
690 und 980 Gramm wiegen Hannah und Elisabeth bei der Geburt. Sie sind eineiige Zwillinge, teilen sich während der Schwangerschaft eine Plazenta. Das Risiko für Komplikationen bei solchen Schwangerschaften ist hoch: Wachstumsverzögerungen, Früh- oder Fehlgeburt. Am 30. Januar 2018 werden Hannah und Elisabeth geboren. Der eigentliche Termin wäre Ende April gewesen.
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Nach Angaben der Techniker Krankenkasse kommen pro Jahr neun Prozent aller Neugeborenen in Deutschland zu früh zur Welt. Für diese Frühchen gibt es Perinatalzentren, die auf die Betreuung von Schwangeren und Neugeborenen spezialisiert sind. Das Zentrum in Würzburg ist eines von 211 in Deutschland und gehört nach eigenen Angaben zu den größten in Bayern. "Die Eltern kommen aus einem Umkreis von 100 Kilometern zu uns", sagt Johannes Wirbelauer, Leitender Oberarzt der Universitätskinderklinik. Einmal im Jahr treffen sich die Familien der Frühgeborenen in Würzburg zu einem "Frühchenfest". So wie vergangenen Freitag.
Die Ärzte müssen im Bauch operieren
Hannah und Elisabeth gehörten mit ihrem Gewicht von weniger als 1500 Gramm zu den Hochrisikofrühgeborenen. Diese machen laut Wirbelauer einen Anteil von unter einem Prozent aus. "In der 18. Schwangerschaftswoche hat man festgestellt, dass sie Blut austauschen", erinnert sich ihr Vater Johannes Fischer. "Das heißt, dass ein Kind massiv wächst und eins verkümmert." Feto-fetales Transfusionssyndrom nennen die Ärzte das. Sie mussten operieren, trennten die Gefäßverbindungen zwischen den Kindern mit einem Laser. "Das machen maximal fünf Ärzte in Deutschland, wir mussten dafür nach Köln", sagt Fischer.

Die Operation lief gut. "Das war für mich ein einschneidender Moment, als die Ärzte nach der Laserung gesagt haben: Sie haben es überlebt. Es hätte also auch anders sein können", sagt Lisa Fischer. Zur Geburt wurde sie von Aschaffenburg nach Würzburg überwiesen, die Kinder kamen per Kaiserschnitt zur Welt.
Keine Unterschiede zu anderen Kindern
Auch nach der Geburt gab es Komplikationen. Hannahs Darm entzündete sich schwer, sie musste ein paar Mal operiert werden. "Aber dafür geht es ihr jetzt super", sagt Lisa Fischer. Elisabeth wurde nach drei Monaten entlassen, Hannah sechs Monate nach ihrer Geburt. "Wir haben uns natürlich gefreut, dass sie da sind, aber die Zeit war von sehr viel Sorge und Angst geprägt", sagt Johannes Fischer. "Es war eine Berg- und Talfahrt, wenn sie Stück für Stück fünf Gramm geschafft haben und dann wieder zehn Gramm mehr", sagt Lisa Fischer.
Heute wiegt Elisabeth 2970 Gramm, Hannah etwa 3400. Hannah hat einen Plattkopf und muss einen Helm tragen. "Brillen haben sie eigentlich auch, aber die mögen sie nicht", sagt Lisa Fischer und lacht. Unterschiede zu anderen Kindern bemerken sie kaum. "Höchstens motorisch, aber auch da kennen wir solche und solche Kinder", sagt Johannes Fischer.
Acht Monate nach der Geburt im Krankenhaus
Cordula Weiß war in der 32. Schwangerschaftswoche, als ihre Kinder im Frühjahr 2017 per Kaiserschnitt geboren wurden. Zu früh für die Eltern. "Das war ein ziemlicher Schock, wir hatten noch nicht mal die Namen", sagt Cordula Weiß. Alexander und Lucas, wie sie die Kinder schließlich nannten, wogen 1480 und 1250 Gramm. "Das waren für uns kleine Zwerge. Ich weiß, es gibt noch viel kleinere, aber das war nur eine Handvoll. Da hat man nichts in der Hand im Brutkasten."
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Schon während der Schwangerschaft vermuteten die Ärzte, dass Lucas' Speiseröhre unterbrochen ist. Dieser Verdacht bestätigte sich. Bis der Junge operiert werden konnte, dauerte es. "Es gab viele Sachen, die eine OP lange nicht zugelassen haben und es hat sehr lange gedauert, die Speiseröhre zusammenzuführen", sagt Christoph Weiß. Lucas wird über eine Magensonde ernährt, von April bis November 2017 war er im Krankenhaus.
Die Versorgung über die Nabelschnur reicht nicht aus
Alexander und Lucas fingen später an zu laufen als andere Kinder, in Bezug auf das Spielverhalten beobachteten die Eltern Ähnliches. Heute bemerken sie aber kaum noch Unterschiede. "Es wird zwar nie so sein, dass Lucas eine gesunde Speiseröhre hat. Wir sind aber zufrieden, dass sich alles so gut entwickelt hat", sagt Christoph Weiß.

An einem Mittwoch in der 24. Schwangerschaftswoche wurde Claudia Haas ins Krankenhaus eingewiesen. Der Frauenarzt hatte festgestellt, dass ihre Tochter nicht ausreichend über die Nabelschnur versorgt wird. "Für uns ist da wirklich eine Welt zusammengebrochen. Es gab vorher keine Komplikationen, das kam von heute auf morgen und eine Woche später war sie da", sagt Haas. 565 Gramm wog Emilia bei der Geburt am 14. September 2011. "Man hat ein Kind gesehen, das einem gar nicht ähnlich sieht, mit vielen Schläuchen, eher wie ein Barbie-Kind."
Mit einer Lungenentzündung wieder in die Klinik
Drei Monate lang wurde Emilia auf der Intensivstation behandelt, ihre Mutter wohnte in einer Wohnung direkt an der Universitätsklinik. In einem Tagebuch schrieb sie auf, wie ihre Tochter sich entwickelt. "Man wusste einfach nie, was einen erwartet. Hat sie einen Infekt bekommen? An einem Tag wog sie zehn Gramm mehr, am nächsten wieder zehn Gramm weniger.
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Etwas mehr als vier Monate nach der Geburt wurde Emilia mit 2400 Gramm entlassen. Sechs Wochen später bekam sie eine Lungenentzündung und musste erneut für acht Wochen in die Uniklinik. "Den ersten Spaziergang habe ich hier mit ihr gemacht, ein halbes Jahr nach der Geburt", sagt Claudia Haas. Heute hat die Siebenjährige alles aufgeholt, was ihr fehlte, sagt ihre Mutter. Wenn überhaupt, habe sie Probleme mit der Motorik gehabt. "Es ist für uns ein Wunder, dass sie sich so entwickelt hat. Sie ist ganz normal in der ersten Klasse und hält mit allen mit. Wir sind wirklich gut um alles herum gekommen."