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Würzburger Medizin-Dekan Frosch: Wie die Pandemie das Medizinstudium verändert
Mehr Praxis, Digitalisierung, Allgemeinmedizin - was kommt auf Studierende zu? Prof. Matthias Frosch über die neue Approbationsordnung.
Prof. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Uni Würzburg und Präsident des Deutschen Medizin-Fakultätentages, im Gespräch über die künftige Medizinerausbildung.
Foto: Daniel Peter | Prof. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Uni Würzburg und Präsident des Deutschen Medizin-Fakultätentages, im Gespräch über die künftige Medizinerausbildung.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:57 Uhr

Wie wichtig eine gute ärztliche Versorgung ist, hat nicht erst die Corona-Krise gezeigt. Schon länger wird an einer Reform der Approbationsordnung gestrickt. Sie macht Vorgaben für das Medizinstudium – und reagiert auch auf die Pandemie. Im Jahr 2025 soll die Neufassung in Kraft treten, Prof. Matthias Frosch hofft auf einen baldigen Beschluss. Der Medizin-Dekan an der Universität Würzburg führt als Präsident seit drei Jahren den Medizinischen Fakultätentag und spricht damit für die Medizinerausbildung in ganz Deutschland.

Frage: Praxen bleiben geschlossen, Ärztinnen und Ärzte fehlen... Brauchen wir mehr Medizinernachwuchs in Deutschland?

Prof. Matthias Frosch: Richtig ist, dass insbesondere in ländlichen Regionen der Bedarf teilweise nicht gedeckt werden kann und ausscheidende Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber keine Nachfolger finden, obwohl immer mehr Studienplätze geschaffen werden. Seit 2010 ist die Zahl der Medizinstudierenden von rund 80.000 auf über 100.000 gestiegen. Nach meiner Wahrnehmung haben wir keine Defizite in der Ausbildungskapazität, sondern in der Verteilung der Absolventen. In einigen, vornehmlich ländlichen Regionen herrscht Ärztemangel – in anderen Regionen, insbesondere in Gr0ßstädten, haben wir eine Überversorgung.

Der Druck auf die begrenzte Zahl von Studienplätzen ist weiterhin hoch. Die Politik versucht zum Beispiel mit der Landarztquote nach Bedarf zu steuern. Kann das funktionieren?

Frosch: Die Nachfrage auch für die Studienplätze aus der Landarztquote ist hoch. Die Quote wird aber das Problem nicht kurz- oder mittelfristig lösen können: Wir haben ein mindestens sechsjähriges Studium und danach eine sechsjährige Facharztausbildung. Es wird also eine ganze Weile dauern, bis Entscheidungen von heute in der Versorgung ankommen. Und wie die Situation unseres Gesundheitssystem in zwölf Jahren sein wird, wage ich nicht vorherzusagen. Ich kann mich noch gut an meine Studienzeit in den 1970er und 80er Jahre erinnern: Damals wurde über eine Ärzteschwemme diskutiert, es gab bis weit in die 90er Jahre hinein arbeitslose Ärzte. Das zeigt, wie schwierig es ist, langfristig zu planen und den zukünftigen Bedarf an Ärztinnen und Ärzten zu definieren.

Wo müsste die Politik denn ansetzen?

Frosch: Die Diskussion auf Landarztquote und zusätzliche Studienplätze zu beschränken, springt viel zu kurz. Unsere Gesellschaft und die Sozialversicherungssysteme stehen vor einem gewaltigen Umbruch. Die rasanten Fortschritte in der Medizin, die uns eine immer höhere Lebenserwartung bei immer besserer Gesundheit bescheren, sind mit erheblichen Kosten verbunden. Gleichzeitig werden aufgrund der demografischen Entwicklung mit dem Renteneintritt der "Baby-Boomer" die Krankenkassen mit geringen Beitragszahlungen umgehen müssen. Wir stehen vor der Frage, wie für unsere gesamte Gesellschaft die Fortschritte in der Medizin angeboten und finanziert werden können.

Prof. Matthias Frosch ist Inhaber des Lehrstuhls für Hygiene und Mikrobiologie an der Uni Würzburg und Dekan der Medizinischen Fakultät.
Foto: Daniel Peter | Prof. Matthias Frosch ist Inhaber des Lehrstuhls für Hygiene und Mikrobiologie an der Uni Würzburg und Dekan der Medizinischen Fakultät.
Wo liegt die Lösung?

Frosch: Es gibt nicht die einzige Lösung. Aber eine ganz wichtige Rolle wird zukünftig die Digitalisierung, die digitale Vernetzung aller Institutionen des Gesundheitswesens spielen müssen. Der Fachkräftemangel, nicht nur bei Ärzten, insbesondere auch in der Pflege und Gesundheitsfachberufen, ist aufgrund der demografischen Entwicklung nicht 1:1 kompensierbar. Wir brauchen neue, auf digitaler Vernetzung beruhende Arbeitsprozesse, die das Personal insbesondere von der überbordenden Bürokratie entlastet. Künstliche Intelligenz wird und muss zukünftig, beispielsweise bei Diagnosestellungen, einen prominenten Platz einnehmen. Auch die Möglichkeiten der Telemedizin werden noch nicht ausreichend genutzt. Die erheblichen Defizite, die Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern im Bereich der digitalen Medizin hat, haben wir in der Pandemie nicht zuletzt bei der völligen Überlastung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes gesehen.

Sind die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte durch das Medizinstudium darauf vorbereitet?

Frosch: Wir erwarten noch in diesem Jahr die Verabschiedung einer neuen Approbationsordnung. Die alte Ordnung, die das Medizinstudium regelt und die Ausbildungsinhalte festschreibt, ist über 20 Jahre alt und in einer Zeit entstanden, als das Internet noch laufen lernte. Eine Reform ist daher dringend notwendig. Der Medizinische Fakultätentag hat bei der Reform mitgewirkt und dafür Sorge getragen, dass digitale Lehre und Digitalisierung als Ausbildungsinhalt eine wichtige Rolle spielen.  Dies ist eines von mehreren Themen, die in der neuen Approbationsordnung aufgegriffen werden müssen.

Sie haben den Öffentlichen Gesundheitsdienst genannt: Verändert Corona auch hier das Medizinstudium?

Frosch: Tatsächlich hat es der Pandemie bedurft, damit Kenntnisse über die Struktur und Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens als eigenes Ausbildungsziel in die Approbationsordnung aufgenommen wurden. Dieses Fach war bisher nicht in der Ausbildung an den Medizinischen Fakultäten verankert. Das bedeutet, dass wir für die Ausbildung an den Fakultäten Aufbauarbeit leisten müssen, und dass wir hierfür Lehrpersonal brauchen, das diesen wichtigen Teil unseres Gesundheitssystems qualifiziert vermitteln kann. Hier setze ich auf innovative Strukturen und neue Netzwerke, die die Medizinischen Fakultäten mit Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, wie den Gesundheitsämtern, verbindet.

 
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