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WÜRZBURG
Würzburger Anwalt zeigt Facebook an
Chan-jo Jun wirft Facebook vor, nicht genügend gegen Volksverhetzung und Gewalt im Netz zu tun. Jetzt sollen Staatsanwälte den Druck auf Mark Zuckerberg und Co. erhöhen.
Würzburger Anwalt zeigt Facebook an       -  Würzburg, Rechtsanwalt Chan-Jo Jun (in seiner Kanzlei) geht gegen Hasskommentare bei Facebook vor
Foto: Thomas Obermeier | Würzburg, Rechtsanwalt Chan-Jo Jun (in seiner Kanzlei) geht gegen Hasskommentare bei Facebook vor
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:51 Uhr

Chan-jo Jun hat sich mächtige Gegner ausgesucht. Der Würzburger Anwalt für IT-Recht wirft dem Internet-Riesen Facebook unter anderem Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und die Unterstützung terroristischer Vereinigungen vor. Bei der Staatsanwaltschaft München I hat er Strafanzeige gegen elf führende Facebook-Manager erstattet, darunter auch Mark Zuckerberg. Juns Einsatz wirkt: Nächsten Montag ist er Gast bei Bundesjustizminister Heiko Maas in Berlin.

SPD-Politiker Maas und die zuständige EU-Kommissarin Vera Jourova haben zu einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Gemeinsam gegen Hass im Netz – Wo stehen wir?“ geladen. Ziel ist es, Bilanz zu ziehen, inwieweit vor allem Facebook seinen Versprechungen nachkommt, Hass gegen Minderheiten und Gewaltdarstellungen kein öffentliches Forum zu bieten.

Vorwurf: Intransparenz

Rechtsanwalt Jun (42) hat erhebliche Zweifel, dass es der US-Konzern mit seinen Beteuerungen ernst meint. Er glaubt, der Konzern führe die Behörden in Deutschland „an der Nase herum“. Fast 400 Facebook-Einträge, die gegen deutsches Recht verstießen, habe er seit einem Jahr gemeldet, nur ungefähr ein Drittel hätten die Verantwortlichen gelöscht. Auffällig sei, dass die Löschquote immer dann steige, wenn Facebook besonders in der öffentlichen Kritik steht oder führende Manager wie Zuckerberg sich mit deutschen Politikern treffen. Jun: „Da löschen sie teilweise über 60 Prozent der gemeldeten Posts.“ Dann aber sinke die Quote wieder auf unter 20 Prozent.

Eine eigene Facebook-Statistik ist nicht bekannt. Die Lösch-Kriterien seien „völlig intransparent“, so Jun. Erkennbar sei, dass sich der Konzern dank des politischen Drucks aus Berlin „ein wenig“ bewegt habe. Gewaltaufrufe gegen Gruppen wie Flüchtlinge oder religiöse Minderheiten („Lass uns die Juden vergasen“) würden heute konsequenter als früher entfernt. Hetze gegen mutmaßliche ausländische Straftäter („Aufschlitzen die Drecksau“) oder Politiker wie Angela Merkel und Joachim Gauck („am nächsten Baum damit“) aber nicht.

Holocaust-Leugnung wie „Adolf Hitler hat keine Juden vergasen lassen...“ findet sich x-fach bei Facebook. Auch das Bild von einem IS-Kämpfer, der abgeschlagene Köpfe präsentiert, und dazu die flüchtlingsfeindliche Unterschrift „Das könnte dein nächster Nachbar werden“ lässt Facebook trotz Hinweisen aus Juns Kanzlei weiter online.

Jun: Enthemmung nimmt zu

Der Anwalt will das nicht akzeptieren. Nicht nur die Autoren seien für ihre Beiträge verantwortlich, sondern auch die Plattform, die sie verbreitet. Den Aufwand, dagegen vorzugehen, müsse das milliardenschwere Unternehmen leisten. Jun: „Wer es schafft, jede Brustwarze auf den Seiten zu entdecken und zu beseitigen, der findet auch abgeschlagene Köpfe.“

Die Argumentation, dass sich soziale Netzwerke durch Rede und Gegenrede der User selbst regulieren, lässt er nicht gelten. Der Jurist pocht zum einen auf das Recht („Die Gesetze gelten für alle, auch für Facebook“) und argumentiert zum anderen gesellschaftspolitisch. Jun: „Es macht mir Sorge, wenn verbale Gewalt von immer mehr Menschen als normal empfunden wird und die Enthemmung auch im echten Leben zunimmt.

“ Meinungsfreiheit ende dort, wo sie die Rechte Dritter verletze. Facebook selbst war am Dienstag für eine Stellungnahme zur aktuellen Anzeige nicht zu erreichen.

Hoffnung auf bayerische Justiz

Ob der Würzburger Anwalt mit seiner Anzeige Erfolg hat, muss sich nun zeigen. Ein erster Versuch scheiterte, weil die Staatsanwaltschaft in Hamburg Ermittlungen mit dem Hinweis verweigerte, Facebook habe seinen Sitz nicht hierzulande, sondern in den USA und in Irland. Das bayerische Justizministerium teilte diese Einschätzung der Kollegen im Norden auf Juns Anfrage hin nicht. So sah der Anwalt sich ermutigt, jetzt in München Anzeige zu erstatten. Die Staatsanwälte dort hätten keine Angst vor großen Namen wie der Schmiergeld-Prozess gegen Siemens bewiesen habe.

 
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