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WÜRZBURG
Wieviel Kreuz verträgt die Justiz?
Über Kreuze in Gerichtssälen diskutierten beim  Würzburger Kellergespräch (von links) der frühere Bischof Friedhelm Hofmann, Zentralratspräsident Josef Schuster und der Staatsrechtler Horst Dreier, Rechts Moderator Andreas Jungbauer.
Foto: Angie Wolf | Über Kreuze in Gerichtssälen diskutierten beim Würzburger Kellergespräch (von links) der frühere Bischof Friedhelm Hofmann, Zentralratspräsident Josef Schuster und der Staatsrechtler Horst Dreier, Rechts Moderator ...
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:51 Uhr

Gefühlt schon immer hängen in Gerichtssälen Kreuze. Warum eigentlich – sind doch Staat und Kirche hierzulande offiziell getrennt? Eine Frage, die durch den Kreuzerlass der bayerischen Staatsregierung an Brisanz gewonnen hat. Einfache Antworten gibt es nicht. Oder doch? Darüber diskutierten beim zweiten Würzburger Kellergespräch, veranstaltet von dieser Redaktion und den Juristen-Alumni der Universität, Experten aus Justiz und Religionen. 120 Zuhörer kamen, viele beteiligten sich an der Diskussion.

Für den Würzburger Staatsrechtler Professor Horst Dreier ist die Sache eindeutig: Religiöse Symbole haben seiner Ansicht nach in Gerichtssälen nichts verloren. Das Grundgesetz verlange vom Staat „weltanschauliche Neutralität“. Diese aber sei nicht gegeben, wenn Behörden wie Gerichte durch das Aufhängen von Kreuzen dokumentierten, sie identifizierten sich mit einer Religion mehr als mit einer anderen. In seinem Buch „Staat ohne Gott“ fordert Dreier, der sich als evangelischen Christen bezeichnet, religiöse Symbole aus Gerichten zu verbannen. Den Kreuzerlass von Markus Söder hält der Jurist für „verfassungsrechtlich auf Sand gebaut“. Daran ändere auch nichts, wenn der Ministerpräsident das christliche Symbol zum „Zeichen der Identität Bayerns“ erkläre.

Altbischof: Kreuz kann Hilfe sein

Albischof Friedhelm Hofmann sieht das erwartungsgemäß anders. Das frühere Oberhaupt der Katholiken im Bistum Würzburg, stellt nicht in Zweifel, dass Richter und Schöffen im Namen des Volkes urteilen und sich dabei – ohne Rücksicht auf die Religionszugehörigkeit der Prozessbeteiligen – allein auf Recht und Gesetz berufen müssen. Für Hofmann steht das Kreuz im Gerichtssaal als „Symbol einer Werteordnung“, die auf christlich-jüdischen Wurzeln basiert. An die Geschichte und das Leiden Jesu Christi erinnert zu werden, könne für einen Angeklagten vor Gericht „sogar eine Hilfe sein“.

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, argumentiert differenziert. Die Notwendigkeit, ein christliches Symbol aufzuhängen, um an die Werteordnung zu erinnern, könne er nicht erkennen. Ein kleines Kreuz im Eingangsbereich eines Gerichtsgebäudes störe ihn gleichwohl nicht. Ein „sehr großes Kreuz“ direkt hinter dem Richter stehe dem Neutralitätsgebot, wie es die Verfassung vorsehe, aber entgegen. Auch mit dem bayerischen Kreuzerlass habe er „erhebliche Probleme“, bekennt Schuster. Schließlich seien im Namen einer vermeintlich christlichen Werteordnung in der Geschichte immer wieder schlimme Verbrechen gegen die Juden begangen wurden. Hofmann will den Einwand nicht gelten lassen. Für den Missbrauch des Kreuzes durch Menschen dürfe man „nicht das Kreuz verantwortlich machen“.

Neutralität im Amt kontra individuelle Religionsfreiheit

Das Kreuz im Gerichtssaal ist das eine, aber darf ein Richter oder Staatsanwalt religiöse Symbole am Körper tragen? Schuster bedauert, dass Richter und Staatsanwälte hierzulande weder Kopftuch noch Kippa – das ist die jüdische Kopfbedeckung für Männer – tragen dürfen. Dies widerspreche doch dem Grundrecht auf freie individuelle Religionsausübung. Der Europäische Gerichtshof sieht dies anders und bestätigte den Freistaat Bayern, der muslimischen Rechtsreferendarinnen das Tragen von Kopftüchern verbietet. Für Dreier ist klar: Die Religionsneutralität müsse im Gerichtssaal ebenso gelten wie am Körper von Amtspersonen. „Zurecht“ sei schon in den 1980er Jahren Lehrern, die der Bhagwan-Bewegung nahestanden, verboten worden, in den für die Sekte typischen orangefarbenen Kleidern zu unterrichten. Frankreich, so Dreier, lebe die Trennung von Staat und Religion gar so konsequent, dass nicht nur Professoren und Lehrer kein Kopftuch oder andere religiöse Symbole tragen dürfen, sondern auch Studierende und Schüler.

Flagge statt Kreuz?

In der Diskussion mit den Moderatoren Professor Eric Hilgendorf (Alumni) und Redakteur Andreas Jungbauer schlagen einige Zuhörer vor, statt religiöser lieber staatliche Symbole in die Gerichtssäle zu hängen, die Nationalflagge, ein Foto des Bundespräsidenten oder Grundgesetz-Artikel eins: „Die Würde des Manschen ist unantastbar.“ Der Glaube sei ihr wichtig, sagt die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Heidi Wright (Karlstadt), aber er sei ihre Privatsache. Deshalb sei sie gegen Kreuze in Behörden und Parlamenten.

Andere wiederum fürchten mit dem Verschwinden von Kreuzen aus dem öffentlichen Raum einen Verfall der Werteordnung. „Sogar Gipfelkreuze wollen manche Menschen jetzt von den Bergen entfernen lassen“, empört sich ein Zuhörer, worauf er Unterstützung vom Juden Schuster erhält: „Starten Sie eine Petition dagegen, ich unterschreibe sofort.“

 
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  • F. S.
    Lieber kein Kreuz in der Justiz.
    Wer fragt „Wieviel Kreuz verträgt die Justiz?“ gibt eine Richtung vor, die nicht einmal mehr alle gläubigen Christen vertreten, als vertrüge die Justiz halt schon ein bisserl Kreuz. Auch wenn der Würzburger Altbischof das Kreuz als Zeichen der Demut im Gerichtssaal für alle geltend machte, fand er erfreulicherweise nicht bei allen anwesenden Christen Verständnis dafür. Sie bevorzugten es, sich weiterhin an das Gebot zur Trennung von Staat und Kirche zu halten. Trotz des von vielen Menschen befürchteten Untergangs des christlichen Abendlandes bei Herausnahme der Kreuze aus den Gerichtssälen wäre dergleichen kaum zu befürchten, wenn nun in den bayerischen Gerichtssälen anstatt von Kreuzen das Bayerische Rautenwappen an der Wand hinge, vielleicht vereint mit Bundesadler und Europawappen. Also lieber kein Kreuz und auch keine anderen religiösen Symbole im staatlichen Bereich, doch gerne, wie es Euch gefällt, im nichtstaatlichen und im privaten Bereich
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  • D. K.
    Karlheinz Deschner hat in verschiedenen Büchner die Verbrechen der Kirche untersucht.

    Es sind interessante, gut dokumentierte Berichte, die jeder, der dem Kreuz so viele positive Aspekte andichteten will gelesen haben sollte.

    Er zeigt ausführlich dass die Werte Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit Ideale der Aufklärung sind.

    Solange die Kirche an der Macht beteiligt war mussten diese Werte immer gegen die Kirche erkämpft werden.

    Ein solches Symbol hat in Gerichten nichts verloren.
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  • R. K.
    Wenn sich Politik der Religion "bemächtigt" ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Zumeist ist es Beifall aus der falschen Ecke. Wer das Kreuz als kultuerell politisch motivierte Brauchtumsdevotionale mißbraucht, muß sich nach dem Motiv fragen lassen. Keinesfalls sind die Wählerinnen und Wählern so dumm, daß sie dieses Manöver nicht durchschauen. Als Protestant ist es für mich eine Zumutung, wenn Kreuze wie in einem Drakulafilm vor laufender Kamera und mit breitem Grinsen, langen Schatten und als Showeinlage im Stile eines Nummerngirls präsentiert werden.
    Wem der Gekreuzigte Jesus etwas bedeutet, der darf getrost auf Gott vertrauen und muß sich nicht zwangsläufig den eigenen Allmachtsphantasien hingeben. Die Messlatte liegt nicht in der narzistischen Betrachtung des eigenen Spiegelbildes, die Messlatte liegt im glaubwürdigen Handeln. Wer Kreuze sehen möchte, begebe sich in die Kirchen und auf die Friedhöfe, dort sind sie in jedem Fall am richtigen Ort.
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  • A. S.
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  • M. D.
    Das Kreuz ist in Bayern KEIN „Symbol einer Werteordnung“ mehr sondern ein Symbol für Heuchelei und staatlichen Missbrauch, das offenkundig nur noch dazu dienen soll, Unrecht zu relativieren, zu verdrängen und eine Identifikation zu schaffen, die das erleichtert: schließlich sind wir ja "Christen".

    Wer sich an Recht und Gesetz hält, braucht keine "Symbole", die die "Werteordnung" nach außen zur Schau stellt. Glaubhaft ist das ohnehin nicht mehr.

    So gesehen ist es völlig egal, wo in Bayern noch Kreuze hängen: als "Symbol", so wie der "Altbischof" das gerne hätte, taugen sie schon lange nicht mehr. Systemische und strukturelle Unchristlichkeit der CSU lassen sich auch durch noch so viele "Symbole" nicht mehr relativieren und verdrängen.
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  • G. S.
    Erklären Sie mal, was "strukturelle Unchristlichkeit" ist?
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  • T. B.
    @meeviertel, "struktuelle Unchristlichkeit" ist, wenn man etwas schreibt, nur dass es geschrieben ist. Dies geschieht dann, wenn man sich voll des Hasses an einer Diskussion beteiligt und dabei jegliche Sachlichkeit zum Thema verliert.
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    Stimme Herrn Josef Schuster hier ausdrücklich zu.
    Unter dem Zeichen des Kreuzes wurden schlimmste Verbrechen begangen.
    War das der Grund warum Söder das Kreuz in öffentlichen Einrichtungen aufhängen ließ? Auf den Gedanken könnte der recht Mob, der sich auch in ehemals christlichen Parteien, vor allem in Bayern, breit gemacht hat auch kommen.
    Und Söder wird ja von seinem Parteichef attestiert, dass er von „Ehrgeiz zerfressen“, von „charakterlichen Schwächen“ gezeichnet und sich „zu viele Schmutzleien“ leiste.
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