
Wer einen Kredit aufnimmt, bekommt das Geld von der Bank. So läuft das in klassischen Fällen. Seit gut fünf Jahren gibt es in Würzburg eine Variante der Finanzierung, die in dieser Form mittlerweile bundesweit Kreise zieht: Der Kredit kommt nicht von einer Bank, sondern von einer Menschenmenge. Und dahinter steht wiederum ein genossenschaftlicher Gedanke.
Menschenmenge heißt auf Englisch Crowd. Und so hat das, was die Volksbank Raiffeisenbank (VR) Würzburg im September 2018 auf die Beine gestellt hat, den Namen VR-Crowd. Funktion: Ein Unternehmen macht ein Vorhaben und damit dessen Finanzierungsbedarf öffentlich. Wer will, kann diesem Unternehmen einen Betrag ab 250 Euro geben, der verzinst und später zurückgezahlt wird.
Was den VR-Verbund bei Crowdinvesting ausmacht
Diese Kapitalspritze aus vielen Quellen wird von der VR-Crowd GmbH mit ihren acht Beschäftigten verwaltet, einer Tochtergesellschaft der VR-Bank Würzburg. Für Geschäftsführerin Kerstin Amend-Maar ist das Besondere, dass sich mittlerweile 42 der etwa 700 VR-Banken in Deutschland dem Würzburger Modell angeschlossen haben.
Dieser Verbund passe zum traditionellen Genossenschaftsgedanken der VR-Banken: Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele. Zwar gibt es in Deutschland viele Crowdinvesting-Angebote. Doch nicht mit dem Zusammenspiel mehrerer Banken, betont Amend-Maar.
Worin VR-Crowd den eigenen Profit sieht
Reiner Selbstzweck soll das Modell für VR-Crowd nicht sein. Den Profit sieht man in der Chefetage der Würzburger Bank vielmehr darin, doch an das eine oder andere klassische Darlehen für Unternehmerkunden zu kommen.
Denn mitunter seien Kreditanfragen von Unternehmen erst einmal zu riskant, weil Eigenkapital fehle, sagte Vorstandsmitglied Claus Reder in einem Interview mit dem bayerischen Genossenschaftsblatt "Profil". "Wenn wir aber einen Teil der Finanzierung an die Crowd geben", dann könne die VR-Bank schon eher einen klassischen Kredit zur Finanzierung des Vorhabens vergeben.

Dass mittlerweile VR-Banken von Sylt bis Starnberg bei VR-Crowd mitmachen, hat dazu geführt, dass auch Projekte weit weg von Würzburg und Mainfranken mit einer Finanzierung aus der Masse unterstützt werden. Darunter sind zum Beispiel große Wohnungsbauvorhaben in München, Berlin oder Herne. Die Projektträger dort wandten sich jeweils an ihre VR-Banken vor Ort, die das Finanzierungsbegehren dann an VR-Crowd in Würzburg weiterreichten.
Sinn von VR-Crowd sei es auch, so Amend-Maar, regionale Unternehmen zu unterstützen. Wie im Fall des Rhön-Park-Hotels in Roth (Lkr. Rhön-Grabfeld), wo es um eine Million Euro aus der Crowd geht. Damit will Geschäftsführer und Hoteldirektor Ben Baars zwei der 17 Gästehäuser herrichten lassen.
Beispiel Rhön-Park-Hotel: So läuft VR-Crowd
Das geschehe im Zuge einer seit 2017 und noch bis 2027 laufenden Sanierung des gesamten Hotelgeländes nahe der Rother Kuppe in der Rhön. Für den aktuellen Abschnitt habe sein Unternehmen 9,7 Millionen Euro an Kosten kalkuliert. 2,1 Millionen davon werde mit Eigenkapital gestemmt. 6,6 Millionen mit klassischen Krediten, die restliche Million wiederum komme via VR-Crowd, erklärt Baars.
Für ihn hat diese Schwarmfinanzierung einen positiven Nebeneffekt: Auf seine Anregung hin hätten 20 seiner 130 Hotelbeschäftigten Geld in das VR-Crowd-Angebot eingezahlt. Das steigere die Verbundenheit der Belegschaft mit dem Unternehmen, ist sich Baars sicher. "Ich würde das mit VR-Crowd jederzeit wieder machen."
Auch das eigene Personal kann Geld anlegen
Dass sich das Personal an der Crowdfinanzierung des eigenen Betriebs beteiligt, "das haben wir häufig", ergänzt Bankerin Amend-Maar. Nach Angaben der VR-Crowd GmbH wurden in den vergangenen fünfeinhalb Jahren für gut 50 Projekte 55 Millionen Euro Kapitalbedarf über das Modell finanziert. Die Anlegerinnen und Anleger investieren im Schnitt knapp 5800 Euro.
Generell liegen die Zinsen bei ungefähr 5 bis 8 Prozent, im Fall des Rhön-Park-Hotels bei 7,5 Prozent. Die Zinshöhe hänge vom Projekt ab, so Amend-Maar. Außerdem würden die Quoten an das allgemeine Zinsniveau angepasst. Und das steigt bekanntlich wieder – nach Jahren mit Niedrigzinsen.
Was es mit Nachrangdarlehen bei VR-Crowd auf sich hat
Wer Geld bei VR-Crowd anlegt, gibt ein sogenanntes Nachrangdarlehen an den Projektträger. Das bedeutet: Geht diese kreditnehmende Firma pleite, stehen die Anleger mit ihren Forderungen erst einmal in der hinteren Reihe. Vorrangig ausbezahlt werden zum Beispiel Lieferanten der Firma. Auf der anderen Seite müsse der Kreditnehmer für das Nachrangdarlehen keine Sicherheiten hinterlegen, so Amend-Maar.
Wird ein Projekt in den Katalog von VR-Crowd aufgenommen, dann beginnt eine Einzahlphase über vier Wochen. Doch nach Darstellung von Amend-Maar ist der Topf oft schon viel früher voll.
Innerhalb weniger Stunden war der Crowd-Topf voll
Vor dieser Einzahlphase konnten Rhön-Park-Beschäftigte vorrangig ihr Geld einzahlen. Annähernd 200.000 Euro kamen laut Amend-Maar auf diese Weise zusammen. Im vergangenen Dezember wurde das Vorhaben von VR-Crowd schließlich veröffentlicht. "Nach nur vier Stunden" seien die restlichen 800.000 Euro von anderen Anlegerinnen und Anlegern eingegangen, so die Geschäftsführerin. Ein Tempo, das es bei anderen Vorhaben auch schon gegeben habe.
Garant dieses Erfolgs sei der Newsletter, den VR-Crowd laut Amend-Maar an etwa 10.000 Empfängerinnen und Empfänger schickt. Neue Projekte werden dort vorgestellt, so dass die Interessierten sofort reagieren können.
Nach den Worten der Geschäftsführerin ist es noch nie vorgekommen, dass die Mindestschwelle eines Projekts nicht erreicht wurde – im Fall des Rhön-Park-Hotels waren das 500.000 Euro, also die Hälfte des angemeldeten Kapitalbedarfs. Werde eine Schwelle doch einmal nicht überschritten, werde das Vorhaben bei VR-Crowd gestrichen und die Anleger bekämen ihr Geld zurück, so Amend-Maar.