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Ochsenfurt
Wie sich an der Zuckerfabrik ein Kirchenstreit entzündete
1953 wurde die Ochsenfurter Zuckerfabrik eingeweiht - samt Streit:  Ein Eklat zwischen Bischof Julius Döpfner und Dekan Wilhelm Schwinn erregte bundesweit Aufmerksamkeit.
Im November 1952 startete die erste Rübenkampagne der neuen Ochsenfurter Zuckerfabrik.
Foto: Walter Röder | Im November 1952 startete die erste Rübenkampagne der neuen Ochsenfurter Zuckerfabrik.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:05 Uhr

Der Streit zog Kreise bis ins Amt von Bundeskanzler Konrad Adenauer und richtete das mediale Interesse von "Spiegel", "Zeit" und "Rheinischem Merkur" auf das beschauliche Ochsenfurt und die dort neu gebaute Zuckerfabrik. Bei deren Einweihung am 28. Juni 1953 war es zu einem Eklat zwischen dem katholischen Bischof Julius Döpfner und dem evangelischen Dekan Wilhelm Schinn gekommen, der das brüchige Verhältnis der Konfessionen in der Nachkriegszeit widerspiegelt. Die neue Fabrik und die Rolle, die sie für die Zukunft der Landwirtschaft im Landkreis Würzburg und in Franken spielen sollte, traten dabei in den Hintergrund. Was war geschehen? 

Erste Pläne entstanden schon 1919

Schon 1919 hatte die Zuckerfabrik Frankenthal AG am Mainufer bei Ochsenfurt Gelände für den Bau der "Rohzuckerfabrik Frankengau" gekauft, wie aus dem Archiv der heutigen Südzucker AG hervorgeht. Tatsächlich wurde erst 1938 ein Trocknungswerk errichtet. Es produzierte getrocknete Rübenschnitzel, die zunächst unter anderem als Pferdefutter Verwendung fanden. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhinderte den geplanten Ausbau zur Zuckerfabrik. 

Der Einweihung der Ochsenfurter Zuckerfabrik durch Bischof Julius Döpfner am 28. Juni 1953 war ein Eklat mit dem Vertreter der evangelischen Kirche, Dekan Wilhelm Schwinn, vorausgegangen.
Foto: EPD | Der Einweihung der Ochsenfurter Zuckerfabrik durch Bischof Julius Döpfner am 28. Juni 1953 war ein Eklat mit dem Vertreter der evangelischen Kirche, Dekan Wilhelm Schwinn, vorausgegangen.

Bald nach Kriegsende wurde das Vorhaben wieder aufgenommen. Getragen von einer bäuerlichen Genossenschaft und unter Beteiligung der damaligen Süddeutschen Zucker AG, sollte die Fabrik den Landwirten der Region ein neues wirtschaftliches Standbein schaffen. 1951 wurde die Zuckerfabrik Franken GmbH mit einem Stammkapital von sechs Millionen Mark gegründet. Die Bauern, zusammengeschlossen in der Süddeutschen Zuckerrüben-Verwertungsgenossenschaft SZVG, erhielten 51 Prozent der Anteile. 

Am 3. November 1952, nur eineinhalb Jahre nach der Grundsteinlegung, startete die erste Produktionskampagne. Die Einweihung der neuen Anlage hatte man für den folgenden Sommer geplant.

Die Zeitungen berichteten von 8000 Bauern, die sich am 28. Juni 1953 auf dem Gelände versammelt hatten. Der Würzburger Bischof und spätere Kardinal Julius Döpfner und der evangelische Dekan Wilhelm Schwinn waren eingeladen, die neue Fabrik zu segnen. Dass sie beide den Segen sprechen sollten, erfuhren die Kirchenmänner allerdings erst auf dem Weg nach Ochsenfurt.

In nur eineinhalb Jahren wurde das frühere Rüben-Trocknungswerk zu einer Zuckerfabrik ausgebaut.
Foto: Walter Röder | In nur eineinhalb Jahren wurde das frühere Rüben-Trocknungswerk zu einer Zuckerfabrik ausgebaut.

Für Bischof Döpfner war eine gemeinsame Segenshandlung damals undenkbar. Er bestand darauf, im überwiegend katholischen Ochsenfurt den Segen alleine zu spenden, und bot Dekan Schinn an, ein weltliches Grußwort zu sprechen. Der lehnt mit dem Hinweis ab, von einem katholischen Bischof keine Weisungen entgegen zu nehmen, und reiste unter Protest ab. Unter den Reitern aus Gnodstadt, die die Kutsche des Dekans begleiteten, machte die Nachricht schnell die Runde. Die Empörung war groß.

Bischof Döpfner wurde beschimpft und bedroht

Noch bevor der katholische Oberhirte an der Zuckerfabrik eintraf, wurde seine Kutsche von aufgebrachten evangelischen Bauern gestoppt. Schmährufe waren zu hören: "Zieht ihn raus!" und "Schlagt ihn tot!". Die Polizei schritt ein, um Schlimmeres zu verhindern. Schließlich nahm der Bischof die Segnung der Fabrik alleine vor. Später rechtfertigte das Kirchenblatt die Entscheidung mit dem Hinweis auf das katholische Recht.

Der evangelische Dekan Wilhelm Schwinn bei seiner Ankunft an der Ochsenfurter Zuckerfabrik. Wenig später trat er unter Protest seine Rückreise nach Würzburg an.
Foto: Walter Röder | Der evangelische Dekan Wilhelm Schwinn bei seiner Ankunft an der Ochsenfurter Zuckerfabrik. Wenig später trat er unter Protest seine Rückreise nach Würzburg an.

"Jede Gemeinschaft in heiligen Dingen ist sowohl den Gläubigen als auch erst recht den Bischöfen durch kirchliche Gesetze untersagt", hieß es dort. So ist es wohl eine Ironie der Geschichte, dass Kardinal Julius Döpfner später als Moderator des Zweiten Vatikanischen Konzils zu einem Wegbereiter der Ökumene wurde. Kurz vor seinem Tod 1976 bekannte er in einem Interview in der "Süddeutschen Zeitung": "Dieses Image, das mir nach Ochsenfurt zufiel, entsprach in keiner Weise meiner inneren Intention."

Erfolgsgeschichte für die fränkische Landwirtschaft

Der Erfolgsgeschichte, die der Zuckerrübenanbau in den folgenden Jahrzehnten schrieb, tat die missglückte Einweihung keinen Abbruch. Bereits zwei Jahre nach der Inbetriebnahme wurde die tägliche Verarbeitungskapazität von 2400 auf 3600 Tonnen Zuckerrüben erhöht.

Inzwischen werden täglich bis zu 15 000 Tonnen Rüben in dem Werk verarbeitet. Auf rund 25 000 Hektar werden in Franken Zuckerrüben angebaut. Für die meisten der rund 3000 Anbaubetrieb ist die Zuckerrübe die wichtigste Feldfrucht. Die Wertschöpfung durch Rübenanbau und Zuckerproduktion in Ochsenfurt beziffert der Verband fränkischer Zuckerrübenbauer auf 100 Millionen Euro jährlich.

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Am 24. November 1945 erschien im zerstörten Würzburg die erste Ausgabe der Main-Post. Zum Medienhaus gehören inzwischen auch das Schweinfurter Tagblatt, Volkszeitung und Volksblatt, der Bote vom Haßgau, das Haßfurter Tagblatt sowie das Obermain-Tagblatt. Der 75. Geburtstag der Main-Post ist ein Grund für die Redaktion, zurückzuschauen. Wir veröffentlichen deshalb das ganze Jahr Geschichten aus dieser Vergangenheit.
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