
Mit dem Stück "Bald ruh' ich wohl - Eichmanns letzte Nacht" leisten das Würzburger Theater Chambinzky und die Domschule einen eigenen Beitrag zu den bevorstehenden Gedenkveranstaltungen zu 80 Jahren Kriegsende. Und vielleicht auch zur Schlussphase des Bundestagswahlkampfs, in die eine Partei mit dem Schlachtruf "Alice für Deutschland" gezogen ist - in möglicherweise nicht unabsichtlicher Anlehnung an eine SA-Parole, für deren Verwendung ein gewisser Björn Höcke wiederholt zu Geldstrafen verurteilt wurde.
Am 24. und 25. Januar spielt Kai Christian Moritz im Chambinzky-Hafentheater den Monolog von Andreas Gruhn aus dem Jahr 1993. Adolf Eichmann, Jahrgang 1906, war im NS-Staat SS-Obersturmbannführer und Cheforganisator der Deportationen der Juden. Nach dem Krieg gelang ihm die Flucht nach Argentinien, wo ihn 1960 israelische Agenten entführten und nach Jerusalem brachten. Dort wurde er nach achtmonatigem Prozess zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet.
Sinnieren über Blumenpflege und ordentlich gebügelte Hemden
Adolf Eichmann galt dank seiner Verteidigungsstrategie vor Gericht lange als Prototyp des unscheinbaren, biederen Befehlsempfängers, der aus Pflichtgefühl unhinterfragt jeden Befehl ausführt, egal wie brutal er auch sei. Die Philosophin Hannah Arendt, die den Prozess verfolgte, prägte daraufhin den Begriff von der "Banalität des Bösen".
In "Bald ruh' ich wohl" sinniert Eichmann in der Nacht vor seiner Hinrichtung in seiner Zelle über Vergangenheit und Zukunft, über Blumenpflege und ordentlich gebügelte Hemden. In Rückblenden erzählt das Stück die Karriere Adolf Eichmanns nach. Der kommt immer wieder zum selben Schluss: "Ich habe nichts Unrechtes getan. Reue ist etwas für kleine Kinder. Ich bin mit Gott im Klaren."

Kai Christian Moritz hat viele Quellen zurate gezogen, um sich der Figur zu nähern. "Es gibt zwei Gefahren", sagt er: "Eichmann zu diabolisieren oder ihn zu entschuldigen." Denn das Bild des apolitischen Beamtentypen, der letztlich nicht selbst verantwortlich für seine Taten sei, halte nicht stand. "Damit kann man es sich natürlich leicht machen und Verantwortlichkeit delegieren", sagt Moritz.
Eichmann habe sich schon früh selbst als Nationalisten bezeichnet und freiwillig zur SS gemeldet. Während der Ausbildung dort sei er durch besondere Härte gegen sich selbst aufgefallen. "Er hat sich bedingungslos unterworfen, war bereit sich selbst zu entmenschlichen und hat genau deshalb Macht bekommen", sagt Moritz. Adolf Eichmann war also weit mehr als nur das "Rädchen im Getriebe" des Holocaust, als den ihn der Autor Heinar Kipphardt einst bezeichnete. Er war einer der Motoren.
Wenn gefährliche Begriffe wie "Remigration" salonfähig gemacht werden
Viele Mechanismen des Systems, in dem ein Eichmann erfolgreich sein kann, sieht Kai Christian Moritz auch in der Gegenwart: "Es hat viel mit Wording zu tun, also mit populistischen Aussagen und einfachen Antworten." So mache die AfD gezielt gefährliche Begriffe wie "Remigration" salonfähig. "Wenn sie das auch banalisieren, die Leute selbst sind überhaupt nicht banal. Das ist Extremismus im Schafspelz."
Mit Hierarchien, in denen das Individuum hinter seiner Funktion zurücktritt, mit dem Postulat straffer Führung, also der Erfüllung der Sehnsucht nach dem starken Mann, und mit pauschalen Feindbildern wie "die Migranten", würden - nicht nur von der AfD - einfache Lösungen in Aussicht gestellt. Wenn dann Anhänger noch durch Pöstchen und Mandate "gefühlte Wichtigkeit" erhielten, sei die Richtung klar: "Gib Leuten Macht, und sie werden zu jeder Brutalität bereit sein, um nicht selbst Probleme zu bekommen."
Chambinzky Hafentheater, Würzburg: "Bald ruh' ich wohl - Eichmanns letzte Nacht". 24. und 25. Januar, 20 Uhr. Karten: chambinzky.com