Die Warnungen waren vor den Sommerferien kaum zu überhören: Reiserückkehrer, die sich während ihres Urlaubs im Ausland mit dem Coronavirus infiziert hatten, könnten die hiesigen Zahlen wieder signifikant nach oben treiben. Aktuelle Statistiken aus der Region bestätigen die Befürchtung. Eine Umfrage der Redaktion unter den Gesundheitsämtern ergibt: Im Ferienmonat August wurden in Unterfranken 361 Personen positiv auf das Virus getestet, 214 von ihnen waren vorher im Ausland gewesen – ein Anteil von knapp 60 Prozent. Zudem hatten demnach mehrere Infizierte, die selbst nicht im Ausland waren, Kontakt mit einem infizierten Reiserückkehrer.
Überraschend dabei ist, aus welchen Ländern der Großteil der Infizierten das Virus mit nach Deutschland brachte. "Der Urlaub ist genau das Risiko, vor dem wir immer gewarnt haben", hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erst vor wenigen Tagen angemerkt. Doch die klassischen Urlaubsländer spielen in den Zahlen der Gesundheitsbehörden nur eine untergeordnete Rolle: Zwar entfallen mit 27 Infizierten die drittmeisten Fälle in der Region auf das Urlaubsland Kroatien und in der Türkei verbrachten 16 positiv Getestete die Ferien. Doch aus Österreich, Spanien und Frankreich kamen jeweils nur zehn Urlauber mit einer Infektion nach Unterfranken zurück. Sechs waren in Italien und drei in Griechenland gewesen.
Die meisten Infizierten besuchten den Kosovo
Eine weit stärkere Rolle spielt Osteuropa: 45 in Unterfranken positiv getestete Person reisten im August aus dem Kosovo ein, 34 aus Rumänien, 15 aus der Ukraine. Nicht gerade die klassischen Urlaubsländer - doch um Saisonarbeitskräfte wie Erntehelfer scheint es sich dabei nur in Einzelfällen zu handeln: Mehrere Gesundheitsämter sprechen auf Nachfrage von "einfachen Reiserückkehrern" oder "privaten Reisen".
Experten vermuten hinter den hohen Infektionszahlen unter Reiserückkehrern aus dem Kosovo, Rumänien oder der Ukraine Familienbesuche. Natürlich habe man zu seinen Verwandten "engere Kontakte", sagt etwa Professor Lars Dölken, Inhaber des Lehrstuhls für Virologie an der Universität Würzburg. "Offensichtlich sind die Infektionsraten" in den genannten Staaten "derzeit recht hoch, was dann unvermeidlich zu Infektionen führt", so Dölken.
Corona-Anstieg in Kroatien
Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) bestätigt das: Ein Großteil der Länder, in denen sich die meisten Reisenden infiziert haben, gilt einem Sprecher zufolge "aufgrund der zum Teil hohen Fallzahlen" entweder komplett oder teilweise als Risikogebiete. "Personen, die dorthin reisen, haben ein höheres Risiko zu erkranken als Personen, die in andere Gegenden reisen."
Inzwischen zählt auch das Urlaubsland Kroatien dazu: Drei Regionen des 4,2-Millionen-Einwohner-Landes hat das Auswärtige Amt zum Risikogebiet erklärt. Die kroatischen Behörden registrieren seit Mitte August einen steilen Anstieg von Corona-Infektionen. Am Donnerstag meldeten sie einen Rekordwert von 369 neuen Fällen innerhalb eines Tages.
Bayernweite Zahlen: Die Hälfte der Infizierten hat sich im Ausland angesteckt
Laut Zahlen des LGL haben sich im August 781 Reisende aus dem Freistaat in Kroatien mit Corona infiziert. Ansonsten spielt auch bei der bayernweiten Statistik – wie in Unterfranken – der Kosovo eine große Rolle: 734 Bayern kamen dort mit dem Virus in Kontakt.
Wie das LGL mitteilt, wurden im August in Bayern mehr als 6000 Menschen positiv auf Corona getestet. Für 4331 Fälle wurde demnach "der wahrscheinliche Ort" angegeben, an dem die Personen mit dem Coronavirus in Kontakt gekommen waren: "Bei 2917 Fällen fand die Exposition außerhalb Deutschlands statt", so der LGL-Sprecher. Die meisten Fälle - nach Kroatien und dem Kosovo - wurden Bosnien und Herzegowina (279), der Türkei (140), Rumänen (137) und Spanien (110) zugeordnet. In Italien infizierten sich vermutlich 77 Menschen aus dem Freistaat, in Frankreich 74, in Österreich 51 und in Griechenland 29.
Dass die Zahl etwa der positiv getesteten Italien- oder Griechenland-Reisenden im Verhältnis gesehen so gering ausfällt, spricht laut Virologe Lars Dölken dafür, dass sich "die allermeisten Urlauber doch sehr gut an die Corona-Vorschriften halten".