Der Bedarf an Ärzten ist riesig, in den Kliniken und auf dem Land – doch weiterhin fehlt es an Medizinstudienplätzen. Nur gut jeder Fünfte von jährlich rund 50 000 Bewerbern kommt unter. Entsprechend hart ist das Ausleseverfahren. Vor eineinhalb Jahren verlangte das Bundesverfassungsgericht Änderungen. Die sind mittlerweile auf den Weg gebracht, auch an der Universität Würzburg. Greifen sollen die neuen Kriterien zum Sommersemester 2020. Eine wichtige Rolle wird auch künftig die Abiturnote spielen.
Wartezeit bringt künftig nichts mehr
Ein Dorn im Auge war den Verfassungsrichtern vor allem die Vergabe nach Wartezeit. Zuletzt galt: Wer 15 Semester im Verfahren ausharrte, konnte unabhängig von der Note doch noch einen Medizinstudienplatz bekommen. Ein Fünftel der Studienplätze wurde so vergeben. Im Dezember einigte sich die Kultusministerkonferenz auf einen neuen Staatsvertrag – und schuf die Wartezeitquote ab. Stattdessen sollen künftig 30 statt bisher 20 Prozent der Plätze zentral an die Abiturbesten zugeteilt werden. Die Abiturnote, hieß es von den Kultusministern, gebe "Aufschluss über allgemeine kognitive Fähigkeiten und persönlichkeitsbezogene Kompetenzen wie Motivation, Fleiß und Arbeitshaltung".
Neu hinzu kommt eine so genannte Eignungsquote oder "Talentquote", wie sie Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät der Uni Würzburg, auch nennt. Unabhängig vom Abitur können Bewerber mit besonderer Eignung oder praktischer Erfahrung zehn Prozent der Medizinplätze ergattern. Profitieren könnten hiervon Studierwillige mit schlechter Abinote, die eine Ausbildung im medizinischen Bereich absolviert haben, etwa als Notfallsanitäter.
Verbleiben 60 Prozent der Studienplätze, die wie bisher von den Hochschulen über eigene Auswahlverfahren vergeben werden. Nur: Die Verfassungsrichter verlangten hier ein einheitlicheres Vorgehen der Unis. Neben der – länderabhängig teils schwer vergleichbaren – Abiturnote sollen noch weitere Kriterien gelten. Eines wird laut Frosch nun ein verpflichtender Medizinertest für alle sein.
Persönliche Eignungen und Erfahrungen können einfließen
Freiwillig konnte man mit dieser Sonderprüfung in Würzburg schon bisher seine Abiturnote um 0,1 bis 0,6 Bonuspunkte aufbessern. Berücksichtigt werden soll an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) wie schon in der Vergangenheit auch praktische Erfahrungen über ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr – oder eine Auszeichnung im Wettbewerb "Jugend Forscht".
Noch sei man in der Feinabstimmung, sagt Dekan Frosch. Er weiß: "Die Zeit drängt." Sicher ist: Die Abiturnote wird auch bei der direkten Zuteilung durch die Uni weiter die entscheidende Rolle spielen. "Mit einem Schnitt von 2,5 hat man keine Chance", so Frosch. Zuletzt reichte selbst ein Schnitt von 1,2 nicht für den direkten Zugang zum Medizinstudium.
Zwar mache eine gute Abiturnote noch keinen guten Arzt. Dennoch hält der Dekan eine gute Abitnote angesichts des Lernpensums im Medizinstudium für vielversprechend. Die Abbrecherquote ist klein: 95 Prozent der Medizinstudierenden machten an der Uni ihren Abschluss, laut Frosch so viele wie in keinem anderen Fach.
Sonderstudienplätze über Landarztquote in Bayern
Zusätzlich zu diesen Kriterien sollen Studierwillige künftig auch über eine Landarztquote Zugang zum Medizinstudium erhalten. Bayern hat sie - wie Nordrhein-Westfalen - bereits beschlossen: Wer sich bereiterklärt, nach Beendigung seines Studiums für eine bestimmte Zeit als Mediziner auf dem Land zu arbeiten, kann vorbei an den sonstigen Kriterien einen Studienplatz bekommen.
70 Studierende hat der Freistaat ab dem Wintersemester 2020/21 dafür vorgesehen, eine spezielle Kommission soll sie auswählen. Sie werden auf die Hochschulen verteilt – dann auch auf die Universität Augsburg, wo gerade eine medizinische Fakultät mit zunächst 250 neuen Studienplätzen aufgebaut wird. In Würzburg studieren aktuell rund 2600 künftige Humanmediziner.
Würzburger Matthias Frosch an der Spitze der deutschen Medizinfakultäten
Seit wenigen Wochen ist Matthias Frosch - Mediziner, Mikrobiologe und Dekan – auch Präsident des Medizinischen Fakultätentages, des Dachverbandes aller medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten in Deutschland. Nach drei Jahren als Vize wurde er mit großer Mehrheit an die Spitze gewählt. Als Präsident begrüßt Frosch den Ausbau der Universitätsmedizin wie etwa in Augsburg: "Bayern geht hier in die Vollen."
Positiv sieht er auch den neuen Medizincampus Oberfranken: In enger Kooperation von Hochschulen und Kliniken können künftig Medizinistudierende der Uni Erlangen-Nürnberg ihre klinische Ausbildung in Bayreuth absolvieren.
Skepsis gegenüber Kooperationsmodellen mit dem Ausland
"Extrem kritisch" sieht er dagegen so genannte "medical schools", für die deutsche Kliniken mit ausländischen Hochschulen kooperieren. Sie böten häufig nicht das komplette Spektrum an medizinischer Lehre. So können sich Studierende seit drei Jahren an der kroatischen Universität in Split einschreiben, die klinische Ausbildung dann an den Regiomed-Kliniken in Oberfranken und Südthüringen absolvieren. Oder noch weitergehend: Ein Online-Fernstudium auf Malta in Zusammenarbeit mit Privatkliniken in Deutschland. Frosch: "Das hat mit einem wissenschaftsbasierten Universitätsstudium nichts zu und wir lehnen das daher komplett ab."