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Würzburg
Wie der Mensch die Musik erfand: Öffentliche internationale Tagung mit Konzert und Ausstellung in Würzburg
Erstmals treffen sich an einer deutschen Universität Forschende aus aller Welt, um eine zentrale Menschheitsfrage zu diskutieren: Wie hat der Mensch die Musik erfunden?
Im Vordergrund der Nachbau einer antiken Kithara, im Hintergrund die Gastgeber der internationalen musikarchäologischen Tagung, von links: Altorientalistin Dahlia Shehata, Archäologe Florian Leitmeir und Oliver Wiener, Kustos der Musikinstrumentensammlung.
Foto: Ulises Ruiz Diaz | Im Vordergrund der Nachbau einer antiken Kithara, im Hintergrund die Gastgeber der internationalen musikarchäologischen Tagung, von links: Altorientalistin Dahlia Shehata, Archäologe Florian Leitmeir und Oliver ...
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 29.09.2023 03:00 Uhr

Erstmals treffen sich an einer deutschen Universität Forschende unterschiedlichster Disziplinen, um eine zentrale Menschheitsfrage zu diskutieren: Wie und wann hat der Mensch die Musik erfunden? Vom 25. bis 29. September werden rund 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa, Amerika, Asien und Afrika zu einem Symposium an der Universität Würzburg erwartet. Die Veranstaltungen im Toscana-Saal der Residenz sind für das Publikum offen, es werden außerdem ein Konzert und eine Ausstellung angeboten. Im Gespräch erklären der Musikarchäologe Florian Leitmeir und die Altorientalistin Dahlia Shehata, worum es geht.

Herr Leitmeir, ab wann spricht man in der Menschheitsgeschichte von Musik?

Florian Leitmeir: Das ist eine schwierige Frage. Sicher können wir sagen, dass der Mensch mit Klängen vertraut war und diese bewusst erzeugt hat. Sei es zur Unterhaltung oder, um auf der Jagd Tiere anzulocken. Die Musikarchäologie beschäftigt sich nun mit Klangwerkzeugen. Bei den produzierten Tönen könnte man dann von einer frühen Musik sprechen. Aber es ist sehr schwer zu sagen, wann genau das anfängt. Man kann aber davon ausgehen, dass mit dem Beginn der Herstellung von Werkzeugen der Mensch auch Laute mit technischen Hilfsmitteln erzeugt hat. Für die Forschung gibt es unterschiedlichste Ansätze, und dabei haben sicher viele praktische Beobachtungen eine Rolle gespielt, etwa, dass die unterschiedlich gespannte Sehne des Bogens unterschiedliche Tonhöhen erzeugt.

Was ist das älteste Gerät zur Klangerzeugung, das wir kennen?

Dahlia Shehata: Wir wissen, dass nichtsprachliche Kommunikation - also Musik - auch schon beim Neandertaler stattgefunden hat, also um 50.000 vor Christus. Allerdings wird diskutiert, ob er schon künstliche Objekte geschaffen hat, die Klang machen. In Slowenien wurde der Oberschenkelknochen eines Bären gefunden, und der hat Löcher. Da wird wild diskutiert: Ist das schon ein Musikinstrument oder sind die Löcher durch den Biss eines Raubtiers entstanden?

Praktische Forschung: Archäologe Florian Leitmeir testet, wie ein Waqra phuku klingt, wie es die indigenen Völker der Anden, die Inka etwa, verwendeten.
Foto: Ulises Ruiz Diaz | Praktische Forschung: Archäologe Florian Leitmeir testet, wie ein Waqra phuku klingt, wie es die indigenen Völker der Anden, die Inka etwa, verwendeten.
Was ist denn das erste gesicherte Instrument?

Shehata: Ganz sicher können wir um 38.000 vor Christus von Musikinstrumenten sprechen, in der Altsteinzeit, dem Paläolithikum. In Höhlen in der Schwäbischen Alb hat man Blasinstrumente gefunden, Flöten oder Schalmeien. Die sind sehr kunstvoll aus Knochen gemacht, die ausgehöhlt und aneinandergeklebt wurden. Das sind die frühesten bekannten Musikinstrumente, wir müssen aber davon ausgehen, dass nicht alle Klangwerkzeuge es bis in unsere Zeit geschafft haben.

"Um 2700 vor Christus gab es im westasiatischen Raum schon komplexe Saiteninstrumente."
Dahlia Shehata
Kann man auf diesen Flöten spielen?

Shehata: Darüber gibt es sehr viel Forschung. Die Instrumente werden rekonstruiert und nachgebaut. Man kann tatsächlich Töne darauf spielen, die unseren Halb- und Ganztonschritten ähneln. Aber gerade auf Blasinstrumenten kann man durch verschiedenen Spieltechniken eine große Bandbreite an Tönen herstellen.

Die Physik gibt ja mit der Naturtonreihe ein System vor. Weiß man, wann der Mensch die entdeckt hat?

Shehata: Es reicht ja, ein Rohr anzublasen, um Obertöne entstehen zu lassen. Bekannt war das sicher schon sehr früh. Die Frage ist, wann man gelernt hat, diese natürlichen Klänge künstlich zu erweitern. Eben durch Löcher in der Flöte.

Dahlia Shehata mit einer Harfe.
Foto: Archivfoto Thomas Obermeier | Dahlia Shehata mit einer Harfe.
Wie ging die Entwicklung weiter?

Shehata: Um 2700 vor Christus gab es im westasiatischen Raum schon komplexe Saiteninstrumente, und aus schriftlichen Quellen 500 Jahre später wissen wir, dass es ein Tonsystem mit Halb- und Ganztonschritten gab. Das heißt aber noch lange nicht, dass die nur in diesem System gespielt haben. Sie hatten sicher auch Viertel- und Dreivierteltöne.

"Antike Darstellungen sind wichtige Quellen für die Rekonstruktion von Musikinstrumenten."
Florian Leitmeir
Welche Rolle spielen bildliche Darstellungen für Ihre Forschung?

Leitmeir: Das sind wichtige Quellen für die Rekonstruktion von Musikinstrumenten, gerade, wenn diese nur in Bruchstücken erhalten sind. Natürlich stellt ein antikes Bild keine fotografische Dokumentation dar. Aber man sieht, wie so ein Instrument im Ganzen ausgesehen hat, wie es gehalten und gespielt wurde und besonders, zu welchen Anlässen es zum Einsatz kam.

Welche Veranstaltungen des Symposiums empfehlen Sie für Laien ?

Leitmeir: Am Montag ab 16.30 Uhr stellt Benjamin Spies vom Mainfränkischen Museum eine mittelalterliche Flöte vor, die in Würzburg gefunden wurde. 
Shehata: Am Mittwochabend gibt es um 19.30 Uhr ein Konzert, in dem unterschiedlichste Lauten vorgestellt werden. Am Donnerstag, 20 Uhr, stellen Musikarchäologen nachgebaute Instrumente vor. Das ist immer sehr spannend und oft auch lustig. 

Internationales Musikarchäologisches Symposium, 25. bis 29. September, Universität Würzburg, Toscana-Saal. Tagsüber Präsentationen, Workshops, Vorträge; Dienstag bis Mittwoch jeweils Abendveranstaltungen. Begleitausstellung "Instruments and Animals" mit Tiermaterialien und -darstellungen im Zusammenhang mit Musik.

 
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  • Peter Howora
    Ich empfehle dazu, das Buch ddes US-amerikanischen Klangforschers Bernie Krause "Das große Orchester der Tiere" zu lesen und auf Youtube seine Vorträge anzuhören. Bayerischer Rundfunk und Deutschlandfunk haben ebenfalls Beiträge über ihn gesendet.
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