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Würzburg
Anfassen erlaubt! Im Museum in der Residenz wird es jetzt laut
Kithara, Sistren, Doppelflöten: Im Uni-Museum gehen die Altertumswissenschaftler in einer tollen Ausstellung dem Klang der Antike nach. Die Besucher dürfen laut werden.
Wie klang die Antike? Kustos Oliver Wiener, Altorientalistin Dahlia Shehata und Archäologe Florian Leitmeir mit dem Nachbau einer Kithara im Martin von Wagner Museum.
Foto: Thomas Obermeier | Wie klang die Antike? Kustos Oliver Wiener, Altorientalistin Dahlia Shehata und Archäologe Florian Leitmeir mit dem Nachbau einer Kithara im Martin von Wagner Museum.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:08 Uhr

Diese Töne. Dieser Klang. Schon am ersten Tisch, im ersten Raum gleich neben dem Eingang, ist man hin und weg. Unglaublich. So kann Feuerstein klingen? So haben vor 13 000 Jahren unsere Urururururahnen in Südfrankreich . . . musiziert?

Die acht großen, langen Stücke, die man in einer Höhle fand, entsprachen nicht den bekannten Formen von Werkzeug aus der Altsteinzeit. Zu groß sind sie, um sie gut in der Hand zu halten. Und wieso lagen sie so sauber aufgereiht nebeneinander? Die Erklärung der Archäologen geht eindrucksvoll direkt ins Ohr: ein Lithophon, ein Xylophon statt aus Holz aus Stein! Geschaffen aus Flint, der – wenn besonders behauen – einfach unglaublich klar und schön klingt.

Musizieren wie Menschen vor tausenden von Jahren: Schlagwerk aus Feuerstein.
Foto: Thomas Obermeier | Musizieren wie Menschen vor tausenden von Jahren: Schlagwerk aus Feuerstein.

Und im Martin-von-Wagner-Museum der Würzburger Universität in der Residenz kann man das jetzt hören. Und selbst ausprobieren, wie vor über 10 000 Jahren Musik gemacht wurde. Was für ein zarter Klang! Dabei wollen die Kuratoren in diesem ersten kleinen Raum eigentlich nur hinführen zum Thema dieser neuen, besonderen Ausstellung, zum „Klang der Antike“. Und den Besucher gedanklich abholen, bevor es richtig losgeht mit orientalischen Tonrasseln und ägyptischen Lauten, mit hetitischen Leiern, griechischen Kitharas, römischen Flöten und Wasserorgeln.

Also erst die Anfänge: Hörner, Schraper, Rasseln, Trommelschlegel aus Knochen, Muscheln, Elfenbein oder Geweih. Die ältesten Musikinstrumente der Welt – nach heutigem Stand jedenfalls – sind in diesem Raum zu erleben: die berühmten Vogelknochenflöten und Klarinetten von der Schwäbischen Alb, rund 38 000 Jahre alt. Ja sicher, es sind nicht die Originale, die liegen gut verwahrt an der Universität Tübingen. Aber es sind Repliken.

"Wir wollen, dass Klänge erzeugt werden."
Ausstellungsmacherin Dr. Dahlia Shehata

Und deshalb, nur hineingeblasen! Die drei Kuratoren – Dr. Dahlia Shehata, Dr. Florian Leitmeir und Dr. Oliver Wiener – ermutigen geradezu: Als Besucher soll man auf der Knochenflöte oder dem Steinzeit-Schlagwerk ruhig selbst mal spielen. Wobei ruhig – es wird laut werden im Museum.

„Wir wollen, dass Klänge erzeugt werden“, sagt Altorientalistin Dahlia Shehata. Seit langem befasst sie sich nicht nur mit altorientalischer Literatur, sondern auch mit den Musikkulturen des Alten Orients. Vor zwei Jahren war dann diese Idee: in einer Ausstellung zu zeigen, wo die Ursprünge der Musik liegen, welche Stellung das Singen und Spielen auf Instrumenten vor Jahrtausenden hatte.

Altorientalistin Dr. Daliah Shehata mit einer Harfe.
Foto: Thomas Obermeier | Altorientalistin Dr. Daliah Shehata mit einer Harfe.

Mit Archäologe Florian Leitmeir und Musikwissenschaftler Oliver Wiener, dem Kustos der Musikinstrumente-Sammlung der Universität, erarbeitete die Philologin ein Konzept – und trug Objekte zusammen, von mehr als drei Dutzend Leihgebern. Wann und wie wurde im Vorderen Orient, in Ägypten, Griechenland und Rom musiziert? Auf welchen Instrumenten, zu welchem Zweck und von wem? „Mus-Ic-On!“, wie die Wissenschaftler die Ausstellung plakativ und extra mit Ausrufezeichen betitelt haben, versucht eine Annäherung auf diese Fragen – mit Originalen und vielen hochwertigen Reproduktionen von experimentellen Musikarchäologen und Instrumentenbauern.

Archäologe Dr. Florian Leitmeir mit der berühmten griechischen Doppelschalmei, der Aulos.
Foto: Thomas Obermeier | Archäologe Dr. Florian Leitmeir mit der berühmten griechischen Doppelschalmei, der Aulos.

Ein Teil der Nachbauten stammt von der „Archäomusica“, einer großen Multimedia-Ausstellung über die 40 000-jährige Geschichte des europäischen Musikinstrumentenbaus, die seit 2016 durch Europa wanderte und in Deutschland nur im Archäologischen Landesmuseum in Brandenburg an der Havel zu sehen war. Die Würzburger Ausstellungsmacher dehnen ihre Schau räumlich aus und beziehen auch Ägypten ein. Nicht, weil die alten Ägypter unbedingt die größeren Musikliebhaber waren, sagt Archäologe Florian Leitmeier. Sondern weil vom Nil – dem Klima sei Dank – viele Originale aus dem sonst so vergänglichen organischen Material – Tierhaut, Saiten, Holz – erhalten sind.

Die Sistren aus dem Grab des Pharaos Tutanchamun indes sind aus Metall. „Ein typisches Fraueninstrument“, sagt Leitmeir über die beeindruckend großen Rahmenrasseln aus dem Tal der Könige, die einst im Kult von Priesterinnen geschüttelt wurden. Dank des Alumnivereins können sich die Museumsbesucher selbst an zwei Rasseln versuchen. Viele der antiken Instrumente konnten nämlich nur durch das Fundraisingprojekts der Alumni Würzburg nachgebaut werden – wie eine Magische Glocke aus Assyrien, eine Flöte aus Pergamon, römische Tonglöckchen oder griechische Auloi, das berühmteste Blasinstrument der Antike und durch seine Spielweise der modernen Oboe ähnlich.

Dr. Oliver Wiener, Kustos der Studiensammlung Musikinstrumente und Medien, mit einer Hydraulis, der römischen Wasserorgel.
Foto: Thomas Obermeier | Dr. Oliver Wiener, Kustos der Studiensammlung Musikinstrumente und Medien, mit einer Hydraulis, der römischen Wasserorgel.

„Der Klang ist weg“, sagt Altorientalistin Dahlia Shehata über die Musik der Antike. Von vielen Instrumenten gibt es nur Abbildungen, auf Reliefs und Vasen. Und auch durch die Keilschrift-Texte, Papyri oder griechisch-römische Überlieferungen lässt sich zwar viel über Bezahlung von Musikern, über Riten und Dämonenvertreibung, Unterhaltungsmusik, Wettbewerbe, Konzertsolisten und antike Superstars erfahren.

Doch die Musik selbst bleibt eine Ahnung. Dafür kann der Besucher die riesige Carnyx hören: Die alphornlange Bronze-Trompete der Kelten wurde beim Blasen aufrecht gehalten. Und der Klang? Dass das Blasinstrument in einem gewaltigen Wildschweinkopf endet, hat seinen Sinn.

Die obere Öffnung der Carnyx, der langen keltischen Trompete: tierisch!
Foto: Thomas Obermeier | Die obere Öffnung der Carnyx, der langen keltischen Trompete: tierisch!
Auf dem keltischen Relief sind Carnyx-Spieler zu sehen. Ein Beleg, dass die Bronze-Trompete beim Blasen aufrecht gehalten wurde.
Foto: Thomas Obermeier | Auf dem keltischen Relief sind Carnyx-Spieler zu sehen. Ein Beleg, dass die Bronze-Trompete beim Blasen aufrecht gehalten wurde.

Mus-ic-on! Klang der Antike: Die Sonderausstellung des Martin von Wagner Museumsder Uni Würzburg wird am Sonntag, 8. Dezember, um 11 Uhr eröffnet. Zu sehen ist sie in der Antikensammlung in der Residenz bis 12. Juli: Dienstag bis Samstag von 13.30 bis 17 Uhr, sonntags ab 15. Dezember alle zwei Wochen von 10 bis 13.30 Uhr. Begleitend ist nicht nur ein umfangreicher Band erschienen. Es gibt auch Führungen und Workshops zum antiken Instrumentenbau – und Konzerte. Infos:www.phil.uni-wuerzburg.de/musicon

 
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