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Würzburg/Berlin
Würzburger Jurist: "Nach dem 25. November wird kein Lockdown mehr möglich sein"
Was bedeutet das neue Infektionsschutzgesetz? Dürfen Ungeimpfte ausgeschlossen werden? Verfassungsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz bewertet die Strategie der Ampel.
Der Staatsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz lehrt an der juristischen Fakultät der  Universität Würzburg.
Foto: Daniel Peter | Der Staatsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz lehrt an der juristischen Fakultät der  Universität Würzburg.
Folker Quack
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:57 Uhr

Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz wollen die Parteien der Ampelkoalition das Auslaufen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite  kompensieren. Künftig sollen die Parlamente auch in den Ländern mehr entscheiden als Ministerpräsidentenrunden. Die Rechtsexpertin der Grünen, Manuela Rottmann aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen), hält das Bündel an Maßnahmen, das im Bundestag an diesem Donnerstag beschlossen wurde, für sinnvoller als eine epidemische Lage auszurufen, aber dann nicht konsequent zu handeln. 

Keine Möglichkeit zum flächendeckenden Lockdown mehr 

Was bedeutet das neue Gesetz jetzt rechtlich? Wäre ein neuerlicher Lockdown jetzt überhaupt noch möglich? Und hätte die neue Strategie von SPD, Grünen und FDP, Ungeimpfte in ihren Rechten stärker zu beschneiden als Geimpfte, verfassungsrechtlich Bestand?

"Nein", sagt der Würzburger Juraprofessor Kyrill-Alexander Schwarz, ein Lockdown sei ab dem 25. November nicht mehr möglich. Dann läuft die epidemische Notlage aus - und damit die Grundlage für diese Maßnahme. Es gelte dann das gerade verabschiedete neue Infektionsschutzgesetz, das keinen flächendeckenden Lockdown vorsieht. Wenn der Bundestag also keine weitere Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite beschließt, wäre der Weg zu einem flächendeckenden Lockdown versperrt, so Schwarz.  

Jurist: Ungleichbehandlung von Ungeimpften "nicht per se verfassungswidrig"

Das neue Infektionsschutzgesetz sieht an vielen Stellen Einschränkungen nur für Ungeimpfte vor. Diese Ungleichbehandlung dürfte früher oder später vor den Gerichten landen. Verfassungsrechtler Schwarz sieht das gelassen: "Nicht jede Ungleichbehandlung ist per se verfassungswidrig." Sie sei es nur dann, wenn es keinen sachlichen Grund dafür gebe.

Derzeit sei vorherrschende Meinung unter Juristen, dass das Gefahrenpotenzial und vor allem das Selbstgefährdungspotenzial Ungeimpfterso groß sei, dass beispielsweise eine Ausgangsbeschränkung für Ungeimpfte verfassungsrechtlich Bestand hätte. Ungeimpfte hätten ein deutlich größeres Risiko, mit einem schweren Verlauf ins Krankenhaus zu kommen, so der Rechtswissenschaftler. Dadurch könne es zu einer Überlastung im intensivmedizinischen Bereich kommen. Dann müsse man die Frage stellen, was diese Überlastung für diejenigen bedeuten würde, die aus anderen Gründen eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, sagt Schwarz.

Impfpflicht wäre verfassungsrechtlich möglich

Auch die 3G-Pflicht im öffentlichen Nahverkehr schränke zwar das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit ein, dürfte verfassungsrechtlich aber Bestand haben, so die Einschätzung des Würzburger Verfassungsrechtlers. Kinder und alle, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, seien davon ja bereits ausgenommen. Für alle anderen sei die Impfung eine autonome Entscheidung. Und zwar nicht nur die Entscheidung, sich selbst zu gefährden, sondern auch andere Menschen, das Gesundheitssystem oder das Transportwesen. Bei Abwägung aller Argumente sei 3G in Bus und Straßenbahn eine verhältnismäßige Maßnahme, sagt Schwarz.    

Auch für eine generelle Impfpflicht sieht der Jurist aus verfassungsrechtlicher Sicht kaum Probleme. Schon im Fall der Impfung gegen Masern habe das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren die Impfpflicht gerechtfertigt. Das Hauptsacheverfahren stehe allerdings noch aus.

Angesichts aller Fakten sieht Schwarz keinen Grund, warum eine Impfpflicht unverhältnismäßig sein solle. Impfgegner würden sich auf eine autonome Entscheidung für ihren eigenen Körper berufen. Diese Autonomie ende dort, wo die eigene Freiheitsausübung die Rechte anderer beeinträchtigen würde. In Anbetracht der drohenden Gefahren, so Schwarz, dürfe der Gesetzgeber eine Impfpflicht beschließen.   

 
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  • K. F.
    sachsen und badenwürthemberg ruft ab dieser woche lockdown für ungeimpfte aus. denke dies wäre die einzig vernünftige argumentation, um die querdenker und impfverweigerer endlich dazu zu bringen, dass es so nicht weiter geht. es kann eine kleine gruppe von minderheit der nichtgeimpften über ein ganzes land regieren. allein diese querdenker müssten es am eigenen leib verspüren, wie es ist, wenn man ein ganzes volk tyranisieren will. ein großer teil von afdlern schürt ja gerade diese unbereitschaft gegen das impfen!
    da nützt es auch niemand wenn jeder jammert, ja jetzt dürfen wir wieder nicht alles so wie wir wollen .... bedankt euch bei den querdenkern und impfgegnern!
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  • H. S.
    Ich verstehe dieses ewige herumeiern nicht:
    Vor einem Jahr, Mitte Dezember, hatten wir täglich ca. 23.000 neu infizierte täglich.
    Frau Merkel hat 6 Monate zuvor (nur aufgrund ihrer mathematischen Kenntnisse) 19.200 prognostiziert, und alle Welt hat sich über solche apokalyptische Utopien aufgeregt!!
    O.K. Diese Zahlen wurden sogar deutlich übertroffen, wie wir heute wissen.
    Mit den heutigen Tag, sind wir bei über 65.000 Neuinfektionen seit Gestern!!! Und auch das mit Ansage, schon vor Monaten!
    Wir knacken gerade die 100.000er Marke an Todesfällen seit Beginn der Pandemie.
    Doch auch diese Wissenschaftler, denen man bisher nicht richtig zugehört hat, sagen auch, dass wir bis März diese Zahl verdoppeln werden... Davon gehe ich auch aus.
    Doch die Politik ergeht sich in Klein-Klein... Sie beschließt Regeln, die viele Betriebe eigenverantwortlich längst erlassen haben. In meine Firma kommt schon seit Wochen keiner mehr ohne 3G rein! Und die Firma bezahlt diese Tests nicht!
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  • M. R.
    Falsch!

    Man muss nur wieder das Gesetz ändern!
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  • F. D.
    Mit dem Auslaufen der epidemischen Lage ist der Infektionsschutz wieder Ländersache. Es gilt, was der Landtag beschließt. Das ist auch in anderen Staaten so.
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  • R. Ö.
    Und das ist das Hauptproblem!!!
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  • A. A.
    Dafür müsste man den Notstand ausrufen und dann per Notstandsgesetze registrieren. Wollen Sie das? Da wären die Freiheitsverteidiger sofort alle auf der Bühne, und zwar die echten und auch die Verschwörungsleute.
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  • R. B.
    @DJDoc......, ja, ich könnte mir dies in der momentanen Situation durchaus vorstellen. Letztlich haben wir bereits eine latente Triage, da manche Notfallpatien­ten in den Hochinzidenzgebieten nicht adäquat versorgt werden können. Schlaganfall- oder Herzinfarktpatienten werden stundenlang durch die Gegend gefahren, damit sie irgendwo einen Intensivplatz ergattern können. Es ist 5 nach Zwölf und in einigen Wochen wird bundesweit in vielen Kliniken der Ausnahmezustand herrschen. Sie glauben doch nicht im ernst, dass irgendeiner von den ganzen Wichtigtuern, egal von welcher Partei, die Verantwortung für die Toten übernehmen wird. Und was mich die ganzen Freiheitsverteidiger können, das will ich hier nicht schreiben, da dieser Kommentar sonst im Nirvana verschwindet.
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  • B. F.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • R. Ö.
    Den Notstand brauchen wir nicht ausrufen, denn wenn´s so zögerlich weiterläuft ruft er sich selbst auf!!!
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  • R. B.
    Selbst in der wohl größten Gesundheitskrise seit dem 2. Weltkrieg werden jene Menschen, die an CORONA sterben werden, auf dem Altar der Bürokratie geopfert. Deutschland ist nicht in der Lage, bundesweit schnelle und der Situation angepasste Entscheidungen zu treffen. Sowohl eine geschäftsführende Kanzlerin, als auch ein sich ins Amt schweigender Olaf Scholz sind nicht in der Lage das Heft in die Hand zu nehmen um kurzfristige Entscheidungen zu treffen. Dies sind die Nachteile einer Demokratie, wo schnelles Handeln und Entscheiden nicht funktionieren.
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  • H. S.
    Die beiden haben keinen A... in der Hose. Merkel hat immer nur aufgeschoben und ausgesessen. Scholz ist keinen deut besser.
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  • J. H.
    Ich gebe Ihnen vollkommen recht, möchte aber zu Ihrem letzten Satz anmerken, dass das eher eine Schwäche unseres Föderalismus ist, als ein Nachteil der Demokratie.
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  • R. B.
    Das Eine beinhaltet das Andere.😩
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  • K. W.
    Schade, dass wir nicht Helmut Schmidt reaktivieren können. Er würde machen was erforderlich ist und auch die Kompetenzfrage übergehen, wenn es dienlich ist.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Zu Zeiten von Helmut Schmidt gab es die sozialen Medien noch nicht in dieser Form, dass jeder unmittelbar seinen Senf dazugeben und die wildesten Theorieen aufstellen konnte, auf die sich heutzutage leider viele Menschen einlassen und sich letztlich mitreißen lassen. Damals wurden Anordnungen in einer Notsituation von der Bevölkerung eher hingenommen und ohne groß zu jammern auch umgesetzt, anstatt querzudenken und zu rebellieren. Deshalb hatten die damaligen Entscheidungsträger auch mehr Autorität und durch den Zusammenhalt ist Großes erreicht worden, nicht durch jammern und querschießen bei jeder Gelegenheit.
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  • K. W.
    In dieser Beziehung gebe ich Ihnen vollkommen recht. Was mir fehlt ist jemand, der angesichts der Situation mal Verantwortung übernimmt und dabei nicht nur auf die Auswirkungen bzgl. der eigenen Person achtet, sondern auch unabhängig von sozialen Medien entscheidet. Ich verstehe ohnehin nicht, wie man diese Kakophonie allzu ernst nehmen kann, nachdem das alle Vernünftigen wissen könnten, wenn Sie nur wollten.
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