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WÜRZBURG
Wie gefährlich sind Senioren am Steuer?
Lena Köster
Lena Bayer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:39 Uhr

„Alle 13 Minuten nimmt die Polizei in Unterfranken einen Unfall auf“, sagte Polizeipräsident Gerhard Kallert, als er im März die Unfallstatistik für das vergangene Jahr präsentierte. Das macht über 40 000 Unfälle im Jahr 2016. Das Thema „Senioren am Steuer“ sprach er damals nicht an. Dennoch sorgt dieser Punkt gerade in letzter Zeit immer wieder für heiße Diskussionen. Doch sind Senioren tatsächlich eine wachsende Gefahr für Unterfrankens Straßenverkehr?

Alfons Pfannes stellt diese Frage aus rein beruflichem Interesse. Seit 2015 bietet der 72-Jährige Fahrfertigkeitstrainings bei der Verkehrswacht Würzburg an. „50plus“ heißt das fünfstündige Programm und dort vermittelt er für 20 Euro sowohl theoretisches als auch praktisches Wissen. Zehn Kurse hat Pfannes in diesem Jahr bereits gehalten. „Der Älteste meiner knapp 90 Teilnehmer war 93 Jahre alt“, erzählt der ehemalige Führerscheinprüfer, doch jünger als 65 seien die Wenigsten.

Steigende Unfallzahlen

„Verkehrsunfälle, an denen Senioren beteiligt sind, machen in der Statistik nur 7,34 Prozent aus“, beginnt Pfannes jedes seiner Seminare, „In 67 Prozent aller Fälle sind sie jedoch die Schuldigen.“ Nach diesem Satz herrsche meist kollektives Schweigen: „Und dann fangen sie an nachzudenken“, weiß der Kursleiter aus Erfahrung.

In seiner Ansprache beruft er sich auf Zahlen des Polizeipräsidiums Unterfranken, die zeigen, dass gerade in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Senioren um 21,76 Prozent gestiegen ist. Im Jahr 2012 hatte die Polizei 2500 solcher Unfälle aufgenommen, im Jahr 2016 waren es schon 3059. Der Anteil der verletzten Senioren blieb dabei vergleichsweise gering: 2012 trugen 576 Senioren eine Verletzung bei einem Unfall mit eigener Beteiligung davon, 2016 waren es 100 mehr. Die Zahl der getöteten Menschen über 65 blieb mit 16 gleich.

Gründe für den Anstieg

Die Polizei Unterfranken sieht für diesen Anstieg verschiedene Ursachen. Zum steige der Anteil der Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren an der Gesamtbevölkerung. Durch diese demografische Entwicklung nehme auch der Anteil älterer Menschen als motorisierte Teilnehmer im Straßenverkehr zu. Dennoch hätten Senioren im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil eine unterproportionale Unfallbeteiligung bei den Verkehrsunfällen.

Die geringe Verkehrsteilnahme von Senioren als Fahrzeugführer erkläre die geringere Unfallbeteiligung dieser Altersgruppe. Zwar seien Senioren heute aktiver als früher und nutzen aufgrund ihrer bisherigen Verkehrsteilnahme häufiger das Auto, dennoch nehmen durchschnittlich weniger Menschen über 65 als unter 65 am Verkehr teil.

Physiologische Faktoren

Doch warum ist dann der Schuldanteil so hoch? Alfons Pfannes weiß, woran es liegt: „Im Laufe des Alterungsprozesses beeinträchtigen mehr und mehr physiologische Faktoren die Fahrleistung.“ Die Muskelkräfte und Beweglichkeit der Gelenke lässt nach, der Blutdruck wird instabil und der Stoffwechsel verlangsamt sich. Der Körper ist schneller erschöpft.

Zudem sind Mehrfacherkrankungen und eine zunehmende Gesundheitsschädigung die Regel. Damit einher geht auch der Konsum von Medikamenten „und diese dämpfen oft unsere Wahrnehmung“, erklärt Pfannes.

Aber auch die sensorischen Fähigkeiten lassen im Alter nach. Das Gesichtsfeld schrumpft und das räumliche Sehen lässt nach. Auch die Hörfähigkeit nimmt nach und nach ab. Stark mit diesen Faktoren verbunden sind die sensomotorischen Leistungen, über die ein Verkehrsteilnehmer verfügen sollte. Darunter versteht man ein gutes Reaktionsvermögen, dauerhafte Konzentration, Stressresistenz, Wachsamkeit und motorische Koordination. Doch auch die lassen mit zunehmendem Alter oft nach.

Eine Gefahr für den Verkehr?

Ob nun Senioren tatsächlich eine wachsende Gefahr für den Verkehr darstellen? Alfons Pfannes meint: Nein. „Ältere Verkehrsteilnehmer sind immer noch mehr gefährdet als gefährlich.“ Das sieht auch die Polizei Unterfranken so: Die Gruppe der Senioren in Gänze als unsichere Verkehrsteilnehmer darzustellen, wäre falsch.

Langjährige Fahrpraxis und defensives Verhalten im Straßenverkehr seien ihr Vorteil. Da sie allerdings öfter als Fußgänger statt als Fahrzeugführer am Verkehr teilnehmen, seien sie einem größeren Risiko ausgesetzt, schwerwiegende Verletzungen zu erleiden. Häufig sei diese Altersgruppe aufgrund dunkler Bekleidung in der Dämmerung für andere Verkehrsteilnehmer erst spät zu erkennen.

Im Alter fit bleiben

Ein großes Problem seien fehlende Einsicht und Selbstkritik, sagt Pfannes. Seinen Kursteilnehmern gibt er deshalb eines immer mit auf den Weg: „Warum nicht einfach das Leben akzeptieren, dessen Bestandteil die Alterung ist?“ Es sei ganz natürlich, dass die körperlichen Fähigkeiten nicht immer auf dem selben Stand blieben.

Vor allem geistig sollte man sich aber fit halten, findet der Fahrsicherheitstrainer, denn „Autofahren ist Gehirnarbeit und der Unfall beginnt meist im Kopf.“ Mit seinen Kursteilnehmern geht er deshalb nach dem Theorieblock immer auf den Übungsplatz. Dort absolviert dann jeder mit seinem eigenen Pkw verschiedenen Übungen. Ob durch den Kreisverkehr fahren oder rückwärts durch einen Parcours, auf dem Platz kann jeder seine Fähigkeiten testen.

Alfons Pfannes kennt die Defizite der Generation 65 Plus: Kreisverkehr, Grünpfeilschild, Blinken und Reißverschlussverfahren. Seit sie ihren Führerschein vor 50 Jahren gemacht hat, hat sich so einiges verändert. „Ich möchte gemeinsam das Wissen auffrischen und vor allem das verkehrsgerechte Verhalten besprechen“, sagt der Trainer. Dabei gibt es auch viel Neues zu lernen, zum Beispiel die Gefahrenbremsung. Die ist heute, im Gegensatz zu früher, fester Bestandteil der Pflichtstunden für den Führerschein.

Wann gibt man den Führerschein am besten ab?

Für eine Fahrprüfung für Senioren ist Pfannes jedoch nicht.„Ich möchte meinen Teilnehmern nicht zeigen, was sie nicht können, sondern was sie noch können.“ Ob man seinen Führerschein abgeben sollte oder nicht, könne jeder für sich selbst entscheiden. Einen Rat hat er allerdings: „Sobald man Angst davor hat, am Straßenverkehr teilzunehmen, ist der Zeitpunkt gekommen.“ Dabei müsse man wirklich ehrlich zu sich selbst zu sein.

Anmeldung für den nächsten Kurs im März unter: Tel.: 0931/94926, kontakt@verkehrswacht-wuerzburg.de, alfons.pfannes@gmx.de

Tipps vom Fahrsicherheitstrainer

Gymnastik, 30 Minuten gehen am Tag oder tanzen halten den Körper fit. Fingerübungen sind gut für die Nervenbahnen.

Regelmäßig das Hörgerät richtig einstellen und die Sehstärke der Brillengläser anpassen lassen.

Nicht vergessen: Das Hirn lernt bis ins hohe Alter. Deshalb immer offen sein, neugierig bleiben und Neues ausprobieren.

 
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Kommentare
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  • kej0018@aol.com
    Sorry, aber mir, noch lange nicht 85 aber auch schon lange nicht mehr 18, scheint, daß trotz der vielen Fahrstunden, die heute abgeleistet werden müssen - sehr viel mehr als zu meiner Fahrschulzeit, die Autofahrer/innen, sagen wir mal, die unter 30, im Durchschnitt schlechter fahren als vor zwanzig Jahren. Woran das liegt, weiß ich nicht, aber daß dem so ist, haben mir etliche Freunde und Bekannte bestätigt. Ein selten souveräner und häufig schlechter Fahrstil wird oft gerade bei jüngeren Verkehrsteilnehmern beobachtet.

    Dazu kommen noch reichlich Nebeneffekte, beim Rechtsabbiegen wird erst mal links auf die Nebenfahrspur ausgeholt, beim Einparken vorn und hinten zwei Meter Platz gelassen, beim Anhalten am Fahrbahnrand nicht geblinkt und beim Fahren oft telefoniert.

    Allerdings muß man eines doch noch sagen: Rowdys und PS-Angeber hat es früher auch schon gegeben...
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  • War in der letzten Woche bei dem schweren Unfall auf der A 3, bei dem ein Postfahrzeug und ein mit Kies beladener Lkw beteiligt waren und dort 3 Menschen zu Tode kamen, auch ein Senior am Steuer?
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  • Dass die sensorischen Fähigkeiten mit dem Alter abnehmen und auch die Knochen nicht besser werden, für diese Erklärungen brauche ich den Herrn Pfannes nicht.
    Mich wundert vielmehr mit welcher schönen Regelmäßigkeit die Main-Post dieses ausgekaute Thema immer wieder auf die Tagesordnung nimmt.
    Was soll damit bezweckt werden??
    Besteht mit zunehmenden Alter eine gottgegebene Verpflichtung immer weniger Unfälle zu bauen, bzw. den "Schuldanteil" unter 50 Prozent zu drücken???
    Statistiken kann man sich immer so zurecht biegen wie man sie braucht, je nach dem welches Ziel man erreichen will. Da kann ich auch "Frau am Steuer" untersuchen oder den "Ausländeranteil" oder von "Brillenträgern", "Glatzköpfen" und was weiß ich, je nach dem was ich erreichen will.
    Gut, dass es bald selbstfahrende Autos gibt, dann hört diese unendliche Diskussion hoffentlich auf, wer denn der beste Autofahrer ist.
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  • jebusara@web.de
    Für Landbewohner ist das Auto und somit der Führerschein keine Frage von "etwas nicht hergeben wollen" sondern schlichtweg nötig um aus dem Dorf zum Arzt, zur Behörde oder zum Einkauf zu gelangen. Solange der öffentliche Nahverkehr sich vorwiegend auf den Transport von Schulkindern reduziert, die Fahrzeiten sich an den Schulzeiten orientieren, solange MUSS ein Senior mobil bleiben damit der Einkauf beim Aldi oder die Spritze beim Arzt keine Tagesreise wird. Die Alternative würde umziehen bedeuten und dies wiederum aus gewachsenen sozialen Umfeld, aus gewachsenen sozialen Einbinden gerissen zu werden. Das mutet man schon Arbeitsuchenden nicht zu - warum also soll man das einem Menschen zumuten der nichts anderes möchte als in seinem gewohnten Zuhause zu bleiben?

    Die Statistik zeigt, dass Senioren nur minimal an Unfällen beteiligt sind. Die Überschrift betrachte ich daher als Stimmungsmache und gelinde gesagt als Frechheit. JEDER wird einmal alt - das sollten sich alle vor Augen halten!
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  • IrisFromm
    Ab einem gewissen Zeitpunkt muss man einfach andere Wege gehen. Mit der Familie und einer funktionierenden Nachbarschaftshilfe lässt sich bestimmt der wöchentliche Einkauf organisieren. Für die festen Ausgaben für ein Auto (Unterhalt, Steuern, Versicherung, Sprit) die ja dann wegfallen sind einige Taxifahrten drin.
    Ich bin natürlich trotzdem dafür das der öffentliche Nahverkehr ausgedehnt wird.
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  • R.Silber
    Senioren fahren in jedem Fall rücksichtsvoller als manch anderer Verkehrsteilnehmer. Was die Tauglichkeit im Straßenverkehr angeht, nun, das ist so eine Gradwanderung. Es gibt keine generelle Altersgrenze, manch einer ist mit 80 Jahren besser in Schuss als manch anderer mit 60 Jahren. Wo es hapert ist die Selbsterkenntnis, wann es mit dem Autofahren für den Betroffenen schwierig wird. Da geht natürlich auch ein Stück Lebensqualität verloren und der Betroffene fühlt, dass er dam "Alt" sein, ein weiteres Stück näher gekommen ist. Alles nicht so einfach, da muss jeder für sich seinen Weg finden.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Auf jeden Fall sind Senioren nicht gefährlicher als dieser rasende Mob, der Nachts durch Städte oder über Autobahnen brettert und sich und andere gefährdet, denn die machen das bewusst!
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  • post@herbertstapff.de
    Es geht doch nicht darum, dass Senioren fitter werden müssen. Man muss keine 85 sein, um auf der einen Seite mit den Verkehrsrowdys Probleme zu haben und auf der anderen mit den Behörden. Ich bin noch keine 85, aber gehöre auch schon zur älteren oder Seniorengeneration. Wie gehts es auf unseren Straßen zu? Nicht blinken, schneller Spurwechsel, Sprintstarts an der Ampel, unverständliche Verkehrszeichen, Kreisverkehre ohne Ende, Radfahrer die zwischen den Autos jonglieren. Hinzu kommt, dass unsere Autos immer komplizierter und unverständlicher werden. Wer kennt sich noch mit den 1000 meist englischen Abkürzungen aus? Der Senior mag schuld am Unfall sein, verursacht hat ihn aber oft ein anderer. Ich wünsche mir wieder mein altes Auto zurück: ohne Schnickschnack, ohne EDV, aber mein Hintern hatte Kontakt und Gefühl zur Straße. Aber das versteht der eloquente Mittdreißiger ja nicht.
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