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Würzburg
Würzburg: Neue Stolpersteine erinnern an jüdisches Sozialzentrum
Am Freitag werden in Würzburg Stolpersteine verlegt – an dem Ort, wo bis 1942 Hunderte von jüdischen Frauen und Männern versorgt wurden. Wie Altersheime und Krankenhaus enstanden.
Der Aufenthaltsraum im Pfründnerhaus.
Foto: Sammlung Roland Flade | Der Aufenthaltsraum im Pfründnerhaus.
Roland Flade
 |  aktualisiert: 27.04.2023 11:00 Uhr

Bevor das Dritte Reich Mord und Zerstörung brachte, verfügten die Würzburger Juden über eine Vielzahl von Gebäuden, die über die ganze Stadt verteilt waren: Synagoge, Gemeindehaus und Volksschule in der Domerschulstraße, eine zweite Synagoge in Heidingsfeld, die Israelitische Lehrerbildungsanstalt in Bibra- und Sandbergerstraße sowie den Friedhof in der Werner-von-Siemens-Straße mit dem Haus, in dem der Friedhofsverwalter wohnte. Doch nirgendwo war die Dichte an Einrichtungen größer als in Dürer- und Konradstraße: Dort standen drei Altersheime sowie das Krankenhaus und bildeten ein regelrechtes jüdisches Sozialzentrum.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert entstand dieses Foto des jüdischen Krankenhauses (links) und des Pfründnerhauses (rechts) in der Dürerstraße. Im Vordergrund verläuft in einer Senke die Eisenbahnstrecke Würzburg-Ansbach.
Foto: Stadtarchiv | Um die Wende zum 20. Jahrhundert entstand dieses Foto des jüdischen Krankenhauses (links) und des Pfründnerhauses (rechts) in der Dürerstraße. Im Vordergrund verläuft in einer Senke die Eisenbahnstrecke Würzburg-Ansbach.

1892 wurde das erste jüdische Altersheim eingeweiht

Im Jahr 1880 lebten 2271 Juden und Jüdinnen in Würzburg, die 4,5 Prozent der Bevölkerung stellten. 1885, drei Jahre nach Eröffnung des Friedhofs, erwarb eine mit der Israelitischen Kultusgemeinde eng verbundene Stiftung ein Haus in der Dürerstraße 20 (heutige Adresse: Dürerstraße 14) und richtete darin ein Krankenhaus ein. 1892 wurde das rechtwinklig angebaute erste jüdische Altersheim Würzburgs, in der Sprache der Zeit "Pfründnerhaus" genannt, eingeweiht.

Die Ritaschwester Elisabeth Wenzel arbeitete von 1921 bis 1942 und von 1945 bis 1960 im jüdischen Krankenhaus  bzw. in den Altersheimen.
Foto: Ritaschwestern | Die Ritaschwester Elisabeth Wenzel arbeitete von 1921 bis 1942 und von 1945 bis 1960 im jüdischen Krankenhaus bzw. in den Altersheimen.

Seit 1904 wirkte der Allgemeinarzt Robert Sprinz, der seine Praxis in der Pleicherschulgasse hatte, im Krankenhaus als ehrenamtlicher ärztlicher Leiter. Seit 1912 arbeiteten katholische Ritaschwestern in Hospital und Altersheim. Eine von ihnen, Schwester Elisabeth Wenzel, tat dies besonders lange: von 1921 bis 1942, als sie auf Druck der Gestapo entlassen werden musste, und von 1945 bis kurz vor ihrem Tod 1960.  

Krankenhaus diente als Lazarett

Im Jahr 1913 fand eine Erweiterung des Krankenhauses statt: Der neuerrichtete Isolierbau nahm infektiöse Patienten auf. Im Ersten Weltkrieg, in dem der einzige Sohn von Robert Sprinz als deutscher Soldat fiel, diente das Krankenhaus als Lazarett.

Der 1913 errichtete Isolierbau des Krankenhauses (rechts) und das 1930 eingeweihte Landesheim. 
Foto: Sammlung Roland Flade | Der 1913 errichtete Isolierbau des Krankenhauses (rechts) und das 1930 eingeweihte Landesheim. 

Im Mai 1926 übernahm der Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden (VBIG) den Isolierbau als "Landesheim", in dem pflegebedürftige Jüdinnen und Juden aus ganz Bayern untergebracht wurden. Patienten mit ansteckenden Krankheiten nahm inzwischen die Isolierabteilung des Luitpoldkrankenhauses auf.

1930 entstand ein großer Erweiterungsbau zwischen Krankenhaus und Valentin-Becker-Straße. Lediglich dieses sogenannte "Landesheim" des VBIG überstand die Bombennacht des 16. März 1945 und wurde zum Mittelpunkt der Nachkriegsgemeinde, während Krankenhaus und Pfründnerhaus sowie das 1933 im nahegelegenen Gebäude Konradstraße 3 geschaffene dritte Altersheim nur noch Ruinen waren.

Der Operationssaal im Krankenhaus.
Foto: Stadtarchiv | Der Operationssaal im Krankenhaus.

Alle Einrichtungen dienten ab 1940 als "Judenhäuser"

Alle Einrichtungen hatten ab 1940 als "Judenhäuser" gedient, in denen jüdische Familien und Einzelpersonen, die aus ihren Wohnungen in ganz Unterfranken vertrieben wurden, bis zur Deportation ausharren mussten. Unter den Verschleppten und in Theresienstadt Ermordeten war der 81-jährige Robert Sprinz, der die letzten Lebensjahre im Haus Konradstraße 3 verbracht hatte.

Der Arzt Robert Sprinz, der lange  ehrenamtlich im jüdischen Krankenhaus wirkte und ein beliebter Würzburger Hausarzt war, wurde 1943 in Theresienstadt ermordet.
Foto: Staatsarchiv | Der Arzt Robert Sprinz, der lange  ehrenamtlich im jüdischen Krankenhaus wirkte und ein beliebter Würzburger Hausarzt war, wurde 1943 in Theresienstadt ermordet.

Für Robert Sprinz sowie den letzten Verwalter der Einrichtungen Heinrich Klein und die langjährige Bewohnerin des Pfründnerhauses Malchen Billigheimer haben die Ritaschwestern bereit 2011 anlässlich ihres 100-jährigigen Gründungsjubiläums Stolpersteine gestiftet. Diese sowie weitere in der Dürerstraße bereits verlegte Steine werden an diesem Freitag mit zahlreichen neuen Stolpersteinen im Bereich Dürer-/Konradstraße zu einem Mosaik zusammengefügt, zu dessen Pflege sich die Ritaschwestern verpflichtet haben.

Die Stolperstein-Verlegung findet wegen der Corona-Pandemie ohne Öffentlichkeit statt. TV Mainfranken sendet einen Bericht über die Verlegung am Samstag um 11, 14 und 19 Uhr sowie am Sonntag um 14 Uhr.

Das 1933 erworbene dritte Altersheim in der Konradstraße 3.
Foto: Stadtarchiv | Das 1933 erworbene dritte Altersheim in der Konradstraße 3.
 
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