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Würzburg
Wie eine Würzburger Gemeinde Hoffnung ins Flüchtlingscamp Elenoas trägt
Die Sant'Egidio Gemeinde aus Würzburg besuchte Familien im Flüchtlingscamp Elenoas. Wie sie für die Kinder einen Zufluchtsort aus dem Campalltag geschaffen haben.
Mohamad Albdewi von der Sant'Egidio Gemeinde Würzburg hat den Kindern im Camp Elenoas Hoffnung gebracht.
Foto: Sant'Egidio Gemeinde | Mohamad Albdewi von der Sant'Egidio Gemeinde Würzburg hat den Kindern im Camp Elenoas Hoffnung gebracht.
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:09 Uhr

Es sind schreckliche Schilderungen, die aus Angelika Wagners Mund kommen. "Wir haben eine Mutter von Zwillingen kennengelernt, ihre neunjährige Tochter ist in einem Camp zweimal sexuell missbraucht wurden und spricht seitdem nicht mehr", erzählt die ehrenamtliche Helferin der Sant'Egidio Gemeinde. "Jetzt soll sie zurück in den Kongo gehen. Wie soll sie das alleine schaffen?" 

Keiner der Anwesenden hat eine Antwort auf die Frage und es herrscht eine Weile Stille im Raum. Nicht diese Art von Stille, die einen dazu drängt etwas zu sagen – diese fühlt sich richtig an, als müsste sie ewig anhalten, um dem Gehörten den verdienten Raum zu geben. Jeder scheint seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Irgendwann ergänzt Wagner leise: "Ich habe selten jemanden mit so wenig Hoffnung gesehen."

Ein erster Besuch im Camp Eleonas

Angelika Wagner ist eine von 22 ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen der Sant'Egidio Gemeinde in Würzburg. Zusammen mit Franziska Müller, Mohamad Albdewi und 19 weiteren Ehrenamtlern war sie Anfang August im Flüchtlingslager Elenoas in Athen. Jetzt sind sie zurück in Würzburg und erzählen von ihren Erlebnissen und Eindrücken. Die Gemeinde Sant'Egidio engagiert sich seit mehreren Jahren für Geflüchtete, hilft ihnen beim Lernen der Sprache und Einleben in die neue Heimat. Auch die Arbeit vor Ort in den Flüchlingscamps ist ein wichtiger Bestandteil. Mehrere Male war die Gemeinde bereits im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. In diesem Jahr haben sie zum ersten Mal das Camp Eleonas in Athen besucht. 

Die Sant'Egidio Gemeinde aus Würzburg half in Athen Kindern beim Lernen von Lesen, Schreiben und Englisch.
Foto: Sant'Egidio Gemeinde | Die Sant'Egidio Gemeinde aus Würzburg half in Athen Kindern beim Lernen von Lesen, Schreiben und Englisch.

Vor Ort hat das Team um Angelika Wagner ein Ferienprogramm für Kinder gestaltet und vor allem Mathe, Englisch, Lesen und Schreiben mit ihnen gelernt. Abwechselnd mit anderen Teams versucht die Gemeinde Sant'Egidio vor Ort, Kontakte zu offiziellen Stellen zu knüpfen und auf das Schicksal der Menschen aufmerksam zu machen. 

Das Festland von Griechenland - Warteschleife und Endstation

Es liegt auf einem stillgelegten Industriegelände mitten in Athen. Die Gegend ist dreckig und Touristen verlaufen sich so gut wie nie in diesen Stadtteil. Von dem einstigen Vorzeigecamp für Geflüchtete ist nicht mehr viel übrig geblieben. Elenoas galt als Camp mit hohen Standards, wie fließend Wasser, Containerwohnungen und Klimanalgen. Mittlerweile sei es ein trostloser Ort ohne Hoffnung, beschreibt Franziska Müller ihre Eindrücke vor Ort. Vor dem großen Brand im Camp Moria auf Lesbos, waren es die Unterkünfte auf den Inseln, die überfüllt waren. Doch die Strategie habe sich geändert, erklärt Müller. Nach dem Brand im Camp Moria auf Lesbos, reagierte die griechische Regierung auf die Kritik an dem überfüllten Lager. Die Geflüchteten wurden in Camps auf dem Festland weitergeleitet, um die Inseln zu entlasten.

"Was wir gesehen haben und erzählen, das passiert hier in Europa. In der Wiege der Demokratie."
Franziska Müller, ehrenamtliche Mitarbeiterin der Sant'Egidio Gemeinde

Was im ersten Moment wie eine Verbesserung klingt, ist für die Menschen auf der Flucht ein Alptraum: "Die Menschen haben gedacht, wenn sie aufs Festland kommen, dann erreichen sie endlich ihr Ziel, dann kommen sie nach Europa und jetzt hängen sie dort fest", erklärt Wagner betroffen. Das mache sich vor allem an der Stimmung im Camp bemerkbar. "In Moria hat man noch diese Hoffnung der Menschen gespürt, die Hoffnung, dass es weiter geht. Bei all dem Schrecklichen dort, hatten sie immer noch den Gedanken durchzuhalten und danach anzukommen", resümiert sie.

Die Menschen werden erfinderisch

Ankommen in Europa - in Elenoas scheint niemand mehr an diesen Traum zu glauben. Gestrandet in einem Camp, das auf eine so hohe Zahl von Bewohnerinnen und Bewohnern nicht ausgelegt ist, werden die Menschen erfinderisch. Zwischen Containern und kleinen Holzhütten sind überall Zelte aufgeschlagen oder Decken über Stöcke gespannt. "Man denkt nicht, dass dort jemand wohnt, bis man jemand aus den Zelten herauskommen sieht", beschreibt Wagner die Lage vor Ort. 

Vom Standard und der Ausstattung sei das Camp zwar besser als sie es in Moria erlebt haben, doch die trostlose Stimmung sei für alle spürbar gewesen. "In Moria sind uns die Menschen entgegengelaufen und wollten wissen wer wir sind, haben mit uns gesprochen und uns begrüßt.", erzählt Mohamad Albdewi.

Das Camp Elenoas in Athen ist überfüllt. Die Menschen bauen sich notgedrungen ihre eigenen Unterkünfte.
Foto: Sant'Egidio Gemeinde | Das Camp Elenoas in Athen ist überfüllt. Die Menschen bauen sich notgedrungen ihre eigenen Unterkünfte.

Als ehemaliger Flüchtling mit Hoffnung im Gepäck zurück ins Camp

Wenn Albdewi bei seiner Arbeit für die Sant'Egidio Gemeinde in Camps, wie das in Athen fährt, ist es für ihn eine Reise in seine Vergangenheit. Vor sechs Jahren ist er selbst von Syrien nach Deutschland geflohen und weiß genau, was die Menschen vor Ort brauchen: "Essen und Trinken haben sie, dafür ist gesorgt. Aber ein Lächeln bekommen sie selten", erklärt er. Er spricht aus Erfahrung. Nie werde er den Moment vergessen, als er selbst auf dem Boden in Moria saß und eine Frau ihm ein Stück Wassermelone zugeworfen habe - ohne Lächeln, ohne Empathie. "Ich habe mich in dem Moment so klein gefühlt, als wäre ich nichts wert", erinnert er sich. Solche Erfahrungen sind es, die Albdewi heute bei seiner Arbeit mit Geflüchteten helfen. "Dieses Lächeln ist ein Zeichen, dass man als Mensch gesehen wird und zur gleichen Welt gehört", erklärt er. 

Von dem einstigen Vorzeigecamp Elenoas in Athen ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Foto: Sant'Egidio Gemeinde | Von dem einstigen Vorzeigecamp Elenoas in Athen ist nicht mehr viel übrig geblieben.

Aber nicht nur ein Lächeln möchte er den Menschen schenken, sondern auch Hoffnung. Er habe gemerkt, wie bei den Menschen im Camp Stück für Stück der Glaube an eine Zukunft in Europa verstummt. In solchen Momenten sei er auf die Menschen zugegangen und habe ihnen gesagt: "Vor sechs Jahren, war ich an der gleichen Stelle wie du und ich habe es auch geschafft". Mittlerweile lebt Mohamad Albdewi in Deutschland und hat eine Ausbildung begonnen.  Was er geschafft hat, davon träumen die Menschen in Elenoas. Damit diese Träume wahr werden können, setzen sich die Teams der Sant'Egidio Gemeinde weiter für die Menschen ein, reisen zu den Camps vor Ort und tragen ihre Geschichten in die Welt hinaus.

Die Arbeit der Sant'Egidio Gemeinde im Camp Elenoas

Im August 2021 ist ein Team der Sant'Egidio Gemeinde in das Flüchtlingscamp Elenoas in Athen gereist. Das Team aus 22 jungen Erwachsenen mit sechs Würzburger Mitgliedern hat vor Ort eine "Schule des Friedens" eingerichtet. Täglich haben sie 150 Kinder im Alter von fünf bis zwölf aus dem Camp abgeholt und in ein nahegelegenes Kloster gebracht. Bei den älteren Kindern stand vor allem das Lernen und der Unterricht im Vordergrund. Mit den Kleineren wurde viel gebastelt und gespielt. Da viele afrikanische Mädchen im Camp abfällige Bemerkungen über ihre Hautfarbe ertragen müssen, hat Franziska Müller das Projekt "Rassismus" eingebracht. Dabei wurde ein buntes Plakat mit Handabdrücken aller Mädchen unter der Überschrift "Everyone is beautiful" gebastelt. Bei verschiedenen Fußballspielen stand das Motto "Fair-Play" im Vordergrund und die Kinder haben gelernt, sich untereinander mit Respekt zu begegnen. 
gith
 
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