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Würzburger Ermittlungen: Hätten die NSU-2.0-Drohschreiben verhindert werden können?
Der Mann, der mit rechtsextremen Drohmails und -faxen viele Frauen in Angst und Schrecken versetzt haben soll, steht ab 16. Februar vor Gericht. Welche Rolle ein Würzburger Fall dabei spielt.
'Die Würde des Menschen ist unantastbar', heißt es an der Fassade des Landgerichts in Frankfurt am Main. Am 16. Februar beginnt dort der Prozess gegen Alexander M., der auch in Verdacht steht, den Würzburger Anwalt Chan-jo Jun bedroht zu haben.
Foto: Boris Roessler, dpa | "Die Würde des Menschen ist unantastbar", heißt es an der Fassade des Landgerichts in Frankfurt am Main. Am 16. Februar beginnt dort der Prozess gegen Alexander M., der auch in Verdacht steht, den Würzburger Anwalt ...
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:56 Uhr

Nächste Woche beginnt in Frankfurt der Prozess gegen den mutmaßlichen Verfasser der rechtsextremen NSU-2.0-Drohbriefe, die fünf Dutzend Frauen monatelang in Atem hielten. Die Frage, ob die Würzburger Justiz die Serie an Beleidigungen und Bedrohungen hätte verhindern können, ist nicht Teil des Verfahrens. Sie ist aber weiter ungeklärt.

Todesdrohungen gegen Würzburger Anwalt Chan-jo Jun

Der 54-jährige Angeklagte, Alexander M. aus Berlin, wird nämlich auch verdächtigt, im Frühjahr 2017 den Würzburger Anwalt Chan-jo Jun und seine Familie am Telefon mit dem Tod bedroht zu haben. Jun hatte seinerzeit vor dem Landgericht Würzburg den syrischen Flüchtling Anas Modamani gegen den Internet-Riesen Facebook vertreten. Am ersten Prozesstag gingen in seiner Kanzlei drei Anrufe ein, in denen ein Unbekannter den Anwalt nicht nur rassistisch beleidigte, sondern ihm auch den Tod androhte, falls er das Mandat nicht umgehend niederlege.

Große Sorge bereitete Jun, dass der Mann in den Telefonaten erklärte, auch seine Privatadresse zu kennen. Schließlich seien noch, so Zeugen, Nazi-Parolen wie "Deutschland den Deutschen" und "Sieg Heil" zu hören gewesen.

Anwalt Chan-jo Jun und sein Mandant Anas Modamani (rechts) im Jahr 2017 am Rande des Prozesses gegen Facebook vor dem Landgericht Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier | Anwalt Chan-jo Jun und sein Mandant Anas Modamani (rechts) im Jahr 2017 am Rande des Prozesses gegen Facebook vor dem Landgericht Würzburg.

Als mutmaßlichen Anrufer identifizierte die Staatsanwaltschaft Würzburg in den folgenden Monaten den Berliner Alexander M.. Sie klagte ihn schließlich wegen Nötigung und Bedrohung an. Es kam aber zu keinem Prozess, weil das Amtsgericht Würzburg die Beweislage als zu dünn erachtete. Es sei nicht sicher zu belegen, dass die Drohanrufe vom Telefonanschluss des Verdächtigen stammen, hieß es. Eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft blieb erfolglos. Diese Entscheidung fiel im Juli 2018.

Wurde Alexander M. durch die Einstellung des Verfahrens in Würzburg ermutigt?

Nur wenige Tage nach der endgültigen Verfahrenseinstellung in Würzburg soll M. dann der  Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz das erste seiner zahllosen Drohschreiben an Personen des öffentlichen Lebens verschickt haben - versehen mit der Unterschrift "NSU 2.0", eine Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund".

Hat sich der Beschuldigte also möglicherweise durch die Erfahrungen mit der Würzburger Justiz erst ermutigt gefühlt, die beleidigenden Faxe und Mails vor allem an Frauen aus dem linken Spektrum - wie die Kabarettistin Idil Baydar und die heutige Bundesvorsitzende der Linkspartei Janine Wissler - zu versenden?

Man prüfe weiterhin eine Wiederaufnahme des 2018 eingestellten Verfahrens, teilt die Staatsanwaltschaft Würzburg auf Nachfrage dieser Redaktion mit. Über ein Gesuch von Anwalt Jun, die Akten einzusehen, müsse nach einer Stellungnahme von M.'s Verteidiger erst noch entschieden werden.

Prozess in Frankfurt: 67 Fälle angeklagt

In Frankfurt ist man derweil weiter. Am Mittwoch, 16. Februar, startet der Prozess gegen M.. Angeklagt sind laut Landgericht 67 Fälle der Beleidigung, versuchten Nötigung, Bedrohung, die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, das Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, der Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz.

Bis Ende April sind vorerst einmal 14 Prozesstage angesetzt.

 
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