurt, eigentlich unrentabel. Und der Unternehmer kann seinen Fahrern auch nicht mehr bezahlen, weil er das Geld gar nicht hat.