Kampfabstimmung: Dr. Zimmerer wird jetzt berufsmäßiger Stadtrat
Gestern vom Stadtrat gewählt - "Bürgerliche Fraktionen" setzten sich durchKampfabstimmung vor dem festlichen Abschluss der letzten Stadtratssitzung des Jahres: Mit 30 Ja- gegen 19 Nein-Stimmen und bei zwei ungültigen Stimmzetteln ist gestern, an seinem 61. Geburtstag, der Leiter des Rechtsreferates der Stadtverwaltung und frühere Oberbürgermeister Dr. Helmuth Zimmerer in geheimer Abstimmung zum berufsmäßigen Stadtrat gewählt worden. Er hat damit künftig eigenes Vortrags- und Antragsrecht im Stadtrat, während er bisher nur auf Weisung und im Sinne des Oberbürgermeisters vortragen konnte. Die Zahl der berufsmäßigen Stadträte erhöht sich nach der Wahl Dr. Zimmerers auf acht. Das Stimmenverhältnis zeigt, dass offenbar alle Mitglieder der CSU- und FWG/FDP-Fraktion – beide Fraktionen hatten auch den entsprechenden Antrag gestellt – für Dr. Zimmerer votiert haben, während die SPD-Fraktion und Oberbürgermeister Dr. Zeitler dagegen stimmten beziehungsweise – in zwei Fällen – ungültige Stimmzettel abgaben.
Entsprechend dem Antrag der beiden "bürgerlichen" Fraktionen beschloss der Stadtrat gegen die Stimmen der SPD, Dr. Zimmerer die Aufgaben Stadtentwicklung und Umlandfragen zusätzlich zum Rechtsreferat zu übertragen und dafür ein neues Referat VII der Verwaltung zu errichten. Die Grundsatzkompetenz für Fragen der Stadtentwicklung und des Stadtumlandes bleibt jedoch beim Oberbürgermeister. Die Geschäftsverteilung wird entsprechend geändert. Die Amtszeit Dr. Zimmerers wurde auf die Dauer vom 1. Janhuar 1974 bis 31. Dezember 1977 festgelegt.
- Die Skandale des Dr. Zimmerer
- Kommentar: Keine Straße für Helmuth Zimmerer
- Dokumentation: Zimmerers Doktorarbeit
Der neugewählte berufsmäßige Stadtrat bedankte sich für das Vertrauen der Mehrheit des Hauses und sicherte dem Oberbürgermeister, dem Stadtrat und der Verwaltung (unleserlich, d. Red.) zu, bevor er von Dr. Zeitler vereidigt wurde.
Der Wahl war eine heftige Debatte vorausgegangen, nachdem SPD-Fraktionsführer Hans Heß erklärt hatte, seine Fraktion werde gegen die Wahl Dr. Zimmerers stimmen. Dies richte sich nicht gegen die Person, vielmehr müsse man der Öffentlichkeit sagen, "dass wir etwas tun, um einer Flut in den oberen Rängen Einhalt zu gebieten". Es wäre besser zu überlegen, wie man Referate einsparen könne, statt neue zu schaffen.
Die Tatsache, dass Heß sich auch zur Besoldung Dr. Zimmerers äußerte ("Der Fall ist ja wohl auch einmalig, dass ein ehemaliger Oberbürgermeister nun Referent ist") veranlasste den CSU-Fraktionsvorsitzenden Karl Hatzold, dies "in aller Form schärfsten zu rügen", denn es sei ein Novum, dass man in öffentlicher Sitzung über Gehälter spreche. Hatzold wiederholte die Argumente aus der Begründung des Antrages seiner Fraktion und betonte, es müsse über diese Frage jetzt entschieden werden, denn der Oberbürgermeister werde 1974 "viel beschäftigt sein mit Publicity für seinen Wahlkampf".
Dr. Zeitler entgegnete, er beabsichtige, auch in Zukunft auf Leistungen und darauf, was in dieser Stadt geschehen sei, hinzuweisen. Erstens könne sich jeder Bürger darüber informieren, wie die Beamten der Stadt bezahlt werden, und außerdem (unleserlich, d. Red.) was ausgerechnet ein Jurist an dieser Stelle zu tun habe. Man müsse sich fragen, was durch die Wahl Dr. Zimmerers anders werden solle, denn es werde keinen zusätzlichen "arbeitenden Mitarbeiter" geben. Zur CSU- und FWG/FDP-Fraktion gewandt sagte Heß: "Ihre Gründe schlagen nicht durch. In der Bürgerschaft versteht das niemand."
Bereits vor Jahresfrist hatte sich die CSU im Stadtrat durchgesetzt, als beschlossen wurde, das von Dr. Zimmerer geleitete Rechtsamt in ein Rechtsreferat zu überführen. Die Leitung übertrug Oberbürgermeister Dr. Zeitler seinem Amtsvorgänger, der seit Juli 1968 – als er nicht wiedergewählt worden war – um eine seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten "angemessene" Beschäftigung in der Stadtverwaltung gekämpft hatte.
Nächste Seite:
21. Dezember 1977, Main-Post: Vorweihnacht im Würzburger Stadtrat
Inhaltsverzeichnis