Den Motorradführerschein hat Leo Becker 1947 gemacht. Eine legendäre Sachser-Maschine war sein erster fahrbarer Untersatz auf noch leeren Straßen. Anfang der 1950er hatte er nach neun Fahrstunden auch die Berechtigung zum Führen eines Autos in der Tasche. Das erste Fahrzeug des heute 86-Jährigen war ein DKW. Kürzlich hat der Schweinfurter alle Führerscheine zurückgegeben. „Ich sehe ein, dass ich nicht mehr so reaktionsfähig bin, auch das Gehör hat nachgelassen“, sagt er.
Ein Jahr kostenlos Stadtbus fahren
Die Stadt Schweinfurt schenkt jedem über 80-jährigen Bürger, der den Führerschein freiwillig abgibt, einen ein Jahr gültigen Stadtbus-Fahrschein. Leo Becker wusste das. Der Grund für seinen Schritt war das aber nicht. „Wir wohnen am Marktplatz und kommen überall zu Fuß hin“, antwortet Lotte Becker, seine zwei Jahre ältere Frau. Sie behält ihren „Lappen“. Schlimm findet sie das aber nicht, weil „ich schon lange nicht mehr Auto fahre“, lacht sie den Reporter an.
Den wiederum hat zur Geschichte ein Tagesordnungspunkt auf der letzten Sitzung des Stadtrates animiert. Die Stadt hat vor geraumer Zeit ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept verabschiedet, das sich mit Erleichterungen für die ältere Generation befasst. Ein Punkt war, einen Anreiz zur Rückgabe des Führerscheins zu geben: der Freifahrtschein für den Stadtbus.
Mit der Resonanz auf diese Aktion, die es übrigens in Würzburg nach Angaben von Stadtsprecher Christian Weiß so nicht gibt, hat das Schweinfurter Rathaus aber offensichtlich nicht gerechnet. 2016 gaben jedenfalls 82 Senioren ihren Führschein freiwillig zurück. Für 2017 rechnet man mit genauso vielen. Nur: Die Mittel hatte man weder im Haushalt 2016 noch 2017 eingeplant, aber die Rechnung der für den Busbetrieb zuständigen Stadtwerke über zweimal 26 700 Euro am Hals. Der Stadtrat beschloss jetzt einstimmig, für beide Jahre 53 400 Euro außerplanmäßig bereitzustellen. Angekündigt ist außerdem, bei den Etatberatungen im Herbst an die erstaunliche Führerschein-Rückgabebereitschaft der über 80-Jährigen zu denken. Was Würzburg betrifft, so steht eine kostenlose Nahverkehrsnutzung als Anreiz zur Führerscheinrückgabe bislang nur auf der Wunschliste von Senioren-Arbeitskreisen.
Doch zurück nach Schweinfurt: Leo Becker betrieb am Marktplatz das 1955 vom Vater übernommene Installationsgeschäft. Der Spengler war aufs Auto angewiesen, weshalb er später noch den Lkw-Führschein erwarb. Eines der ersten Transportfahrzeuge war ein Dreirad Tempo, dann ein Opel Kadett. Dann ein Mercedes Diesel 180. Eher nebenbei erzählt Becker dann diese Geschichte, die seine schon immer große Verantwortung zeigt: Er war auch leidenschaftlicher Motorradfahrer. Seine 900er BMW verkaufte er – auch zur Überraschung seiner Frau – aber Anfang der 1970er. Der Grund: Die älteste Tochter hatte den Roller-Führerschein gemacht und um zu verhindern, „dass sich Jutta auf die schwere Maschine setzt“, hat er seine BMW lieber verkauft.
Auch Maria Merz hat ihren 1955 gemachten Autoführerschein vor vier Wochen im Rathaus abgegeben und den Freifahrtschein bekommen. Dass der aber nur fürs Stadtgebiet gilt, „ärgert mich“, schimpft die 88-Jährige. Auch sie wohnt mitten in der Stadt, die Tochter aber in Bergrheinfeld. Sie müsste im Stadtteil Oberndorf aussteigen und die letzen zwei Kilometer laufen, wettert sie und schickt einen Appell „für mehr Flexibilität“ ans Rathaus.
An ihr erstes Auto erinnert sich Maria Merz sofort: Opel Rekord, beige. Sie und ihr 2005 verstorbener Mann Günter haben die Firma Ellrodt (Samen und Futtermittel) betrieben, später die Marien-Drogerie in der Stadtmitte mit Filiale am Hochfeld gegründet. Jeden Tag saß Maria deshalb hinterm Steuer, unfallfrei. „Nicht mal ein Kratzlere“, lacht sie.
Nach sieben Fahrstunden meldete sie sich 1955 zur Prüfung an und bestand „auf Anhieb“. Nach dem Rekord ein Opel Caravan, später Wechsel zu Peugeot. „Trotz Handschaltung kein Problem, ich habe mich reingesetzt und bin losgefahren“, sagt sie grinsend.
„Halt mal zum Wildpark“
Was hat sie, die schon Jahre nicht mehr Auto gefahren ist, zur Rückgabe des Führerscheins veranlasst? Es war Enkelin Nina, die „aus Spaß“ auf den Bus-Freifahrtschein hingewiesen habe. Dass der nur im Stadtgebiet gilt, wusste sie nicht, wird die Möglichkeit nutzen und „halt zum Wildpark fahren“. Dann kommt sie noch auf den vielen Verkehr heutzutage zu sprechen. In der Bauerngasse, ihrem Wohnort, gelte Tempo 30, aber „keine hält sich dran“, schimpft die rüstige Seniorin vor sich hin und fügt augenzwinkernd als kleine Retourkutsche ans Rathaus an: „Auch die Stadtbusfahrer nicht.
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Es wird doch niemand gezwungen Auto zu fahren nur weil er einen Führerschein hat. Das Auto kann man auch stehen lassen mit im Schlafzimmerschrank verstautem "Lappen".
Wenn ich aus Altersgründen nicht mehr zum Schwimmen geh, erwartet schließlich auch niemand, dass ich meine Badehose in die Altkleidersammlung gebe.
Theoretisch kann immer auch mal ein Notfall auftreten, wo es auf einmal doch nochmal erforderlich sein könnte, dass "Opa" doch nochmal hinters Steuer muss. Dumm, wenn er dann einige Tage zuvor aus Blödheit seinen Lappen freiwillig abgegeben hat.
Die ganze mediale Prpaganda zur freiwilligen - oder am besten noch zwangsmäßigen - Abgabe von Führerscheinen ist echt miese Stimmungsmache gegen unsere Senioren, zumal im Zeitalter der selbstfahrenden Autos sich immer bessere Möglichkeiten zur Mobilität im Alter auftun werden!