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WÜRZBURG
Zimmerer: Presseberichte von 1962 bis 1984 (10/52)
Redaktion
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:41 Uhr
24. Januar 1963, Main-Post:
 

"Ein Hexenkessel des Misstrauens"



Die Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Bürgermeister Fasel, war mehr eine Verteidigungsrede für Oberbürgermeister Dr. Zimmerer und gegen die Anwürfe gerichtet, die in letzter Zeit gegen diesen erhoben wurden, als eine Rede zum Haushaltsplan. Es seien zurzeit in Würzburg Kräfte am Werk, meinte er, die ein außerordentliches Geschick in Verdrehungen und Halbwahrheiten entwickelt haben. Die rücksichtslose Ausnützung der Pressefreiheit ohne jede Rücksichtnahme auf menschliche Würde oder christliche Nächstenliebe sei einfach beschämend. "Nichts gegen die demokratischen Grundrechte, wozu die Redefreiheit, Pressefreiheit, Koalitionsfreiheit, Meinungsfreiheit und anderes mehr gehörten, ohne die die demokratischen Spielregeln einfach unmöglich sind. Aber was jetzt und hier geschieht, ist einfach moderne Inquisition und Rufmord." Er sei kein Jurist, sagte Fasel, aber er glaube zu wissen, dass Kapitalverbrechen, worunter auch Mord zähle, nach 25 Jahren verjährt sind. "Bei unserem Stadtoberhaupt aber" solle "das, was er als blutjunger Mensch einmal vor 27 Jahren und noch nicht einmal als eigene Gedanken niedergeschrieben" habe, "nicht gelten. Als wenn wir das 1956 und 1962 bei den Wahlen nicht gewusst hätten." Die Polemik habe in einem sehr bedauerlichen Umfang die Grenzen jeder Sachlichkeit überschritten und sei in den persönlichen Bereich eingedrungen. Als Lichtblick in der ganzen Sache dürfe man betrachten, dass es sich hier um Auswüchse von einigen Blättern handle. In einer solchen Atmosphäre solle nun der Haushaltsplan verabschiedet werden. Die sei bestimmt nicht leicht, weil sich die Gedanken durch Unfrieden und Zerwürfnisse kaum auf dieses Thema konzentrieren könnten.
 
(…)
 
Er danke allen gutgesinnten Bürgern für das Vertrauen, das sie dem Rathaus entgegenbringen. Dieses Vertrauen sei zurzeit erschüttert. "Wir leben in einem Hexenkessel von gegenseitigem Misstrauen, Missgunst und Neid, wie es seit 1945 noch niemals der Fall war." Angesichts dieser Tatsache sei es erfreulich, dass er in der letzten Zeit viele Sympathiekundgebungen für den Oberbürgermeister erhalten habe. Die Wiederherstellung eines echten und menschlich würdigen Vertrauens werde schwer sein; weil die ganze Atmosphäre vergiftet sei. "Wir haben bis jetzt geschwiegen, nicht aus ängstlichem Schuldgefühl oder gar aus Scham vor unseren eigenen kleinen Schwächen, die bei allen Menschen, die schwer und fleißig arbeiten, unvermeidlich sind, sondern wir haben geschwiegen aus Anstand und Rücksichtnahme auf unsere Bürgerschaft und auch auf uns selbst, weil wir glaubten, dass auch diese ungute Sache vorübergehen wird, bis die Aufsichtsbehörde und die Gerichte entschieden haben. Leider wurde unser Schweigen als Schwäche gedeutet. Nun ist es höchste Zeit auf Grund der neuerlichen Vorkommnisse den Mund aufzutun und die Zähne zu zeigen. Die Würde des Menschen darf nicht mit Füßen getreten werden. Wie sollten wir uns sonst jemals aus dem Teufelskreis der Angriffe und Verwirrungen befreien können, wenn diese Werte nichts mehr gelten."
 
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