
Seniorenheime für pflegebedürftige Menschen gibt es in Region inzwischen einige. Doch für Senioren, die ihren Alltag noch weitgehend selbstständig bestreiten können und nur wenig Unterstützung brauchen, klafft eine Lücke im Versorgungsnetz. Die Wohnanlage, die Bauträger Peter Greiner derzeit in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Rottendorf und dem Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg (KU) baut, soll diese Lücke schließen. Das Beispiel könnte als Modellfall dienen, wie sich gerade in kleinen Gemeinden eine wohnortnahe Betreuung alter Menschen nachhaltig verwirklichen lässt. Bei einem Tag der offenen Tür in der Rottendorfer Wohnanlage ließen sich Bauherr und Betreiber deshalb bereitwillig in die Karten schauen.
Für jeweils zehn Bewohner sind die beiden ambulant betreuten Wohngemeinschaften ausgelegt, die am 1. Juli an den Start gegen sollen. "Wir sind sehr gespannt, wie sich die alternative Wohnform bewährt", stellt Landrat Thomas Eberth fest. Es gelte, wichtige Erfahrungen zu sammeln. Entscheidend dafür, ob die neue Wohnform für andere Gemeinden ein Vorbild sein könnte, sei, ob ausreichend Nachfrage besteht und sich das gemischt finanzierte Projekt auch wirtschaftlich rechnet.
Eva von Vietinghoff-Scheel, Vorstandsmitglied des KU, ist zuversichtlich, dass dies gelingen wird. Stationäre Pflegeeinrichtung seien erst ab 50 Bewohner wirtschaftlich, erklärt sie. In den meisten Orten sei dies nicht umsetzbar. Zudem seien die Wartelisten für einen Pflegeplatz in einer stationären Einrichtung lang. Deshalb sei sie sehr froh, Menschen, die keiner intensiven Pflege bedürfen, ein zusätzliches Angebot machen zu können.

An den beiden Tagen der offenen Tür hatten Senioren die Möglichkeit, sich selber einen Eindruck von dem dreistöckigen Neubau in der Rottendorfer Hauptstraße zu verschaffen. Die niedrige Corona-Inzidenz im Landkreis, strenge Sicherheitsvorgaben und natürlich die hohe Impfquote unter Senioren ermöglichten die Veranstaltung. Schon am Eingang zum Grundstück hatte die Johanniter Unfallhilfe eine Schnelltest-Station aufgebaut. In Kleingruppen konnten die Wohnungen besichtigt werden. "Das Älterwerden lässt sich nicht aufschieben – auch nicht durch Corona", so Eva von Vietinghoff-Scheel.
Dem KU kommt die Aufgabe zu, die Vermietung der Wohnplätze zu organisieren und den beiden Wohngemeinschaften unterstützend zur Seite zu stehen. Die Räume wirken hell, die Einzelzimmer sind großzügig bemessen, natürlich barrierefrei, und gruppieren sich jeweils um einen zentralen Wohnbereich. Eine der Wohnungen hat die Gemeinde Rottendorf erworben und kann dafür auf einen Zuschuss aus dem Wohnungspakt Bayern zurückgreifen. Dafür ist sie verpflichtet, sozial verträgliche Mieten anzubieten.
Raum für gemeinsame Veranstaltungen
Der Charakter als Wohngemeinschaft findet seinen Niederschlag in einem Gemeinschaftsraum, der für Veranstaltungen zur Verfügung steht. Auch Vereine oder Gruppen aus dem Ort seien dort gerne gesehen. Die Wohngemeinschaft verstehe sich als bewusster Gegenentwurf zur Einsamkeit im Alter, so Eva von Vietinghoff-Scheel. "Selbstbestimmung und individuelle Gestaltung des Alltags sind dabei zentrale Elemente der Wohngemeinschaften", erklärt sie. Entscheidungen, die die gesamte Wohngemeinschaft betreffen, trifft ein Gremium, in das auch Angehörige einbezogen sein werden.
So stehe es den Bewohnern beispielsweise frei, ob sie ob sie ihre Mahlzeiten gemeinsam selbst zubereiten oder von einer anderen Einrichtung beziehen wollen. In der Hauswirtschaft und anderen alltäglichen Verrichtungen werden sie von Mitarbeitern der Johanniter Unfallhilfe unterstützt. Außerdem steht rund um die Uhr eine Rufbereitschaft zur Verfügung. Voraussetzung, um in die Wohngemeinschaft einziehen zu können, ist Pflegegrad 2. Den Bewohnern steht es frei, welchen ambulanten Pflegedienst sie in Anspruch nehmen. Sollte der Pflegebedarf im Lauf der Zeit höher werden, könne man flexibel darauf reagieren. "Ein weiterer Umzug in ein Pflegeheim soll möglichst nicht mehr nötig werden", so Eva von Vietinghoff-Scheel.
Interesse aus anderen Gemeinden
Einige Gemeinden im Landkreis sind inzwischen auch auf das Modell aufmerksam geworden, sagt Alexander Schraml, ebenfalls Vorstand des KU. Besonders dort, wo Pflegeheime nicht wirtschaftliche betrieben werden könne, können Wohngemeinschaften eine Alternative sein, ohne dass die Menschen aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden. Gerade in kleineren Gemeinden könnte das Modell deshalb Schule machen. Die Vorteile habe inzwischen auch der Gesetzgeber erkannt und gewähre den Bewohnern von ambulant betreuten Wohngemeinschaften einen pauschalen Zuschlag zum Pflegegeld.