
Weihnachten am großen Familienesstisch verläuft nicht immer so harmonisch, wie sich das alle vorstellen. Mitunter kommt es zum Streit, beispielsweise um das beste Stück von der Gans. Da kann schnell die Stimmung kippen. Für viele Menschen ist Weihnachten zwar die wichtigste Familienzeit im Jahr, doch nicht jeder verbringt die Feiertage im Kreise der Familie.
Einige, weil sie es nicht können, andere schlicht weil sie nicht wollen. Zu Letzteren gehört auch die Würzburgerin Annika Hendrich. Die 26-jährige Studentin hat in diesem Jahr beschlossen: Sie feiert Weihnachten mit Fremden. In den sozialen Netzwerken startete sie deshalb einen Aufruf. "Wer ist Weihnachten auch allein?" Ihr Ziel: Gleichgesinnte finden, mit denen sie die Festtage gemeinsam verbringen kann.
Nicht wenige Menschen verbringen Weihnachten ohne ihre Familie
"Weihnachten nicht mit der Familie zu verbringen, sollte normalisiert werden", sagt die Studentin. Sie wünscht sich ein offeneres Weihnachtsfest und dass Weihnachten alleine oder ohne die Familie nicht negativ assoziiert werde. "Man sollte an Weihnachten nicht den Zwang verspüren, dieses Fest mit der Familie verbringen zu müssen", erklärt sie. Für wen allerdings Weihnachten und Familie zusammen gehört, soll das auch weiterhin pflegen. Aber: Auch unkonventionellere Weihnachten sollten gesellschaftlich akzeptiert werden, wünscht sich Hendrich.

Mit dieser Vorstellung ist sie offenbar nicht allein. Die Initiative KeinerBleibtAlleinsetzt sich seit 2016 dafür ein, dass Menschen Weihnachten nicht allein verbringen müssen. Über soziale Netzwerke wie Instagram, Facebook oder Twitter können sich Menschen für die Weihnachtsfeiertage verabreden und so gemeinsam das Fest verbringen. Schon im Jahr 2019 fanden so 3500 Menschen Anschluss und waren Weihnachten nicht allein. Das nicht jede Person Weihnachten im großen Kreis verbringt, ist keine neue Entwicklung. Eine im Jahr 2012 veröffentliche Studie des Nürnberger Marktforschungsunternehmens GfK hat gezeigt: Rund 2,5 Millionen Deutsche verbringen diese Zeit allein. Ob freiwillig oder unfreiwillig wurde dabei nicht erfragt.
Auf Annika Hendrichs Aufruf haben bisher vier Personen reagiert. Mit ihnen verbringt sie zusammen den 24. Dezember. "Wir gehen in ein Café, werden quatschen und vielleicht ein paar Spiele spielen." Doch eines fällt an dem Tag weg: Geschenke. Darum gehe es ohnehin nicht. "Ich würde es komisch finden, völlig fremden Menschen ein Geschenk zu machen", sagt Hendrich. Dass sie den Weihnachtstag mit Unbekannten verbringt, stört die 26-Jährige nicht. "Jeder Mensch hat etwas Spannendes zu erzählen und wenn wir uns nicht verstehen, dann gehe ich nach Hause."
Die Reaktion aus dem Freundes- und Bekanntenkreis ist oft Mitleid
Als die Studentin ihren Freunden von ihren Weihnachtsplänen erzählte, waren die Reaktionen gemischt. "Natürlich haben sie mich direkt zu ihren Familien eingeladen." Das fand Hendrichs eigentlich sehr schön "aber diese mitleidigen Blicke kann ich nicht haben." Ein schlechtes Verhältnis zu ihrer Familie hat die Würzburgerin nicht. "Meine Familie aber macht aus solchen Festen ein riesen Ding." Das sei viel Stress für alle Beteiligten und ende oft im Streit unter dem Weihnachtsbaum. "Darauf habe ich in diesem Jahr einfach keine Lust", begründet sie ihre Entscheidung. Mitleid sei daher nicht angebracht. "Ich habe eine sehr liebevolle Familie, aber leider mit schlechten Stressbewältigungsmechanismen."
Den ersten Weihnachtsfeiertag wird Hendrichs allein verbringen. "Darauf freue mich tierisch." Nach den vergangenen stressigen Monaten möchte die Studentin in der Weihnachtszeit endlich zur Ruhe kommen und ihre mentale Balance wiederfinden. "Ich finde die Vorstellung, mich Weihnachten ins Bett zu kuscheln, mit einem heißen Kakao, Plätzchen und einem guten Buch, total schön."
Weihnachten allein zu verbringen sollte auch in Ordnung sein
Und auch hierfür wünsche sich die Würzburgerin mehr Verständnis von außen. Denn wer sich Weihnachten bewusst dazu entscheidet, dem Feiertagsstress zu entgehen, um allein zur Ruhe zu kommen, solle nicht das Gefühl haben, dass dies nicht okay sei. "Es ist nicht schlimm, dass ich Weihnachten nicht mit der Familie verbringe und es ist genauso wenig schlimm, wenn man Weihnachten allein sein möchte", betont Hendrichs.
Die Festtage allein oder ohne die Familie zu verbringen, geht nicht immer zwangsläufig mit Einsamkeit einher. Auch im Internet liest man immer häufiger von Personen, die ihre freie Zeit an den Festtagen für "Selfcare" (Selbstpflege) und "Ich-Zeit" nutzen. Hendrichs freut sich auf beides: Das Alleinsein und Weihnachten mit Fremden zu verbringen. "Das Schönste was passieren könnte? Das wir uns richtig gut verstehen und uns auch in Zukunft treffen."
Frohe Weihnachten!
Zeigt er doch, wie jede(r) Weihnachten kann und sollte, wie er/sie es für richtig hält.
Und vor allem sollte sich niemand in eine "gewisse Ecke pressen" lassen, nur weil man etwas anders Weihnachten feiert.
Hauptsache, man ist mit sich im Reinen.
kann ich absolut nachvollziehen.
liegt wohl daran, dass ich mit diesem "fest" absolut nichts anfangen kann.
der jährliche hype rund um weihnachten geht mir tierisch auf den senkel, man bekommt es ja jedes jahr eingetrichtert wie es ein harmonisches fest wird und das es alleine ganz ganz schlimm ist usw.
daher wahrscheinlich auch die mitleidigen reaktionen wenn jemand an diesen tagen alleine sein möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
In diesem Sinne, ich wünsche der Studentin und allen Kommentatoren hier frohe Weihnachten, wie auch immer Sie diese feiern möchten.
Auf dass auch Sie, lieber Albatros, weihnachtliche Ruhe und ihren Frieden finden.
Das erst schafft diesen Stress, der dann in Streit und schlechter Laune endet. Da kenne ich auch einige Familien.
So ist dieser Artikel ein Hinweis auf Menschen, die sich dem entziehen wollen. Weil sie jetzt wissen, es gibt noch mehr.
Will man dem Weihnachtszwang absagen, dann kommen wieder alles unterm Weihnachtsbaum hervorgekrochen und lassen die üblichen Sprüche ab. Das geht doch nicht, das war schon immer so, Weihnachten muss man unterm Baum zuhause verbringen etc.
Ich habe wundervolle Kindheitserinnerungen an Weihnachten. Die ganze Familie sass bei Oma und Opa im Wohnzimmer. Volle Hütte. Aber damals hat man sich keinen Stress gemacht. Es war ja Weihnachten. Das einzige was inszeniert wurde war das Christkind für uns Kinder. Heute wird ja stabsmässig durchgeplant, milimetergenau dekoriert und wehe die Gans wird nicht winkeltreu geschnitten....
Wer kann schon von sich behaupten, völlig davon frei zu sein?
Deshalb ist auch der Artikel interessant und wichtig.