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WÜRZBURG
Facebook gewinnt Prozess vor Landgericht Würzburg
Urteilsverkündung im sogenannten Facebookprozeß am Landgericht Würzburg. Der Anwalt Chan-Jo Jun und der Sprecher des Gerichts Tobias Knahn kommentieren das Urteil nach der Verkündung.
Foto: Thomas Obermeier | Urteilsverkündung im sogenannten Facebookprozeß am Landgericht Würzburg. Der Anwalt Chan-Jo Jun und der Sprecher des Gerichts Tobias Knahn kommentieren das Urteil nach der Verkündung.
Michael Czygan
 und  Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:52 Uhr

Facebook muss auf seinen Seiten weiterhin nicht aktiv nach Verleumdungen und Lügen über den Flüchtling Anas Modamani suchen und diese dann löschen. Das Landgericht Würzburg wies die Klage des 19-Jährigen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Internet-Unternehmen zurück. Modamanis Anwalt Chan-jo Jun sieht nun die Politik gefordert, Facebook und Co. per Gesetz zu mehr Engagement gegen Rechtsverstöße in den Netzwerken zu verpflichten. Das Unternehmen selbst sieht seinen Umgang mit Hassbotschaften bestätigt.

Zwar ist die Erste Zivilkammer des Landgerichts Würzburg überzeugt, dass Modamani auf Facebook verleumdet wird. Allerdings, so der Vorsitzende Richter Volkmar Seipel in der 15-minütigen mündlichen Begründung der Entscheidung, habe Facebook die falschen Anschuldigungen weder „behauptet“ noch „verbreitet“. Das Unternehmen habe sich diese Fake News auch nicht „zu eigen gemacht“. Die Diffamierungen seien „fremde Inhalte der Nutzer des Portals“.

Keine unbegrenzte Verbreitung von Persönlichkeitsverletzungen

Grundsätzlich sei es nicht ausgeschlossen, dass Facebook sich im Fall von schweren Persönlichkeitsverletzungen darum kümmern muss, dass sie nicht unbegrenzt weiter verbreitet werden. Hierbei sei dem Unternehmen auch ein erhöhter Suchaufwand zuzumuten. Allerdings habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine solche Suche nur dann durchgeführt werden muss, „wenn sie technisch ohne zu großen Aufwand realisierbar und damit zumutbar“ sei. Welcher Aufwand im vorliegenden Fall gerechtfertigt ist, müsse im Hauptsacheverfahren entschieden werden, wo dann eventuell auch Gutachter eingeschaltet würden, sagte Seipel. Die Klärung dieser Frage sprenge den Rahmen des Verfügungsverfahrens.

Man könne Facebook „nicht dazu verurteilen, zu verhindern“, dass Modamani künftig nicht mehr mit Verbrechen in Verbindung gebracht wird, sagt Seipel, „das gibt die Gesetzeslage nicht her“. Dafür müssten Rechtsgrundlagen, unter anderem auch auf EU-Ebene, geändert werden. Dafür seien nicht Gerichte zuständig, sondern der Gesetzgeber.

 

Ob Anas Modamani ein Hauptsacheverfahren anstrebt, ist unklar. Der 19-Jährige, der in Berlin lebt, konnte am Dienstag nicht nach Würzburg kommen. Er musste arbeiten – und war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Sein Anwalt Chan-jo Jun bedauerte die Entscheidung. Der Gang vors Gericht sei offenbar „kein tauglicher Weg“, um Verleumdungen in den sozialen Netzwerken zu begegnen. Das gültige Recht reiche dazu nicht aus.

Jun: Jetzt ist die Politik gefordert

Jun verlangt schon länger ein Gesetz, das Unternehmen wie Facebook verpflichtet, deutsches Recht einzuhalten und sich nicht hinter eigenen „Gemeinschaftsstandards“ zu verstecken. Eindeutig rechtswidrige Inhalte sollten nach einer Meldung innerhalb von 24 Stunden von den Plattform-Betreibern dauerhaft entfernt werden. Verstöße müssten mit hohen Bußgeldern sanktioniert werden.

Der Anwalt will derweil selbst nicht weiter für Modamani streiten. „Das waren sehr anstrengende Wochen“, sagt Jun im Gespräch mit der Redaktion. Zum einen hätten ihm „persönliche Angriffe und wahrheitswidrige Behauptungen“ seitens Facebook zugesetzt. Hinzu kämen Bedrohungen. Ein anonymer Anrufer hatte ihn aufgefordert, den Kampf gegen Facebook zu beenden. Tue er das nicht, werde er ihn und seine Familie umbringen.

Facebook begrüßt derweil die Entscheidung des Gerichts. Man freue sich, dass die Kammer die Ansicht teile, „dass die eingeleiteten rechtlichen Schritte hier nicht der effektivste Weg zur Lösung der Situation waren“, sagte ein Sprecher. Inhalte, die von Modamanis Rechtsvertretern „korrekt“ gemeldet würden, werde man weiter blockieren.

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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Auch wenn ich das verabscheue, was dem Mann passiert ist, hat er das doch nicht verdient:

    Jeder, der sich bei "Fratze Verblödungsbuch" & Co "zum Horst macht", indem er alle möglichen Dinge von sich preisgibt und auch noch Bilder von sich dort veröffentlicht, der muss sich im Klaren sein, dass diese Daten missbraucht werden können.

    Es ist ein Leichtes, Bilder von anderen Personen auf dem eigenen PC zu speichern und damit allen möglichen Schindluder zu betreiben.

    Von daher ist dieses Urteil als solches voll in Ordnung.

    Aber was mich mit am meisten ärgert:

    Viele von denjenigen, die sich bei "Fratze Verblödungsbuch" "zum Horst" machen, protestieren am lautesten, wenn es um Überwachung seitens des Staates geht, der Sicherheit wegen.

    Deshalb: am besten gar nichts preisgeben bei "Fratze" ...
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  • has
    Mit der Überschrift werden die Fakten verdreht. Die Formulierung ist ein Beispiel für das, was die Amerikaner "Lying for justice" nennen: 'Lügen für die gute Sache'.
    Die Überschrift "Facebook gewinnt Prozess vor Landgericht Würzburg" stellt die Fakten auf den Kopf. Denn Fakt ist, daß nicht der Beklagte, sondern der Kläger verloren hat. Die Überschrift hätte daher bessere etwa so gelautet:
    "Anwalt Chan-jo Jun verliert Prozeß gegen Facebook".
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  • nilpferd48
    Nun hat der tüchtige Jurist eben doch nichts erreicht, außer Werbung für seine Tätigkeit. Sein "Mandant" hätte wenigstens heute auch in Würzburg sein können.
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  • semistar
    Es ist sicher unangenehm, wenn falsches verbreitet wird, doch es klärt sich dann meist auch schnell auf, wie auch beim klagenden Studenten.
    Der Fall zeigt auch dass unsere Herrschenden, allen voran Justizminster Maas, andere Meinungen als die ihrigen nur schwer akzeptieren können, also zumindest wenn sie heftig sind. Und ohne entsprechende Heftigkeit werden sie leider allzu oft nicht gehört und schon gar nicht erhört.
    Die ganze offiziell zur Schau getragene Höflichkeit bei uns hat doch dazu beigetragen, dass man jahrelang nicht gemerkt hat, wie sehr es unter der Oberfläche eigentlich brodelt. Und erst der Ärger und Prozessse mit und um Internet-Plattformen und dieser Prozess haben gezeigt, dass es mit der Meinungsfreiheit bei uns auch nicht viel weiter her ist, als in manchen von uns so verteufelten Diktaturen
    Jeder Herrschende will die mundtot machen, die ihm nicht passen. So gesehen trägt das Urteil - sicher nicht im präzisen Fall - aber ganz allgemein zur Meinungsfreiheit bei.
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  • HelmutoNeulandus@aol.com
    Verleumdung hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun und ist nach wie vor Strafbar. Das Urteil hat sich lediglich mit der Verantwortung über die Verleumdung in diesem Fall beschäftigt. Der Fall sagt auch nichts über Maas aus sondern über jemanden, der berechtigt seinen Namen reinwaschen möchte.

    Würden Sie nicht versuchen die 'mundtod' zu machen, die offensichtlich und öffentlich Lügen über Sie verbreiten, der 'Heftigkeit' wegen?
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  • semistar
    ... dass der Kläger, in dem Fall der verunglimpfte Student, es nicht nötig hält selbst zu dem angeblich so wichtigen Prozess zu erscheinen, ein Prozess der angeblich "weltweit Aufsehen erregt".
    Es soll mir doch niemand erzählen, dass er für einen angeblich so wichtigen Fall nicht frei bekommen hätte. So wichtig kann die Arbeit, die er verrichtet nun wohl auch nicht sein.
    Somit liegt für mich der Verdacht nahe, dass der verunglimpfte Student eigentlich gar kein so rechtes Interesse an seinem guten Recht hatte, er vielmehr von einem Rechtsanwalt mißbraucht wurde, der Publicity für sich selbst machen wollte.
    Das war der eigentlichen Hintergrund hinter dem Zirkus, der veranstaltet wurde.
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  • mausschanze
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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