
Es ist das Jahr 1931. Eine Frau mit Wasserwelle und Fliegerkappe steht angelehnt an einer Propellermaschine und raucht genüsslich den letzten Rest einer Zigarette. Plötzlich werden ihre Augen groß. "Ist sie das wirklich?", steht in ihrem Blick geschrieben. Eine zweite Frau kommt angerannt und beide fallen sich in die Arme. Schnitt.
"Das haben wir im Kasten, weiter geht's mit der nächsten Szene", sagt Regisseur Erhard Drexler in einem Hangar am Flugplatz Schenkenturm. Gemeinsam mit den beiden Schauspielerinnen Britta Schramm und Anne Hansen sowie Kamerafrau Karin Amrhein dreht er Sequenzen für eine literarische Lesung und springt aus dem Jahr 2020 zurück in die 30er Jahre. Fünf Sprecherinnen und Sprecher werden den verschiedenen Charakteren von Max Mohrs Roman "Frau ohne Reue" ihre Stimme leihen und die Geschehnisse rund um Protagonistin Lina Gade auf der Bühne des Theaters am Neunerplatz lebendig werden lassen. Ein Gesangsquartett samt "Palastorchester" begleitet die Geschehnisse mit Schlagermusik der damaligen Zeit und lässt den Zeitgeist der Weimarer Republik spürbar werden. Da dürfen ein paar Stummfilmszenen nicht fehlen, um den Berliner Flair dieser goldenen Epoche zu vervollständigen.
Würzburg liest ein Buch mit Max Mohr
Alle zwei Jahre veranstaltet der Verein "Würzburg liest e.V." , in dem zahlreiche Büchermenschen aus Würzburg und Umgebung zusammengefunden haben, eine Woche rund um einen Roman. In diesem Jahr steht vom 23. April bis 3. Mai Max Mohrs "Frau ohne Reue" im Mittelpunkt der Leseaktion.
Die Szene, die an diesem Tag am Flugplatz Schenkenturm gedreht wird, spielt im letzten Drittel des Buches. Die Fliegerin Anna Billerton, gespielt von Britta Schramm, trifft auf Lina Gade (Anne Hansen). Gemeinsam fliegen sie in die Alpen.
Ausbruch aus dem klassischen Rollenbild der 30er Jahre
Die Maschine - eine Piper PA-18 - ist knallgelb, das wird man später jedoch nicht mehr erkennen können: den 30er Jahren angepasst, wird aus den Szenen ein schwarz-weißer Stummfilm. "Im Grunde ist das eine ganz interessante Geschichte", erzählt Drexler. Der 52-Jährige ist Berufsschullehrer und widmet sich in seiner Freizeit Projekten wie der szenischen Lesung. "Max Mohr schreibt über ein umfangreiches Zeitbild der 30er Jahre und wie die Frauen in der Zeit ihr Leben gestaltet haben." Der Kern der Geschichte sei, dass sich Protagonistin Lina Gade von den Zwängen befreit, sich frei macht und versucht, ihr Leben zu leben.

Der Regisseur betont den spannenden Umgang mit Literatur bei der Lesung. Es werde nicht einfach nur vorgelesen, die Zuhörer und Zuschauer werden auf eine Reise mitgenommen. "Das Besondere ist außerdem, dass man bei der Lesung die Gänze des Buches erfährt", sagt er. So sei es eine gute Gelegenheit, sich etwa eine Woche vor Beginn der diesjährigen "Würzburg liest ein Buch"-Woche einen Eindruck von der Geschichte zu verschaffen.