Als sich am 3. Mai 1910 der Halley´sche Komet (benannt nach dem britischen Astronomen Edmund Halley) der Erde näherte, redete man über diese alle 76 Jahre wiederkehrende Erscheinung als eine Art Weltuntergang. Der Komet werde auf die Erde stürzen und sie zerstören, mahnten damalige Verschwörungstheoretiker. Dieses Schauspiel wollten sich auch 29 junge Höchberger nicht entgehen lassen und machten sich auf zum "Kreuzle" oberhalb Höchbergs, um den Weltuntergang zu erleben. Als die Welt dann doch nicht unterging, so berichten alte Quellen, schlichen sie zurück ins Dorf in die Garküche von Tante Klara, dem späteren Gasthaus Hofmann und ersäuften die Glücksgefühle mit Alkohol.
Die Garküche wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Aquilin Spiegel errichtet und war im Jahr 1910 die drittälteste Wirtschaft in Höchberg. Hier kam es dann spontan zur Gründung eines der ältesten Männerstammtische Deutschlands, der Tischgesellschaft "Die Schleicher". Seitdem besteht er ununterbrochen. Der Name kommt wahrscheinlich aus dem Volksmund, der die nicht erfolgreichen Zuschauer des Weltuntergangs in die Wirtschaft schleichen gesehen haben wollten. Auf jeden Fall überstand der Stammtisch, der sich grundsätzlich nur aus Männern zusammensetzt, viele Unwägbarkeiten der Geschichte.
13 Gebote für Schleicher
Aktuell hat man 30 Mitglieder und drei "Verkehrsgäste", also Anwärter auf die Mitgliedschaft. Die müssen sich innerhalb von zwei Jahren bewähren und können dann auf Vorschlag des jeweiligen Paten in die Tischgesellschaft aufgenommen werden. Jüngstes Mitglied ist Stefan Hupp (28), das älteste Elmar Hofmann (85). Mit 67 Jahren Mitgliedschaft ist er der Schleicher-Älteste und übertrumpft damit das Gründungsmitglied Peter Neumann sogar um ein Jahr.
In 13 Geboten ist festgehalten, wie man sich als Schleicher zu verhalten hat. Schon in der Präambel steht: "Schleicher sein, das ist viel mehr als nur ein Mensch so nebenher. Ein Schleicher ist ein Kamerad, der Menschliches mit Frohsinn paart". Und weiter: "Ein sauberer persönlicher Lebenswandel und ein ausgeprägter Sinn für Humor und frohe Laune sind Voraussetzungen für die Aufnahme im Stammtisch. Das Gleiche wird von den Familienangehörigen gewünscht". Erkennungszeichen der Schleicher sind Frack und Zylinder, die bei jeder festlichen Veranstaltung getragen werden. Dazu gehört die jährliche Generalversammlung genauso, wie die anlässlich eines runden Geburtstages stattfindenden Fackelzüge durch Höchberg.
Stammtisch, Ausflüge, Faschingsbälle
Aus dem gesellschaftlichen Leben von Höchberg sind die Schleicher nicht wegzudenken. So veranstaltete man das erste Mal Fasching in Höchberg mit Umzug und Schleicherprinzenpaar im Jahre 1953. Hierbei war der damalige Vorstand Prinz ("Prinz Oskar I. der Schleicher zu Höchberg und Prinzessin Erna I. zu Höchberg, traten in Rabenburg zu Greifenklau in der freien Republik Krakau ihre Regentschaft an") und der Ältestenrat der Schleicher waren die Hofnarren, wozu jeder eine Aufgabe bekam (für Stimmung sorgen, Eheverfolgte beherbergen, für ausreichend "Fleischbeschauung" sorgen, nur feinsten Alkohol ausschenken, für Musik sorgen). Bereits im Jahr 1928 sollen die Schleicher die ersten Faschingsbälle ausgerichtet haben, wie in der gut geführten Chronik nachzulesen ist.
Dieser Ball wird noch heute jedes Jahr durchgeführt, so Achim Dindorf. Er ist aktuell der 21. Vorstand des Stammtisches und bildet zusammen mit Christian Riegel und Heiner Memmel das Vorstandsgespann. Kassier ist Hermann Berst und Schriftführer Andreas Seltsam. Neben den Aktivitäten zu Fasching gibt es jeden Monatsersten Sonntag einen Stammtisch in wechselnden Höchberger Lokalitäten und verschiedene Familienausflüge oder Mehrtagesfahrten. Gut etabliert haben sich die Federweißenabende oder das gemeinsame Schlachtschüsselessen. Hier sind dann auch Familienangehörige und Freunde willkommen.
Aktuell virtueller Stammtisch via Internet
Tradition hat am Dreikönigstag die Wanderung zum Schleicherstein nach Eisingen. Am westlichen Ortsausgang erinnert ein Gedenkstein an einen Verkehrsunfall im Jahr 1927, mit einem voller Schleicher besetzten Taxi, die damals unverletzt blieben.
Leider, so Dindorf, sind derzeit alle Aktivitäten auf Eis gelegt, so auch der Festkommers zum Jubiläum oder Stammtische und Ausflüge. Doch die Schleicher sind erfindungsreich und veranstalteten bereits einen virtuellen Stammtisch via Internet – natürlich passend mit original "Schleicherbier" einer kleinen oberfränkischen Brauerei, die man 2014 entdeckt hatte. Man hofft auf den Herbst, wenn man sich wieder gesellig treffen kann und wie die Gründungsväter zusammen das Schleicherlied mit seinen fünf Strophen singen kann.