
"Heute spreche ich etwas aus, was mir seit einem halben Jahr den Kopf zerbricht und auch schlaflose Nächte bereitet hat." Mit diesen Worten hat vor einigen Wochen ein Redebeitrag im Würzburger Stadtrat begonnen.
In sachlichen, aber auch emotionalen Worten schilderte ein Grünen-Stadtrat, der mit einem weiblichen Vornamen 2020 in den Stadtrat eingezogen ist, warum er ab jetzt den männlichen Namen Lysander Laier verwendet. Auf Wunsch von Lysander Laier erwähnt die Redaktion diesen früheren Namen nicht, denn dies empfindet er als respektlos und verletzend: "Es erinnert mich schmerzhaft an die Tatsache, dass ich bisher nicht das Privileg habe, in dem Körper zu leben, in dem ich leben möchte."
Laier sagte im Gremium, dass ihm bei seiner Geburt das weibliche Geschlecht zugeordnet und daraufhin die Rolle als Mädchen und junge Frau zugeschrieben worden sei. "Damit identifiziere ich mich nicht." Kurz schilderte der 25-Jährige seine Ängste vor Ausgrenzung und Diskriminierung und seine Hoffnung auf einen respektvollen Umgang. "Ich bin nun Lysander, Herr Lysander Laier. Als solcher möchte ich in Zukunft angesprochen werden."
Die Rede endete mit dem Satz: "Ich bin nun Lysander, aber ich bleibe der gleiche Mensch wie vorher." Die Mitglieder des Stadtrats applaudierten laut und lange. Oberbürgermeister Christian Schuchardt bedankte sich für das Statement.
Unterstützung von Geschwistern, aus dem Stadtrat und dem Freundeskreis
"Ich habe das Gefühl, dass die Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat menschlich hinter mir stehen. Dafür bin ich sehr dankbar", sagt Laier bei einem Gespräch mit der Redaktion im Würzburger Hofgarten einige Wochen nach der Erklärung im Stadtrat. Auch die Geschwister und der Freundeskreis, bei denen sich Laier bereits im Februar geoutet hatte, hätten ihn sehr unterstützt. "Es gibt inzwischen eine größere Offenheit im Umgang mit dem Thema trans sein", sagt der Jurastudent. Sein Umfeld – links, queer, bunt – reagiere allerdings sicherlich toleranter als der Durchschnitt.

Im Hofgarten bleiben immer wieder Blicke von Passanten an Laier hängen, der mit Kurzhaarschnitt, Shorts und T-Shirt unauffällig angezogen, dessen Geschlecht aber nicht eindeutig zuzuordnen ist. Ein paar Kinder bleiben stehen und gaffen. "Angestarrt zu werden ist natürlich unangenehm", sagt Lysander Laier. Aber deutliche Anfeindungen habe er zum Glück noch keine erlebt.
Der erste sichtbare Schritt zur neuen Identität sei das Verschenken seiner Garderobe und neues Einkleiden. Die nächsten Schritte werden der Eintrag des neuen Namens im Personenregister sein. Lysander bedeutet "freier Mann".
Das alles klingt nicht leicht. Trotzdem klingt Lysander Laier erleichtert. "Es fühlt sich gut an", sagt er auf die Frage, wie es ist, wie ein Mann auf einer Bank zu sitzen – die Beine nicht eng über einander geschlagen, sondern locker nebeneinander gestellt. Die Gürtelschnalle sitzt jetzt auf der linken Seite, Geldbeutel und Handy verstaut er in der Hosen – und nicht in der Handtasche. "Solche Dinge probiere ich jetzt einfach aus."
"Irgendwie anders" habe er sich schon in der Kindheit gefühlt. Mit Mädchen habe er nicht gerne gespielt, bei Jungs habe er dann in der Pubertät gespürt, dass er nicht so ist, wie sie es erwarten. "Der Leidensdruck entsteht dadurch, dass man anders ist und sich bemüht, trotzdem die Rolle zu erfüllen, die von einem erwartet wird. Das klappte aber nicht."
Dass er trans ist, sei ihm erst nach der Pubertät klargeworden. Dann habe es noch Zeit gebraucht, sich damit auseinanderzusetzen und es zu akzeptieren. "Jetzt bin ich am Anfang eines Wegs, in dem ich eine große Chance sehe, mich mit mir selbst wohler zu fühlen." Sich diese Schritte zu trauen, verdanke er Vorbildern wie der Grünen-Bundestagsabgeordneten Tessa Ganserer, die erste aktive Politikerin Deutschlands, die sich 2018 als trans geoutet hatte.
"Ich hatte nur die Möglichkeiten, entweder die Politik aufzugeben oder über diese persönlichen Themen zu sprechen", sagt Lysander Laier, der seit 2020 Mitglied des Stadtrats und seit 2018 Mitglied der Grünen Jugend ist. Da er sich weiter für Themen wie Gleichberechtigung, soziale Teilhabe und Klimaschutz einsetzen möchte, sei nur der Weg in die Öffentlichkeit geblieben. "Ich schließe ja nicht mit meiner Vergangenheit ab oder habe meine Überzeugungen verändert," sagt Laier. "Ich bleibe ja der gleiche Mensch."