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Würzburg
Würzburger Volkswirt Bofinger: "Wenn ein Tankrabatt bei den Kunden nicht ankommt, läuft im Wettbewerb was falsch"
Der Krieg in der Ukraine belastet die von Corona gebeutelte Wirtschaft. Warum der ehemalige Wirtschafsweise Peter Bofinger jetzt aber nicht nur Probleme sieht.
Peter Bofinger, Seniorprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg, war von 2004 bis 2019 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. 
Foto: Daniel Peter | Peter Bofinger, Seniorprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg, war von 2004 bis 2019 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. 
Folker Quack
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:04 Uhr

Peter Bofinger, Seniorprofessor für Volkswirtschaft an der Universität Würzburg, verfolgt die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die deutsche Wirtschaft aufmerksam. Der Ökonom, der von 2004 bis 2019 als einer von fünf Wirtschaftsweisen die Bundesregierung beraten hat, hält die Folgen für problematisch - sieht aber auch Chancen.

Nach der Corona-Krise treibt jetzt der Krieg in der Ukraine die Preise weiter in die Höhe. Befürchten Sie eine große und langanhaltende Inflation?

Prof. Peter Bofinger: So schnell werden wir zu den zwei Prozent Inflation nicht zurückkommen. Unsere Wirtschaft sieht sich einem perfekten Sturm gegenüber: Corona ist ja nicht weg, so dass Lieferengpässe die Preise weiter in die Höhe trieben. Und mit Russland und der Ukraine fallen zwei gigantische Rohstoff-Exporteure aus. Russland ist weltweit die Nummer eins bei den Exporten von Gas, Düngemitteln und Weizen und die Nummer zwei beim Erdöl. Die Ukraine ist der größte Exporteur für Sonnenblumenöl und Nummer fünf beim Weizen. Das ist ein außergewöhnlicher Angebotsschock für die Weltwirtschaft. 

Sehen Sie eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung und den sozialen Frieden in unserem Land?

Bofinger: Das ist in jeder Hinsicht problematisch. Zum einen können die Leute ihr Geld ja nicht zweimal ausgeben. Wenn wir die Preisentwicklung herausrechnen, sehen wir schon jetzt einen dramatischen Einbruch bei den Umsätzen im Einzelhandel. Besonders betroffen sind die Haushalte mit wenig Einkommen, weil dort der Anteil der Energiekosten überproportional hoch ist.

Ist es da ökonomisch sinnvoll, wenn der Staat die Teuerungen abfedert?

Bofinger: Es ist gut, dass wir diese Entlastungspakete haben, um den Preisschock abzufedern. Das kann der Staat besser schultern als die privaten Haushalte. Allerdings kann der Staat diese Teuerung auf Dauer nicht ausgleichen. Darum können wir nur hoffen, dass die Preissteigerungen nur vorübergehend sind und die Entlastungspakete zurückgefahren werden können.

Aber die Gewerkschaften werden höhere Löhne fordern, was eine Lohn-Preis-Spirale mit einer vielleicht weiter steigenden Inflation in Gang setzt. Was dann?

Bofinger: Um wieder auf zwei Prozent Inflation zurückzukommen, dürften die Löhne nicht wesentlich mehr als zwei Prozent steigen. Das ist aber unrealistisch, das würden die Gewerkschaften nicht vertreten können. 

Auf der anderen Seite hat die staatliche Abfederung der Mineralölsteuer nur kurzfristig Entlastung gebracht. Gewinner sind die Mineralölgesellschaften. SPD und Grüne diskutieren eine Übergewinnsteuer. Was halten Sie davon?  

Bofinger: Wenn es Übergewinne gibt, ist das für einen Ökonom das Zeichen, dass es keinen Wettbewerb gibt. Statt nach guten oder schlechten Übergewinnen zu fragen, sollte man sich besser fragen, was ist denn da mit dem Wettbewerb los? An die großen internationalen Energiekonzerne käme man mit einer deutschen Übergewinnsteuer eh nicht ran, also müssen wir vor Ort schauen, was ist mit dem Wettbewerb an den Tankstellen und deren Lieferanten in Deutschland? Wenn es einen Tankrabatt gibt und der kommt bei den Kunden nicht an, läuft im Wettbewerb was falsch.   

Wenn Russland seine Gaslieferungen an Europa komplett einstellen sollte, was wären die wirtschaftlichen Folgen? 

Bofinger: Da gibt es unterschiedliche Szenarien, die einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von drei bis zu sechs Prozent prognostizieren. Dabei muss man sehen, dass unsere Wirtschaft schon jetzt nicht rund läuft und sich am Rande einer Rezession bewegt. Die drei bis sechs Prozent kämen da noch dazu. Aber alle Prognosen sind naturgemäß mit einem sehr hohen Maß an Unsicherheit behaftet, da es einen so abrupten und zugleich so massiven Lieferstopp noch nie gegeben hat. Das wäre so ähnlich wie der Versuch der Notlandung eines Flugzeugs außerhalb eines Flughafens. Ich finde, die Bundesregierung verhält sich richtig, indem sie so schnell wie möglich die Importe aus Russland zurückfährt, aber keine unabsehbaren Risiken eingeht.

Zum Problem der Lieferketten und der teuren Energie kommt der Personalmangel. Überall werden händeringend Mitarbeiter gesucht. Wie belastend ist das in der momentanen Situation?   

Bofinger: Zunächst einmal ist das ein positiver Befund, dass unser Arbeitsmarkt toll dasteht. Dabei ist interessant, dass nicht weniger gearbeitet wird. Im März gab es 660.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr als im Januar 2020.  Das ist doch allemal besser, als wenn wir jetzt noch eine hohe Arbeitslosenquote hätten. Wir hatten im vergangenen Jahrzehnt einen starken Zustrom von Arbeitskräften aus dem Ausland. Das wurde durch Corona gestoppt. Im Jahr 2020 ging die Anzahl der Zuwanderer aus dem Ausland um rund 400.000 Menschen zurück. Es gibt weltweit viele engagierte und fleißige Menschen, die gerne bei uns arbeiten würden. Wir brauchen eine Einwanderungspolitik, die qualifizierte Menschen nach Deutschland bringt.

Die aktuelle Entwicklung bietet also auch Chancen?

Bofinger: Die größte Chance ist der klare Weckruf, jetzt mit den erneuerbaren Energien voranzugehen. Wir müssen uns von den fossilen Energien befreien, egal woher sie kommen. Das ist keine deutsche, sondern eine europäische Aufgabe. Denn es gibt in Europa Länder mit sehr viel größeren Flächen und mehr Sonne für die erneuerbaren Energien. Eine europäische Perspektive bringt uns jedenfalls viel weiter, als jetzt über jedes einzelne Windrad zu diskutieren. 

Prof. Peter Bofinger sagt: 'Es wäre falsch, jetzt die Globalisierung negativ zu sehen.' 
Foto: Daniel Peter | Prof. Peter Bofinger sagt: "Es wäre falsch, jetzt die Globalisierung negativ zu sehen." 
Die engen Verflechtungen der Wirtschaften bringen fatale Abhängigkeiten mit sich. Erleben wir gerade den Anfang vom Ende der Globalisierung?

Bofinger: Es wäre falsch, jetzt die Globalisierung negativ zu sehen. Sie hat der Welt insgesamt und insbesondere uns in Deutschland sehr viel Wohlstand gebracht. Um es mal überspitzt zu formulieren, könnten wir natürlich jetzt versuchen, alles in Unterfranken zu produzieren, aber das hätte keinen Bestand und würde zu gravierenden Wohlstandeinbußen führen. Die Globalisierung wird bleiben, wir müssen nur fragen, wo war es zu viel des Guten, wo sind Abhängigkeiten entstanden? Ein starkes Europa mit einer geringeren Abhängigkeit bei kritischen Rohstoffen wie den seltenen Erden, aber auch bei Halbleitern und zugleich technologisch hochstehenden Produkten wäre die beste Antwort auf die jetzige Situation.

Tag der offenen Tür an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät

Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Würzburg lädt am kommenden Dienstag, 14. Juni, Schülerinnen und Schüler sowie alle Interessierten zu einem Tag der offenen Tür in der neuen Universität am Sanderring ein. Es gibt viele Präsentationen und Aktionen zum Mitmachen. In ungezwungener Atmosphäre kann man mehr über Wirtschaftswissenschaften und die Themen der Bachelorstudiengänge Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsmathematik erfahren. Beginn ist um 14 Uhr. Prof. Dr.  Peter Bofinger hält von 14.10 bis 14.40 Uhr einen Vortrag zum Thema "Krieg in der Ukraine: Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft".
Quelle: Uni Wü
 
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  • T. L.
    Ich bin am Samstag-Vormittag eine Strecke von ca. 100 km auf der A38 Richtung Leipzig gefahren, und am Nachmittag die selbe Strecke wieder zurück. Das ganze mit einer per Tempomat eingestellten Geschwindigkeit von 110 km/h. Auf der Hinfahrt habe gerade mal 2 PKW's überholt, auf der Rückfahrt nur einen einzigen! Ansonsten bin ich selber ständig überholt worden. Ganz offensichtlich ist der Spritpreis für viele immer noch so billig, dass gnadenlos gerast werden kann, egal wieviel Sprit durch den Vergaser gejagt wird. Wir Verbraucher hätten doch die Macht durch angepasste und spritsparende Fahrweise den Gesamtverbrauch vom Treibstoff sicher um 10 oder mehr Prozent zusenken. Und weniger Nachfrage nach Treibstoff müsste auch den Mineralölkonzernen das Geschäft verderben und eigentlich zu sinkenden Preisen führen. Aber sowas wie ein Tempolimit in Deutschland führt ja gleich zum Untergang des Abendlandes...
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  • H. S.
    Das Problem liegt in der Struktur der Mineralölkonzerne. Sie selbst haben relativ wenige Angestellte. Jeder Schritt ist "outgesourced".Sie selbst kontrollieren wenn überhaupt lediglich, kaufen den Treibstoff an und legen den für den Tankwart verbindlichen Endpreis fest. Als Beispiel die MIRO (Mineralölraffinerie Oberrhein GmbH 6 Co. KG)), die ich aus eigener Zusammenarbeit kenne. Sie deckt ca. 30% des bundesweiten Bedarfes ab. Anteilseigner sind die Holdings fast aller in der Bundesrepublik bekannten Verkaufsmarken. Der Einkauf erfolgt zentral und die Verarbeitung erfolgt für alle in der gleichen Produktionsstraße. Lediglich in die Tankwagen kommt nach der Abfüllung eine sehr kleine Menge Additiv hinein, welche dann den klassischen Farbunterschied ausmacht. Dies trifft auf einen Großteil der Raffinerien zu. Die Gewinne treten also in den "unabhängigen" Raffinerien und nicht in den in Deutschland ansässigen Mineralölkonzernen auf. Sie fließen von dort in die internationalen Holdings.
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  • R. R.
    Als Teil der 7 Weisen schon nix getaugt.
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  • D. P.
    Ökonomen, die behaupten, auf die Gewinne ausländischer Unternehmen habe man keinen Zugriff, sind mir höchst suspekt. Länder, in denen es diese Gewinnabschöpfung bereits gibt (z.B. Italien), lösen das über eine erhöhte Umsatzsteuer. Das mag keine perfekte Lösung sein, sie spült aber zig Milliarden in die Staatskasse.
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  • E. H.
    mal kurz nachgefragt. Wenn die Umsatzsteuer erhöht wird, zahlt die dann der Ölkonzern, oder der Verbraucher über den Umweg an der Tankstelle an den Staat ???
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  • D. P.
    „erhöhte Umsatzsteuer“ ist von mir zu schwammig ausgedrückt. In Italien werden die Über-Gewinne über die Umsatzsteueranmeldung angemeldet. Die Regelung gilt nur für bestimmte Unternehmen. Als Verbraucher ist man davon nicht betroffen.

    https://www.bundestag.de/resource/blob/894892/3eb686d698d36159e9959d281c56f0f4/WD-4-049-22-pdf-data.pdf
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  • G. R.
    Das war doch absolut vorherzusehen! Ich hätte meinen A… darauf verwetten können, dass sich der Spritpreis - trotz des super Rabattes - bei 2€ einpendeln wird! ^_^
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  • M. R.
    Ihre Frage: " Statt nach guten oder schlechten Übergewinnen zu fragen, sollte man sich besser fragen, was ist denn da mit dem Wettbewerb los? "

    Die Antwort: Mit der digitalen Datenbank können ja auch die Ölkonzerne leicht an die Daten der Konkurrenz kommen. Also gibt es keinen Wettbewerb, wenn man weiß, was die Konkurrenz so treibt.
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  • R. B.
    Sehr geehrter Herr Bofinger, hier zeigt sich doch allenfalls die Naivität der Handelnden, welche auf die Ehrbarkeit der Mineralölkonzerne gesetzt hatten. Einmal mehr wird aufgezeigt, wie wenig die politischen Entscheider von dem verstehen was sie tun. Millionen von Steuergeldern werden verschleudert, während sich die Mineralölkonzerne die Taschen vollstopfen. Gleiches passiert mit den großzügigen Prämien für Elektroautos. Hier haben die Hersteller die Prämie längst auf den Verkaufspreis aufgeschlagen und der Kunde glaubt tatsächlich, er mache ein Schnäppchen. Aber unter dem Deckmantel der Klimakrise lassen sich solche "Steuerpakete" bestens verkaufen.
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  • R. D.
    Das Problem ist, man muss in der Politik alle Gesetze und Regelungen möglichst kompliziert machen, mit möglichst vielen Ausnahmen und Sonderregelungen. Hätte man einfach jedem 100€ ausbezahlt oder an der Steuer erlassen, wäre das Geld angekommen. Aber das wäre ja viel zu einfach.
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  • B. M.
    Ein Steuererlass wäre nicht zielführend, denn Geringverdiener, Rentner, sozial Schwache ..., welche finanzielle Hilfe am dringensten benötigen, zahlen keine Steuern. Die, die ordentlich hohe Steuern zahlen, brauchen keine Hilfe.
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  • R. D.
    Nein. Durch Reduzierung der Treibstoffpreise profitieren die, die viel verbrauchen. Ein armer Rentner ohne Auto hat gar nichts davon. Von einem einmaligen Betrag profitiert jeder gleichermaßen.
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  • K. K.
    Ein Rentner ohne Auto braucht keinen Treibstoff, darum ging es doch oder?
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  • T. M.
    Soso , es gibt also Leute die keine Steuern bezahlen 🤔🤔🤔? Lesen Sie sich doch mal den beigefügten Link genau durch, dann überlegen Sie mal scharf, denn es gibt weit mehr als 40 Steuern in Deutschland. Und nur als Beispiel: die Mehrwertsteuer zahlt JEDER der zum Einkaufen geht egal ob 7 oder 19 %!!
    Und das was Sie da schreiben finden auch noch 10 andere toll??? Mich wundert nix mehr ….

    https://www.ionos.de/startupguide/unternehmensfuehrung/steuerarten-in-deutschland-eine-uebersicht/
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  • T. E.
    Die Antwort liegt schon in der Überschrift: Wettbewerb gibt es im Oligopol der Ölkonzerne faktisch nicht
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