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Würzburg
Weihnachten ohne Familie: Warum eine Würzburgerin lieber mit Fremden feiert
Festtage ohne die Familie - diese Entscheidung traf Annika Hendrichs ganz bewusst. Wie eine Würzburgerin Weihnachten zwischen Fremden und "Ich-Zeit" verbringt und sich darauf freut.
Weihnachten allein oder mit Fremden verbringen, sollte normalisiert werden, meint die Würzburgerin Annika Hendrich.
Foto: Symbolbild: Fabian Sommer, dpa | Weihnachten allein oder mit Fremden verbringen, sollte normalisiert werden, meint die Würzburgerin Annika Hendrich.
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:58 Uhr

Weihnachten am großen Familienesstisch verläuft nicht immer so harmonisch, wie sich das alle vorstellen. Mitunter kommt es zum Streit, beispielsweise um das beste Stück von der Gans. Da kann schnell die Stimmung kippen. Für viele Menschen ist Weihnachten zwar die wichtigste Familienzeit im Jahr, doch nicht jeder verbringt die Feiertage im Kreise der Familie.

Einige, weil sie es nicht können, andere schlicht weil sie nicht wollen. Zu Letzteren gehört auch die Würzburgerin Annika Hendrich. Die 26-jährige Studentin hat in diesem Jahr beschlossen: Sie feiert Weihnachten mit Fremden. In den sozialen Netzwerken startete sie deshalb einen Aufruf. "Wer ist Weihnachten auch allein?" Ihr Ziel: Gleichgesinnte finden, mit denen sie die Festtage gemeinsam verbringen kann.

Nicht wenige Menschen verbringen Weihnachten ohne ihre Familie

"Weihnachten nicht mit der Familie zu verbringen, sollte normalisiert werden", sagt die Studentin. Sie wünscht sich ein offeneres Weihnachtsfest und dass Weihnachten alleine oder ohne die Familie nicht negativ assoziiert werde. "Man sollte an Weihnachten nicht den Zwang verspüren, dieses Fest mit der Familie verbringen zu müssen", erklärt sie. Für wen allerdings Weihnachten und Familie zusammen gehört, soll das auch weiterhin pflegen. Aber: Auch unkonventionellere Weihnachten sollten gesellschaftlich akzeptiert werden, wünscht sich Hendrich. 

Bei der Initiative 'KeinerBleibtAllein' können Würzburgerinnen und Würzburger Gleichgesinnte für ein gemeinsames Weihnachtsfest finden. 
Foto: Tom Weller, dpa | Bei der Initiative "KeinerBleibtAllein" können Würzburgerinnen und Würzburger Gleichgesinnte für ein gemeinsames Weihnachtsfest finden. 

Mit dieser Vorstellung ist sie offenbar nicht allein. Die Initiative KeinerBleibtAlleinsetzt sich seit 2016 dafür ein, dass Menschen Weihnachten nicht allein verbringen müssen. Über soziale Netzwerke wie Instagram, Facebook oder Twitter können sich Menschen für die Weihnachtsfeiertage verabreden und so gemeinsam das Fest verbringen. Schon im Jahr 2019 fanden so 3500 Menschen Anschluss und waren Weihnachten nicht allein. Das nicht jede Person Weihnachten im großen Kreis verbringt, ist keine neue Entwicklung. Eine im Jahr 2012 veröffentliche Studie des Nürnberger Marktforschungsunternehmens GfK hat gezeigt: Rund 2,5 Millionen Deutsche verbringen diese Zeit allein. Ob freiwillig oder unfreiwillig wurde dabei nicht erfragt.

Auf Annika Hendrichs Aufruf haben bisher vier Personen reagiert. Mit ihnen verbringt sie zusammen den 24. Dezember. "Wir gehen in ein Café, werden quatschen und vielleicht ein paar Spiele spielen." Doch eines fällt an dem Tag weg: Geschenke. Darum gehe es ohnehin nicht. "Ich würde es komisch finden, völlig fremden Menschen ein Geschenk zu machen", sagt Hendrich. Dass sie den Weihnachtstag mit Unbekannten verbringt, stört die 26-Jährige nicht. "Jeder Mensch hat etwas Spannendes zu erzählen und wenn wir uns nicht verstehen, dann gehe ich nach Hause."

Die Reaktion aus dem Freundes- und Bekanntenkreis ist oft Mitleid

Als die Studentin ihren Freunden von ihren Weihnachtsplänen erzählte, waren die Reaktionen gemischt. "Natürlich haben sie mich direkt zu ihren Familien eingeladen." Das fand Hendrichs eigentlich sehr schön "aber diese mitleidigen Blicke kann ich nicht haben." Ein schlechtes Verhältnis zu ihrer Familie hat die Würzburgerin nicht. "Meine Familie aber macht aus solchen Festen ein riesen Ding." Das sei viel Stress für alle Beteiligten und ende oft im Streit unter dem Weihnachtsbaum. "Darauf habe ich in diesem Jahr einfach keine Lust", begründet sie ihre Entscheidung. Mitleid sei daher nicht angebracht. "Ich habe eine sehr liebevolle Familie, aber leider mit schlechten Stressbewältigungsmechanismen."

Den ersten Weihnachtsfeiertag wird Hendrichs allein verbringen. "Darauf freue mich tierisch." Nach den vergangenen stressigen Monaten möchte die Studentin in der Weihnachtszeit endlich zur Ruhe kommen und ihre mentale Balance wiederfinden. "Ich finde die Vorstellung, mich Weihnachten ins Bett zu kuscheln, mit einem heißen Kakao, Plätzchen und einem guten Buch, total schön."

Weihnachten allein zu verbringen sollte auch in Ordnung sein

Und auch hierfür wünsche sich die Würzburgerin mehr Verständnis von außen. Denn wer sich Weihnachten bewusst dazu entscheidet, dem Feiertagsstress zu entgehen, um allein zur Ruhe zu kommen, solle nicht das Gefühl haben, dass dies nicht okay sei. "Es ist nicht schlimm, dass ich Weihnachten nicht mit der Familie verbringe und es ist genauso wenig schlimm, wenn man Weihnachten allein sein möchte", betont Hendrichs.

Die Festtage allein oder ohne die Familie zu verbringen, geht nicht immer zwangsläufig mit Einsamkeit einher. Auch im Internet liest man immer häufiger von Personen, die ihre freie Zeit an den Festtagen für "Selfcare" (Selbstpflege) und "Ich-Zeit" nutzen. Hendrichs freut sich auf beides: Das Alleinsein und Weihnachten mit Fremden zu verbringen. "Das Schönste was passieren könnte? Das wir uns richtig gut verstehen und uns auch in Zukunft treffen."

 
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Kommentare
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  • S. S.
    Eigentlich toller Artikel aber das Selfcare fand ich am Schluss schwierig. Kümmert man sich nicht das ganze Jahr um sich selbst und gerade an Weihnachten findet man wieder zusammen?
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  • R. E.
    Sehr guter Beitrag! UND vorweg: ich hatte gestern einen sehr harmonischen Heiligabend mit Frau, Sohn und dessen und deren Familie(n). Und: es gehört Mut dazu, es ANDERS zu machen.
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  • U. A.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • B. H.
    Hab ich in ihrem Alter oft genauso gemacht. Mal die Küche gestrichen, mal Büromöbel aufgebaut, mal spontan nach Italien gefahren. Dort geht die Sonne eine halbe Stunde später unter. Und der 24. ist ein normaler Einkaufstag, mit viel fröhlichem Tantam. Öfter hab ich auch mal eine alte Frau im Krankenhaus besucht, wohin sie die Mitt- und Falschfuffziger „Kinder“ immer abschoben, um beruhigt in den Urlaub fahren zu können (sie war Privatpatientin, sowas ging damals noch). Einfach mal ohne soziale Verpflichtung sein. Aber ich dachte nicht, dass das einen Artikel wert ist. Ich glaube, junge Leute sind viel spiessiger als wir damals. Und empfinden den Erwartungsdruck der Eltern, Großeltern, Tanten etc. viel stärker. Wir waren zu dritt und irgendeiner übernahm die Mutter und gut war. Ja, wir waren in vielen Dingen freier. Es gibt viele Wege, froh zu sein.
    Frohe Weihnachten!
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  • A. F.
    Sehr schöner Bericht!

    Zeigt er doch, wie jede(r) Weihnachten kann und sollte, wie er/sie es für richtig hält.

    Und vor allem sollte sich niemand in eine "gewisse Ecke pressen" lassen, nur weil man etwas anders Weihnachten feiert.

    Hauptsache, man ist mit sich im Reinen.
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  • A. G.
    schöner artikel.
    kann ich absolut nachvollziehen.
    liegt wohl daran, dass ich mit diesem "fest" absolut nichts anfangen kann.
    der jährliche hype rund um weihnachten geht mir tierisch auf den senkel, man bekommt es ja jedes jahr eingetrichtert wie es ein harmonisches fest wird und das es alleine ganz ganz schlimm ist usw.
    daher wahrscheinlich auch die mitleidigen reaktionen wenn jemand an diesen tagen alleine sein möchte.
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  • O. H.
    Hätte ich gestern auch am besten hingeschmissen, wir waren auch 2 Stunden später als geplant am Tisch
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  • R. B.
    Sehr geehrte Redaktion, steht es um Ihre Themenauswahl so schlimm, dass Sie Ihre Seiten mit so einem Schwachsinn füllen müssen. Wenn die junge Dame Weihnachten ohne Familie feiern möchte, wo ist das Problem. In diesem Sinn frohe Weihnachten für all Jene, welche Weihnachten mit der Familie, alleine mit dem Goldfisch oder mit wildfremden Menschen feiern.
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  • R. Z.
    Der Artikel soll zeigen, dass es auch Menschen gibt, die Weihnachten anders feiern - und dass es für diese eine Anlaufstelle gibt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
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  • R. B.
    Sehr geehrter Herr Zimmermann, gehen Sie mal in die sozialen Netzwerke, dort finden Sie zahlreiche Angebote für Menschen, welche Weihnachten fern ab der Familie feiern möchten; das Rad haben Sie hier nicht neu erfunden.
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  • A. F.
    Schwachsinnig ist eher Ihr Kommentar dass Sie auf jeden Pott einen Deckel schlagen müssen.
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  • E. R.
    Ganz meine Meinung, @Catweazle, denn ich finde, die Mainpost hat ein aktuell sehr relevantes Thema aufgegriffen, so in der Art von Auflösung von Traditionen und sozialen Strukturen, das mag man bewerten wie man will, aber eine öffentliche Rezeption ist wichtig und gut für alle, die die Entscheidung bewältigen wollen, unbelassen der Minderheit, die es offenbar überhaupt nicht wollen oder können zwinkern )
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  • R. R.
    Und wieder andere lassen sich volllaufen. Und wieder andere verreisen.usw.
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  • G. B.
    Wie groß ist die Not, wenn man am Weihnachtsmorgen die Zeitung nach "Schwachsinn " durchsucht und dann seinem Ärger Luft macht ?
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  • Veraltete Benutzerkennung
    You made my day. 😄
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  • S. B.
    Ihr Reaktion zeigt doch das Problem. Sie sind sofort angetriggert, sonst würden Sie nicht so reagieren.

    In diesem Sinne, ich wünsche der Studentin und allen Kommentatoren hier frohe Weihnachten, wie auch immer Sie diese feiern möchten.
    Auf dass auch Sie, lieber Albatros, weihnachtliche Ruhe und ihren Frieden finden.
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  • R. D.
    Sie kann machen was sie will. Warum braucht sie aber die "Freigabe" oder die Akzeptanz anderer? Warum legt sie Wert darauf? Doch um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen?
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  • C. H.
    Sie weist darauf hin, weil sich eben viele Menschen diesen Zwang auferlegen, man müsse Weihnachten so und so verbringen.
    Das erst schafft diesen Stress, der dann in Streit und schlechter Laune endet. Da kenne ich auch einige Familien.
    So ist dieser Artikel ein Hinweis auf Menschen, die sich dem entziehen wollen. Weil sie jetzt wissen, es gibt noch mehr.

    Will man dem Weihnachtszwang absagen, dann kommen wieder alles unterm Weihnachtsbaum hervorgekrochen und lassen die üblichen Sprüche ab. Das geht doch nicht, das war schon immer so, Weihnachten muss man unterm Baum zuhause verbringen etc.
    Ich habe wundervolle Kindheitserinnerungen an Weihnachten. Die ganze Familie sass bei Oma und Opa im Wohnzimmer. Volle Hütte. Aber damals hat man sich keinen Stress gemacht. Es war ja Weihnachten. Das einzige was inszeniert wurde war das Christkind für uns Kinder. Heute wird ja stabsmässig durchgeplant, milimetergenau dekoriert und wehe die Gans wird nicht winkeltreu geschnitten....
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  • S. B.
    Weil gesellschaftliche Normen und Erwartungen individuelles Verhalten beeinflussen.
    Wer kann schon von sich behaupten, völlig davon frei zu sein?
    Deshalb ist auch der Artikel interessant und wichtig.
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