Allein in der kommenden Woche stehen im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Würzburg 18 Personen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz vor Gericht. Ein Teil solcher Verfahren könnte bald der Vergangenheit angehören: Bald sollen nämlich in Deutschland Erwachsene Cannabis kaufen, besitzen und konsumieren dürfen. Darauf hat sich zumindest das Bundeskabinett verständigt.
Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) seien dann, so sagte es Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kürzlich, "nicht mehr Teil des Betäubungsmittelgesetzes". Würde die Umsetzung dieses Plans also zu einer nennenswerten Entlastung von Justiz und Ermittlungsbehörden führen?
Konkret will die Ampel-Regierung, dass Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm "Genusscannabis" straffrei, privater Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt und ein Verkauf an Erwachsene in "lizenzierten Fachgeschäften" und möglicherweise auch in Apotheken ermöglicht werden soll. "Wenn man die Jugend an Drogen heranführen will, dann so", kritisiert der Personalratsvorsitzende der Polizei in Unterfranken, Thorsten Grimm, das Ansinnen. "Cannabis ist und bleibt eine Einstiegsdroge."
Innenministerium warnt vor Angst, Panik und wirren Gedanken
Vielleicht würde eine Legalisierung zu weniger Anzeigen führen, er erwarte aber auch für die Polizei einen "Mehraufwand durch notwendige Präventionsarbeit" und häufiger "brenzlige Einsatzsituationen" mit Personen, die unter THC-Einfluss stehen.
Das sieht auch das Bayerische Innenministerium so. THC könne Euphorie oder Gelassenheit auslösen, aber auch Angst, Panik oder "wirre Gedanken", so eine Sprecherin. Vor allem ein "Mischkonsum von Cannabis mit anderen Substanzen wie beispielsweise Alkohol oder Medikamenten kann besonders gefährlich werden". Und das berge "natürlich Risiken" für die Polizei, heißt es aus München.
Ein Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt?
Für Grimm wirft das Papier aus Berlin "mehr Fragen auf, als es Antworten gibt". So fragt sich der Bezirkschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), wie der erlaubte Wirkstoffgehalt von bis zu 15 Prozent THC oder die Bezugsquelle bei Kontrollen überprüft werden sollen. Außerdem seien die Folgen für den Straßenverkehr "völlig ausgespart". Obwohl Cannabis am Steuer weiter verboten bleibe, befürchtet Grimm, "dass es zu mehr Drogenfahrten und Unfällen, möglicherweise mit Verletzten und Toten, kommt".
Dass der Schwarzmarkt ausgetrocknet wird, hält man bei der Polizei für illusorisch. Grimm spricht von einem "Ammenmärchen", die Sprecherin des zuständigen Innenministeriums gar von einem "Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt". Denn die Preise für legales Cannabis würden vermutlich höher sein, wenn der Staat, Apotheken oder die Pharmaindustrie mitverdienen sollen.
Die meiste Arbeit machen Strafbefehle, gegen die Einspruch eingelegt wird
Eine Entlastung der Polizei sieht man im zuständigen Innenministerium in München also nicht. Inwieweit eine Cannabis-Legalisierung "neue Aufgaben für die Polizei nach sich zieht, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilen", so die Sprecherin. Erst müsse ein konkreter Gesetzentwurf vorliegen.
Ähnlich klingt es aufseiten der Justiz. "Zur Be- bzw. Entlastung der Justiz lässt sich fundiert sicher nichts sagen, solange kein konkreter Gesetzesentwurf vorliegt", sagt Michael Schaller, der Sprecher des Landgerichts Würzburg. Dem pflichtet Thomas Fenner, Sprecher am Landgericht Schweinfurt bei. Allerdings seien gerade die umfangreichen Betäubungsmittelverfahren vor dem Landgericht von den diskutierten Gesetzesänderungen wohl nicht betroffen. Die meiste Arbeit machten die Verhandlungen, also Strafbefehle, gegen die seitens der Beschuldigten Einspruch eingelegt wurde.
Mehr als zehn Prozent aller Ermittlungsverfahren drehen sich um Betäubungsmittel
Überhaupt lässt sich "der Anteil von Betäubungsmittelverfahren im juristischen Alltag" laut Fenner nur "sehr schwer abschätzen". Bei den vielen Verfahren, in denen es um Betäubungsmittel geht, gehe es nämlich nicht nur um Cannabis, sondern auch um andere Betäubungsmittel.
Eine Annäherung liefert die Staatsanwaltschaft Würzburg: Die Behörde führte im Jahr 2021 etwa 20.000 Ermittlungsverfahren, erklärt Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach. Rund 2300 davon waren sogenannte Betäubungsmittelverfahren. Doch ob eine Legalisierung die Zahl und damit die Arbeit verringern könnte, kann der Behördensprecher nicht sagen. "Hier wäre eine Antwort höchst spekulativ, da wir den Gesetzeswortlaut einer etwaigen neuen Regelung nicht kennen", sagt auch er.
Auch von der Staatsanwaltschaft Schweinfurt gibt es keine eindeutige Antwort: "Den Entlastungseffekt für die Justiz bei einer begrenzten Legalisierung des Besitzes von Cannabis kann ich nicht seriös einschätzen", sagt Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht. Er gehe allerdings von einem geringen Effekt aus, "weil mit diesen Verfahren, die ja meist auf einen Betäubungsmittelfund zurückgehen, nur ein geringer Ermittlungsaufwand verbunden ist". Entsprechende Taten werden in der Regel über einen Strafbefehl zu den Akten gelegt, wenn sie nicht schon nach geltender Rechtslage eingestellt werden.
Wann überhaupt ermittelt wird
Wann es überhaupt erst zu einer Strafverfolgung komme, hänge davon ab, ob neben einer geringen Schuld des (erwachsenen) Täters auch ein fehlendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vorhanden ist. "Auch bei geringen Mengen kann ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehen", betont Weihprecht. Dies gelte zum Beispiel für Orte, an denen Jugendliche verkehren, auch Diskotheken. "Öffentliches Interesse an der Strafverfolgung – und dies ist ein ziemlich häufiger Fall - besteht auch dann, wenn nach den Umständen der Tat nachteilige Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs zu befürchten sind", sagt der Oberstaatsanwalt. "Es gibt daher keine verlässliche Obergrenze, bis zu der der Ersttäter mit einer Verfahrenseinstellung rechnen kann."
Einen ganz anderen Weg schlägt Polizist Thorsten Grimm vor. Während der Handel mit Cannabis eine Straftat bleiben solle, könnte der Konsum zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden. Dann wäre nicht die Justiz zuständig und Auflagen wie Fahrverbote oder Präventionskurse wären einfacher umzusetzen.
Reisen bildet!
Sie können sogar als einwohnende Person Bayerns in den Niederlanden Urlaub machen, oder in Portugal, oder Tschechien.
Und dann werden Sie bemerken, daß woanders auch Menschen leben, und, ach Wunder: sogar die Niederländer fahren nicht ständig total bekifft ihre Landsleute übern Haufen! Nee, die fahren sogar umsichtiger als manche Bayern in ihren BMW's.
Da merkt man schnell, als urlaubende Person, daß die angebliche
LIBERALITAS BAVARIAE
nix anderes ist als ein Euphemismus für:
Totalitärer Rechtsstaat!
Offensichtlich scheinen unterschiedliche Regelungen bisher kein Problem zu sein, warum also in der Zukunft?
Dort herrscht eine wirre Kombination von Duldung und Grauzone.
Wir brauchen Rechtssicherheit für Produktion, Handel und Konsum.
Neben den Niederlanden geht auch Portugal mit diesem Problem ganz anders um und hat sehr positive Erfahrungen mit einer Lockerung im Strafrecht bezüglich Cannabis.
Auch Portugal gehört zur EU.
muss man das auch konsequent durchsetzen, sonst macht man sich nur lächerlich.
Was bei uns die "Drogenpolitik" angeht, stelle ich mir schon die Frage, ob vielleicht die dafür Verantwortlichen am Schwarzmarkt mitverdienen. Würde man hingegen Drogen entkriminalisieren, würde mMn der Schwarzmarkt und damit die Triebfeder des Absatzes wegbrechen, ebenso wie die mit der Geldbeschaffung verbundene Kriminalität.
Der Vergleich mit der Legalisierung anderer Straftatbestände hinkt gewaltig, denn wer Drogen nimmt, schadet "nur" sich selbst und definitiv niemand anders gegen dessen Willen. Und selbst wenn es gelingen würde, den Absatz von harten Drogen auf 0 zu bringen, würden sich die Leute z. B. mit Alkohol oder Lösemitteln "die Kante geben" - wer sich kaputtmachen will, schafft das auch.
Hm, warum das jemand wollen sollte? OK, daran etwas zu ändern könnte "die Wirtschaft" zu teuer zu stehen kommen, da bleiben wir doch besser beim praktischen Verbot... oder?