Die Trommelklänge unterhalb der Friedensbrücke sind schon von weit her zu hören und ziehen einen nahezu magisch auf das Africa Festival-Gelände. Wir sind mit Addis Mulugeta verabredet, der mit uns einen kritischen Blick auf die Veranstaltung wagen möchte.
Was ist wirklich noch typisch afrikanisch, und was ist schlichtweg Nippes, hat mit diesem Kontinent so gar nichts zu tun? Mit den Anfängen des Africa Festivals vor 30 Jahren hat das heutige Festival nur noch wenig gemein. Traten damals nur wenige unbekannte Gruppen auf, ist es heute eine Großveranstaltung mit Superstars und kommerziellem Hintergrund.
Besucher aus Madagaskar
Am Eingang treffen wir auf Abeline Rasoanirina und Amelie Rameuankavana aus Madagaskar, die sich sofort bereit erklären, mit uns die Stände genauer unter die Lupe zu nehmen. Die beiden kamen bereits 1994 nach Deutschland – der Liebe wegen. Rasoanirina lebt heute in Würzburg, während ihre Freundin extra aus Berlin angereist ist.
Zusammen geht es zu „Ibrahima Bobley Camara“, einer afrikanischen Trommel- und Tanzgruppe des National Ballett aus Guinea. „Oh ja, das ist Afrika“, ruft die 50-jährige Abeline begeistert und lässt die Füße wippen.
„Das tanzen wir bei Hochzeiten, wenn die Braut abgeholt wird“, kommentiert sie die ausschweifenden Armbewegungen und schnell trippelnden Füße einer Tänzerin, die ihre Beine zudem wie beim Twist hin- und herschlackern lässt.
Die Musik der Trommelgruppen versteht jeder Afrikaner
Während die Trommelgruppen unter der Brücke authentische Musik machen, treten auf der großen Hauptbühne die Superstars auf, die zumeist auf Englisch singen. „Das verstehen die meisten Afrikaner nicht“, erklärt Mulugeta. Die Trommelgruppen und deren Tänze spiegelten das Leben und die Bräuche wie Hochzeit, Beerdigung und Trauer wider – verständlich für alle Afrikaner, die zumeist auf dem Land wohnen.
Weiter geht es zum Kräuterstand. Viele Pfeffersorten, Chili und Curry werden angeboten. Vor allem Pfeffer und Chili finden in der afrikanischen Küche Verwendung, aber Bärlauch-Pesto, wie hier im Regal, ganz sicher nicht. Stutzig werden die Drei vor allem bei den Preisen. Ein Tütchen soll 3,50 Euro kosten, drei Tüten gibt es für zehn Euro.
Ein Vorrat für 20 Jahre?
„Dafür bekomme ich in Afrika so viel Pfeffer, dass ich 20 Jahre lang Vorrat hätte“, sagen die Drei unisono und fügen hinzu: „Das können sich hier nur die Europäer leisten, ganz sicher aber nicht die Flüchtlinge, die zumeist schon wegen des Eintrittspreises von acht Euro dieses Fest nicht mitfeiern können.“
Ein Umstand, den auch Lena Heesen und Obada Kalumbete bedauern. Die beiden betreiben einen kleinen Stand mit typisch afrikanischen Näharbeiten, die in einer Behindertenwerkstatt in Mwanza gefertigt werden. Mit der Stadt in Tansania pflegt Würzburg seit 1966 eine Städtepartnerschaft. Kalumbete leitet die dortige Behindertenwerkstatt und ist zum dritten Mal auf dem Festival vertreten. Rechnen würde sich das Fest für ihn kaum, denn erst am vierten Tag verbuche er ein Plus, von dem aber dann Standgebühren, Übernachtungs- und Verpflegungskosten bestritten werden müssen.
Kunden aus ganz Europa
Zu den Standgebühren möchte er sich ebenso wenig äußern wie ein weiterer Landsmann, der Masken und Skulpturen aus ganz Afrika veräußert. Auf diese Frage hin rollt er nur mit den Augen. Seine Masken würden vorwiegend von Ärzten und Rechtsanwälten aus Europa gekauft, so der Standbetreiber.
Des weiteren kritisiert der 35-jährige Mulugeta die Zwischenhändler, die hier zwar afrikanische Waren verkaufen, aber eben auch bezahlt werden wollen: „Für das Kind, das dieses Kunstwerk einmal erschaffen hat, bleiben vielleicht gerade mal fünf Cent. Ist das gerecht?“
Kinderdirndl im Afro-Look
Der Rundgang zeigt, die meisten Angebote sind zwar authentisch, werden aber zu teuren Preisen verkauft. Und dann gibt es auch das eine oder andere Souvenir, dessen Herkunft man in Frage stellen kann. Da wäre zum Beispiel ein Kinderdirndl, dessen Kittelmuster zwar an typisch afrikanische Batiken erinnert, aber „made in Deutschland“ ist.
Die 50-jährige Abele und ihre 43-jährige Freundin lachen sich ob dieses seltsamen Gewandes erst einmal kaputt. Gar verärgert sind die beiden dann aber über einen T-Shirt-Shop, der so gar nicht ihr Land verkörpert. Das fängt bei den Motiven an und hört beim Preis von 25 Euro pro Stück auf.
Scharfe Kritik am Festival-Logo
Apropos Motiv: Das Festival-Logo ist für Addis Mulugeta „eine Beleidigung für den gesamten Kontinent“. Die stilisierten Figuren seien nackt und „was soll das bei dem Mann überhaupt darstellen? Ein Stock, der auf den überdimensionalen Popo der Frau zielt? Haben Sie hier schon mal nackte Afrikaner tanzen sehen?“ Seine Verärgerung darüber ist nicht zu überhören.
Und jetzt wird es politisch. In Anbetracht dessen, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstagnachmittag zum 30. Geburtstag des Africa Festivals kam, hätte Mulugeta auch diesem noch einiges mit auf den Weg zu geben. „Wenn man die Flüchtlingsursachen bekämpfen will, sollte die deutsche Regierung nicht die diktatorischen Staaten subventionieren, sondern vielmehr die demokratischen unterstützen.“
Demokratische Staaten als Vorbild nehmen
Viele der Flüchtlinge seien junge Männer, die in ihrem Land schlichtweg keine Perspektive haben. In den demokratischen Staaten aber, wie beispielsweise Botswana, Ghana und Malawi würden Arbeitsplätze geschaffen, Geld in Projekte investiert, die langfristig die Menschen versorgen. „Diese Staaten könnten als Vorbild dienen und damit die Flüchtlingsrate reduzieren.“
Bei aller Kritik sagen die Drei aber auch, dass sie die kulturelle Vielfalt auf dem Festival hoch schätzen und es eine hervorragende Gelegenheit bietet, miteinander ins Gespräch zu kommen, unterschiedliche Traditionen kennenzulernen und Europa für den Nachbarn Afrika zu sensibilisieren.
Typisches Gericht aus Äthiopien
Dies gelingt wie bei vielen Diskussionen vor allem bei einem guten Essen. „Das ist typisch Äthiopien“, steuert Mulugeta zielgerichtet einen Stand an, an dem es Fladenbrot mit Rindfleisch in scharfer Soße gibt.
„Bloß nicht scharf“, rufen Abeline und Amelie empört. Als Madagassen ziehen sie den milden Geschmack von Linsen vor und entscheiden sich für den veganen Teller. Die üppigen Portionen für durchschnittlich acht Euro sind dann vergleichsweise fast ein Schnäppchen an diesem Tag.