Erstmals treffen sich an einer deutschen Universität Forschende unterschiedlichster Disziplinen, um eine zentrale Menschheitsfrage zu diskutieren: Wie und wann hat der Mensch die Musik erfunden? Vom 25. bis 29. September werden rund 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa, Amerika, Asien und Afrika zu einem Symposium an der Universität Würzburg erwartet. Die Veranstaltungen im Toscana-Saal der Residenz sind für das Publikum offen, es werden außerdem ein Konzert und eine Ausstellung angeboten. Im Gespräch erklären der Musikarchäologe Florian Leitmeir und die Altorientalistin Dahlia Shehata, worum es geht.
Florian Leitmeir: Das ist eine schwierige Frage. Sicher können wir sagen, dass der Mensch mit Klängen vertraut war und diese bewusst erzeugt hat. Sei es zur Unterhaltung oder, um auf der Jagd Tiere anzulocken. Die Musikarchäologie beschäftigt sich nun mit Klangwerkzeugen. Bei den produzierten Tönen könnte man dann von einer frühen Musik sprechen. Aber es ist sehr schwer zu sagen, wann genau das anfängt. Man kann aber davon ausgehen, dass mit dem Beginn der Herstellung von Werkzeugen der Mensch auch Laute mit technischen Hilfsmitteln erzeugt hat. Für die Forschung gibt es unterschiedlichste Ansätze, und dabei haben sicher viele praktische Beobachtungen eine Rolle gespielt, etwa, dass die unterschiedlich gespannte Sehne des Bogens unterschiedliche Tonhöhen erzeugt.
Dahlia Shehata: Wir wissen, dass nichtsprachliche Kommunikation - also Musik - auch schon beim Neandertaler stattgefunden hat, also um 50.000 vor Christus. Allerdings wird diskutiert, ob er schon künstliche Objekte geschaffen hat, die Klang machen. In Slowenien wurde der Oberschenkelknochen eines Bären gefunden, und der hat Löcher. Da wird wild diskutiert: Ist das schon ein Musikinstrument oder sind die Löcher durch den Biss eines Raubtiers entstanden?
Shehata: Ganz sicher können wir um 38.000 vor Christus von Musikinstrumenten sprechen, in der Altsteinzeit, dem Paläolithikum. In Höhlen in der Schwäbischen Alb hat man Blasinstrumente gefunden, Flöten oder Schalmeien. Die sind sehr kunstvoll aus Knochen gemacht, die ausgehöhlt und aneinandergeklebt wurden. Das sind die frühesten bekannten Musikinstrumente, wir müssen aber davon ausgehen, dass nicht alle Klangwerkzeuge es bis in unsere Zeit geschafft haben.
Shehata: Darüber gibt es sehr viel Forschung. Die Instrumente werden rekonstruiert und nachgebaut. Man kann tatsächlich Töne darauf spielen, die unseren Halb- und Ganztonschritten ähneln. Aber gerade auf Blasinstrumenten kann man durch verschiedenen Spieltechniken eine große Bandbreite an Tönen herstellen.
Shehata: Es reicht ja, ein Rohr anzublasen, um Obertöne entstehen zu lassen. Bekannt war das sicher schon sehr früh. Die Frage ist, wann man gelernt hat, diese natürlichen Klänge künstlich zu erweitern. Eben durch Löcher in der Flöte.
Shehata: Um 2700 vor Christus gab es im westasiatischen Raum schon komplexe Saiteninstrumente, und aus schriftlichen Quellen 500 Jahre später wissen wir, dass es ein Tonsystem mit Halb- und Ganztonschritten gab. Das heißt aber noch lange nicht, dass die nur in diesem System gespielt haben. Sie hatten sicher auch Viertel- und Dreivierteltöne.
Leitmeir: Das sind wichtige Quellen für die Rekonstruktion von Musikinstrumenten, gerade, wenn diese nur in Bruchstücken erhalten sind. Natürlich stellt ein antikes Bild keine fotografische Dokumentation dar. Aber man sieht, wie so ein Instrument im Ganzen ausgesehen hat, wie es gehalten und gespielt wurde und besonders, zu welchen Anlässen es zum Einsatz kam.
Leitmeir: Am Montag ab 16.30 Uhr stellt Benjamin Spies vom Mainfränkischen Museum eine mittelalterliche Flöte vor, die in Würzburg gefunden wurde.
Shehata: Am Mittwochabend gibt es um 19.30 Uhr ein Konzert, in dem unterschiedlichste Lauten vorgestellt werden. Am Donnerstag, 20 Uhr, stellen Musikarchäologen nachgebaute Instrumente vor. Das ist immer sehr spannend und oft auch lustig.
Internationales Musikarchäologisches Symposium, 25. bis 29. September, Universität Würzburg, Toscana-Saal. Tagsüber Präsentationen, Workshops, Vorträge; Dienstag bis Mittwoch jeweils Abendveranstaltungen. Begleitausstellung "Instruments and Animals" mit Tiermaterialien und -darstellungen im Zusammenhang mit Musik.