Ob es um den Klimawandel und seinen Folgen geht, um die ungerechte Verteilung des Wohlstands oder um den Umgang mit Flüchtlingen: Bei der Lösungssuche sind immer auch die Entscheidungen Einzelner gefordert und die Bereitschaft zu Kooperation und Verzicht zugunsten anderer. Die Wissenschaftler sagen dazu: Es braucht „prosoziales Verhalten“.
Psychologen der Universität Würzburg und des Leipziger Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften haben jetzt über viele Monate hinweg den Einfluss von Mentaltraining auf prosoziales Verhalten untersucht. Das Ergebnis: Die menschliche Prosozialität ist „formbar“. Und, sagt Juniorprofessorin Anne Böckler-Raettig, durch verschiedene Arten von mentalem Training kann es systematisch erhöht werden. Der Aufwand dafür sei nicht sehr groß – kurze tägliche Praktiken, die leicht im Alltag umgesetzt werden könnten, würden schon reichen.
Ist prosoziales Verhalten fest verankert - oder veränderbar?
Als „prosozial“ definiert die Wissenschaft Verhalten, das für den Einzelnen kostspielig ist, das aber anderen einzeln oder als Gruppe Vorteile bringt. Philosophen, Mathematiker, Ökonomen, Evolutionsbiologen un Neurowissenschaftler forschen darüber. Dennoch, sagt die Würzburger Psychologin, sei „überraschend wenig darüber bekannt, ob und wie die Motivation, altruistisch zu handeln trainiert werden kann“.
Prosozialität wurde als stabil angesehen, Veränderbarkeit spielte keine Rolle. In der Studie der Würzburger und Leipziger Wissenschaftler nahmen Teilnehmer über neun Monate hinweg an drei verschiedenen Formen von Mentaltraining teil, das auf mehreren Meditationen basierte.
Drei Trainings, drei Meditationsformen - ein Erfolg
Bei der ersten Form mit Atemmeditation ging es darum, die Aufmerksamkeit und das Körperbewusstsein zu schärfen – ähnlich wie in populären Programmen zum Stressabbau. In einem zweiten Modul standen Fähigkeiten wie Mitgefühl, Dankbarkeit und prosoziale Motivation im Mittelpunkt. Der flexible Blick auf sich selbst, auf andere sowie die Fähigkeit, Perspektiven zu wechseln, waren Schwerpunkt in Modul drei.
Was die Psychologen wissen wollten: Welches mentale Training würde sich als effektiv erweisen, um Verhalten zu verstärken, das sich unmittelbar auf das Wohlergehen des anderen richtet? Die Ergebnisse seien eindeutig gewesen, sagt Böckler-Raettig: Einzig das zweite, sogenannte Affektmodul hatte direkte Einfluss auf die Motivation der Teilnehmer, sich altruistisch zu verhalten. Sie waren nach den Trainingseinheiten großzügiger, zu spontaner Hilfe bereit und spendeten höhere Beiträge an gemeinnützige Organisationen.
Drei Monate lang 30 Minuten Übung und Meditation am Tag gehörte zum Training dazu. Aber auch drei Einführungstage und wöchentlichen Treffen mit Meditationslehrern. Zum Affektmodul, das altruistisches Verhalten tatsächlich fördern konnte, gehörte die „Loving-kindness Meditation“: Man nimmt eine entspannte Sitzhaltung ein, schließt die Augen und richtet seine Aufmerksamkeit auf eine geliebte Person. „Das Gefühl des Wohlwollens und der Liebe wird aktiv beibehalten und kann mental auf andere Menschen übertragen werden“, sagt Böckler-Raettig. Fazit der Forscher: einfache, kurze und nicht allzu kostspielige mentale Praktiken könnten uns fürsorglicher machen.