Die 1972 in Südkorea geborene Kirchenmusikerin Hae-Kyung Jung ist seit einem halben Jahr Kantorin von St. Johannis in Würzburg und damit auch musikalisch für die Würzburger Bachtage verantwortlich. Das Festival war bis vor wenigen Jahren ein bundesweit beachtetes Ereignis, geriet aber durch Corona und personelle Verwerfungen ein wenig ins Abseits.
Hae-Kyung Jung kam nach ihrem Orgelstudium in Südkorea nach Deutschland, wo sie zunächst in Detmold weiter Orgel bei Prof. Gerhard Weinberger studierte. Danach schloss sie ein Studium der Kirchenmusik an. Nach Stationen in Pforzheim und Mannheim war sie 14 Jahre Kantorin an der Christuskirche in Freiburg und Bezirkskantorin der Stadtkirche Freiburg.
Hae-Kyung Jung: Die Bachtage waren der wichtigste Grund für den Wechsel hierher. Ich war ja 14 Jahre in Freiburg tätig. Es ist dort alles sehr gut gelaufen, aber irgendwann stellt sich die Frage: Geht man noch woanders hin? Es war klar: Wenn ich wechsle, muss es jetzt passieren, bevor es zu spät wird. Und dann war diese Aufgabe, ein renommiertes Musikfestival zu veranstalten: die Würzburger Bachtage. Das hat mich sehr gereizt. Ich habe mich also beworben, wurde gewählt, und noch bevor ich den Arbeitsvertrag unterschrieben habe, gab's schon Telefonate für die Organisation der Bachtage 23.
Jung: Ich stelle dieses Jahr unter das Motto "Bach und sein musikalisches Erbe", weil ich als erstes Stück für den Bachchor das Oratorium "Elias" von Mendelssohn ausgesucht habe. Außerdem feiern wir in diesem Jahr Max Regers 150. Geburtstag. Mir war auch wichtig, die Menschen, die mich musikalisch geprägt haben, zu meinen ersten Bachtagen einzuladen, deshalb wird mein Orgellehrer Gerhard Weinberger Bach und Reger spielen. Außerdem wollte ich unbedingt die Barockgeigerin Petra Müllejans aus Freiburg dabeihaben, weil ich mit ihr so viele tolle Konzerte und Gottesdienste gefeiert habe und dabei selbst sehr viel über historische Aufführungspraxis gelernt habe. Sie spielt am 1. Dezember Sonaten von Bach und Bachs Söhnen.
Jung: Ja, das war nicht einfach, denn es gab nicht nur diese Vakanzzeit, sondern auch Corona. Gerade für vokale Musik ist das sehr schwierig gewesen, dadurch ist der Chor nicht beisammengeblieben. Die Menschen haben sich überall gefragt: Was ist jetzt für mein Leben wichtiger? Wir haben noch einen langen Weg vor uns, wieder die ursprüngliche Größe des Chores zu erreichen und auch Nachwuchs zu finden. Aber wir sind auf jeden Fall auf einem guten Weg!
Jung: Ich bin sehr offen auf die Menschen zugegangen. Ich habe viele Konzerte der anderen Chöre besucht. Die Chorsängerinnen und -sänger, die schon beim Bachchor dabei sind, habe ich durch Vorsingen alle einzeln kennengelernt. Da ging es nicht darum zu prüfen, wer bleibt oder geht, sondern ihre Geschichte und ihre Bedürfnisse zu erfahren. Ich denke, diese offene Art ist sehr gut angekommen.
Jung: Genau! Und wir haben ein bisschen freiere Hand für konzertante Gestaltung, die katholische Kirchenmusik ist liturgisch sehr gebunden.
Jung: Bach ist mein Herz! Wer die Musik wirklich kennt und sich damit beschäftigt, versteht, warum sein Werk so zeitlos ist. Ich habe Südkorea mit Klavier angefangen. Erst als Erwachsene, mit 18, habe ich angefangen, Orgel zu spielen. Da hat sich der große Wunsch entwickelt, nach Deutschland zu gehen, weil wir in Südkorea keine tollen Orgeln haben, meist nur elektronische. Diese historischen Instrumente, auf denen Bach noch selbst gespielt hat, sind ja in Deutschland vorhanden. Hier konnte ich an vielen historischen Orgeln in Sachsen und Thüringen lernen. Da wurde ein großer Traum wahr.
Jung: Die Orgel ist eine Dame aus den 60er-Jahren, damals hat man nach dem Krieg versucht, mit wenig Geld möglichst viel Effekt zu erzielen. Die Orgel hat viele kleine Pfeifen, deshalb klingt sie zwar festlich, manchmal schrill, aber es fehlt ein richtiges Fundament. Deshalb spielt Gerhard Weinberger sein Konzert in der Augustinerkirche. In den 16 Jahren, die ich noch arbeiten werde, will ich eine Chororgel neu anschaffen, die dann vorne in der Kirche platziert werden kann. Damit könnten wir viele Stücke spielen, die jetzt nicht gehen.
Jung: Es gibt unzählige Bachfestivals in Deutschland und Europa. Unseres hat immerhin eine 55-jährige Tradition. Ich möchte Bach greifbar machen, nicht nur für hochintellektuelle Leute, sondern auch zum Beispiel für Kinder. Ich möchte ein wandelbares Festival schaffen, das Musikerinnen und Musiker in der Region stark macht, andererseits hochkarätige Menschen aus ganz Europa holt.
Die 55. Würzburger Bachtage finden vom 23. November bis 3. Dezember statt. Auf dem Programm stehen das Oratorium "Elias" (25. November), Kammer- und Orgelkonzerte, Bachkantaten und ein Gastspiel der Wiener Sängerknaben (3. Dezember). Programm und Karten: bachtage-wuerzburg.de und Tel. (0931) 372398.