„Alle 13 Minuten nimmt die Polizei in Unterfranken einen Unfall auf“, sagte Polizeipräsident Gerhard Kallert, als er im März die Unfallstatistik für das vergangene Jahr präsentierte. Das macht über 40 000 Unfälle im Jahr 2016. Das Thema „Senioren am Steuer“ sprach er damals nicht an. Dennoch sorgt dieser Punkt gerade in letzter Zeit immer wieder für heiße Diskussionen. Doch sind Senioren tatsächlich eine wachsende Gefahr für Unterfrankens Straßenverkehr?
Alfons Pfannes stellt diese Frage aus rein beruflichem Interesse. Seit 2015 bietet der 72-Jährige Fahrfertigkeitstrainings bei der Verkehrswacht Würzburg an. „50plus“ heißt das fünfstündige Programm und dort vermittelt er für 20 Euro sowohl theoretisches als auch praktisches Wissen. Zehn Kurse hat Pfannes in diesem Jahr bereits gehalten. „Der Älteste meiner knapp 90 Teilnehmer war 93 Jahre alt“, erzählt der ehemalige Führerscheinprüfer, doch jünger als 65 seien die Wenigsten.
Steigende Unfallzahlen
„Verkehrsunfälle, an denen Senioren beteiligt sind, machen in der Statistik nur 7,34 Prozent aus“, beginnt Pfannes jedes seiner Seminare, „In 67 Prozent aller Fälle sind sie jedoch die Schuldigen.“ Nach diesem Satz herrsche meist kollektives Schweigen: „Und dann fangen sie an nachzudenken“, weiß der Kursleiter aus Erfahrung.
In seiner Ansprache beruft er sich auf Zahlen des Polizeipräsidiums Unterfranken, die zeigen, dass gerade in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Senioren um 21,76 Prozent gestiegen ist. Im Jahr 2012 hatte die Polizei 2500 solcher Unfälle aufgenommen, im Jahr 2016 waren es schon 3059. Der Anteil der verletzten Senioren blieb dabei vergleichsweise gering: 2012 trugen 576 Senioren eine Verletzung bei einem Unfall mit eigener Beteiligung davon, 2016 waren es 100 mehr. Die Zahl der getöteten Menschen über 65 blieb mit 16 gleich.
Gründe für den Anstieg
Die Polizei Unterfranken sieht für diesen Anstieg verschiedene Ursachen. Zum steige der Anteil der Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren an der Gesamtbevölkerung. Durch diese demografische Entwicklung nehme auch der Anteil älterer Menschen als motorisierte Teilnehmer im Straßenverkehr zu. Dennoch hätten Senioren im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil eine unterproportionale Unfallbeteiligung bei den Verkehrsunfällen.
Die geringe Verkehrsteilnahme von Senioren als Fahrzeugführer erkläre die geringere Unfallbeteiligung dieser Altersgruppe. Zwar seien Senioren heute aktiver als früher und nutzen aufgrund ihrer bisherigen Verkehrsteilnahme häufiger das Auto, dennoch nehmen durchschnittlich weniger Menschen über 65 als unter 65 am Verkehr teil.
Physiologische Faktoren
Doch warum ist dann der Schuldanteil so hoch? Alfons Pfannes weiß, woran es liegt: „Im Laufe des Alterungsprozesses beeinträchtigen mehr und mehr physiologische Faktoren die Fahrleistung.“ Die Muskelkräfte und Beweglichkeit der Gelenke lässt nach, der Blutdruck wird instabil und der Stoffwechsel verlangsamt sich. Der Körper ist schneller erschöpft.
Zudem sind Mehrfacherkrankungen und eine zunehmende Gesundheitsschädigung die Regel. Damit einher geht auch der Konsum von Medikamenten „und diese dämpfen oft unsere Wahrnehmung“, erklärt Pfannes.
Aber auch die sensorischen Fähigkeiten lassen im Alter nach. Das Gesichtsfeld schrumpft und das räumliche Sehen lässt nach. Auch die Hörfähigkeit nimmt nach und nach ab. Stark mit diesen Faktoren verbunden sind die sensomotorischen Leistungen, über die ein Verkehrsteilnehmer verfügen sollte. Darunter versteht man ein gutes Reaktionsvermögen, dauerhafte Konzentration, Stressresistenz, Wachsamkeit und motorische Koordination. Doch auch die lassen mit zunehmendem Alter oft nach.
Eine Gefahr für den Verkehr?
Ob nun Senioren tatsächlich eine wachsende Gefahr für den Verkehr darstellen? Alfons Pfannes meint: Nein. „Ältere Verkehrsteilnehmer sind immer noch mehr gefährdet als gefährlich.“ Das sieht auch die Polizei Unterfranken so: Die Gruppe der Senioren in Gänze als unsichere Verkehrsteilnehmer darzustellen, wäre falsch.
Langjährige Fahrpraxis und defensives Verhalten im Straßenverkehr seien ihr Vorteil. Da sie allerdings öfter als Fußgänger statt als Fahrzeugführer am Verkehr teilnehmen, seien sie einem größeren Risiko ausgesetzt, schwerwiegende Verletzungen zu erleiden. Häufig sei diese Altersgruppe aufgrund dunkler Bekleidung in der Dämmerung für andere Verkehrsteilnehmer erst spät zu erkennen.
Im Alter fit bleiben
Ein großes Problem seien fehlende Einsicht und Selbstkritik, sagt Pfannes. Seinen Kursteilnehmern gibt er deshalb eines immer mit auf den Weg: „Warum nicht einfach das Leben akzeptieren, dessen Bestandteil die Alterung ist?“ Es sei ganz natürlich, dass die körperlichen Fähigkeiten nicht immer auf dem selben Stand blieben.
Vor allem geistig sollte man sich aber fit halten, findet der Fahrsicherheitstrainer, denn „Autofahren ist Gehirnarbeit und der Unfall beginnt meist im Kopf.“ Mit seinen Kursteilnehmern geht er deshalb nach dem Theorieblock immer auf den Übungsplatz. Dort absolviert dann jeder mit seinem eigenen Pkw verschiedenen Übungen. Ob durch den Kreisverkehr fahren oder rückwärts durch einen Parcours, auf dem Platz kann jeder seine Fähigkeiten testen.
Alfons Pfannes kennt die Defizite der Generation 65 Plus: Kreisverkehr, Grünpfeilschild, Blinken und Reißverschlussverfahren. Seit sie ihren Führerschein vor 50 Jahren gemacht hat, hat sich so einiges verändert. „Ich möchte gemeinsam das Wissen auffrischen und vor allem das verkehrsgerechte Verhalten besprechen“, sagt der Trainer. Dabei gibt es auch viel Neues zu lernen, zum Beispiel die Gefahrenbremsung. Die ist heute, im Gegensatz zu früher, fester Bestandteil der Pflichtstunden für den Führerschein.
Wann gibt man den Führerschein am besten ab?
Für eine Fahrprüfung für Senioren ist Pfannes jedoch nicht.„Ich möchte meinen Teilnehmern nicht zeigen, was sie nicht können, sondern was sie noch können.“ Ob man seinen Führerschein abgeben sollte oder nicht, könne jeder für sich selbst entscheiden. Einen Rat hat er allerdings: „Sobald man Angst davor hat, am Straßenverkehr teilzunehmen, ist der Zeitpunkt gekommen.“ Dabei müsse man wirklich ehrlich zu sich selbst zu sein.
Anmeldung für den nächsten Kurs im März unter: Tel.: 0931/94926, kontakt@verkehrswacht-wuerzburg.de, alfons.pfannes@gmx.de
Tipps vom Fahrsicherheitstrainer
Gymnastik, 30 Minuten gehen am Tag oder tanzen halten den Körper fit. Fingerübungen sind gut für die Nervenbahnen.
Regelmäßig das Hörgerät richtig einstellen und die Sehstärke der Brillengläser anpassen lassen.
Nicht vergessen: Das Hirn lernt bis ins hohe Alter. Deshalb immer offen sein, neugierig bleiben und Neues ausprobieren.
Dazu kommen noch reichlich Nebeneffekte, beim Rechtsabbiegen wird erst mal links auf die Nebenfahrspur ausgeholt, beim Einparken vorn und hinten zwei Meter Platz gelassen, beim Anhalten am Fahrbahnrand nicht geblinkt und beim Fahren oft telefoniert.
Allerdings muß man eines doch noch sagen: Rowdys und PS-Angeber hat es früher auch schon gegeben...
Mich wundert vielmehr mit welcher schönen Regelmäßigkeit die Main-Post dieses ausgekaute Thema immer wieder auf die Tagesordnung nimmt.
Was soll damit bezweckt werden??
Besteht mit zunehmenden Alter eine gottgegebene Verpflichtung immer weniger Unfälle zu bauen, bzw. den "Schuldanteil" unter 50 Prozent zu drücken???
Statistiken kann man sich immer so zurecht biegen wie man sie braucht, je nach dem welches Ziel man erreichen will. Da kann ich auch "Frau am Steuer" untersuchen oder den "Ausländeranteil" oder von "Brillenträgern", "Glatzköpfen" und was weiß ich, je nach dem was ich erreichen will.
Gut, dass es bald selbstfahrende Autos gibt, dann hört diese unendliche Diskussion hoffentlich auf, wer denn der beste Autofahrer ist.
Die Statistik zeigt, dass Senioren nur minimal an Unfällen beteiligt sind. Die Überschrift betrachte ich daher als Stimmungsmache und gelinde gesagt als Frechheit. JEDER wird einmal alt - das sollten sich alle vor Augen halten!
Ich bin natürlich trotzdem dafür das der öffentliche Nahverkehr ausgedehnt wird.