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Würzburg
Was Kreisbrandrat Reitzenstein mit den Feuerwehren vorhat
Michael Reitzenstein will die Feuerwehren im Landkreis Würzburg reformieren und muss dabei aber erst einmal ein Störfeuer löschen. Wie sein Weg jetzt weitergeht.
Kreisbrandrat Michael Reitzenstein ist für 112 Feuerwehren im Landkreis Würzburg und für die Werksfeuerwehr bei der Firma Südzucker in Ochsenfurt zuständig. 
Foto: Thomas Obermeier | Kreisbrandrat Michael Reitzenstein ist für 112 Feuerwehren im Landkreis Würzburg und für die Werksfeuerwehr bei der Firma Südzucker in Ochsenfurt zuständig. 
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:26 Uhr

Verkrustete Strukturen, viele Männer, wenig Feingefühl und kaum Frauen: Michael Reitzenstein ist der oberste Feuerwehrmann im Landkreis Würzburg. Der 59-Jährige ist für 112 Feuerwehren im Landkreis Würzburg und für die Werksfeuerwehr bei Südzucker zuständig. Reitzenstein steht vor einer Reform der Feuerwehr, aber stößt dabei auf heftigen Gegenwind. Seine vier Kreisbrandinspektoren (KBIs), die in der Führungsebene unter ihm stehen und für die Bereiche Süd, Mitte, West und Nord/Ost zuständig sind, fühlen sich entmachtet und greifen Reitzenstein persönlich an. Darüber, wie er mit den Vorwürfen umgeht, was er mit der Feuerwehr vorhat und wie er mit den Führungskräften weiter umgehen will, spricht er im Interview.

Frage: Lügen, Mobbing, Klüngelei, ein barscher Ton: Wie schwer haben Sie die Vorwürfe der Kreisbrandinspektoren getroffen? 

Michael Reitzenstein: Das hat mich menschlich schwer enttäuscht, zumal ich die Vorwürfe auch aufs Schärfste zurückweise und überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Wie hat denn Ihr Umfeld darauf reagiert?

Reitzenstein: Von Fachkollegen habe ich den Ratschlag bekommen, ich soll mich durch diese persönlichen Angriffe nicht beeinflussen lassen und weiter den Weg gehen, die Feuerwehr zukunftsweisend zu entwickeln. Und Menschen, die mich kennen, können sich überhaupt nicht vorstellen, dass ich so sein könnte, wie es mir vorgeworfen wird. 

Haben Sie denn absehen können, dass der Konflikt derart eskaliert?

Reitzenstein: Das ist eine Frage, die ich mir auch sehr intensiv gestellt habe. Ich glaube fast, dass die Herausforderungen der Corona-Pandemie der Auslöser dafür sind. Die Situation ist schon für die Feuerwehren und für die Führungsebene ein sehr einschneidendes Erlebnis. Es müssen Entscheidungen getroffen und vor allem akzeptiert werden. Bei 36 Führungsdienstgraden wird es immer Leute geben, die eine Entscheidung mittragen müssen, sich aber persönlich damit nicht identifizieren können. In einer Krisensituation ist aber nicht die Zeit für Diskussionen. 

Zu einem Streit gehören immer zwei. Haben Sie auch Fehler gemacht?

Reitzenstein: Sicherlich. Jeder Mensch macht Fehler. Meine sehe ich in der Kommunikation. Dazu stehe ich auch - und ich versuche den Informationsfluss auch zu verbessern. Aber auch das ist der Situation geschuldet. Je höher die Anforderung ist, desto größer ist die Fehleranfälligkeit. Es gab Tage, da waren wir 16 Stunden im Dienst. 

'Die Vorwürfe der Kreisbrandinspektoren haben mich schwer getroffen', sagt Kreisbrandrat Michael Reitzenstein im Gespräch mit Redakteur Thomas Fritz. 
Foto: Thomas Obermeier | "Die Vorwürfe der Kreisbrandinspektoren haben mich schwer getroffen", sagt Kreisbrandrat Michael Reitzenstein im Gespräch mit Redakteur Thomas Fritz. 
Sie könnten es auch einfacher haben und zurück an die Feuerwehrschule gehen. Was hat Sie dazu bewogen, nicht sofort alles hinzuschmeißen?

Reitzenstein: Ich bin vor vier Jahren als Kreisbrandrat angetreten, um die Zukunft der Feuerwehren im Landkreis Würzburg zu optimieren. Und da kann ich meine 35 Jahre Berufserfahrung, die ich in der Feuerwehrschule bekommen habe, gut mit einbringen. Die Feuerwehr steht vor einer Reform.  Dazu gehört auch der Feuerwehrbedarfsplan. Jetzt alles hinzuschmeißen, würde die Aufgabe meiner Lebensziele bedeuten. 

Sie mussten zwei Kreisbrandmeister entlassen, weil sie mit Ihnen nicht mehr vertrauensvoll zusammenarbeiten konnten. Droht dieses Schicksal nun auch den vier Kreisbrandinspektoren?

Reitzenstein: Das kann ich im Moment noch nicht sagen. Es gab verschiedene Gespräche auf allen Ebenen. Auch Landrat Eberth hat sich dabei sehr stark eingebracht und wollte von den KBIs wissen, wofür sie stehen. Das Antwortschreiben enthielt leider viele persönliche Angriffe und ist an die Öffentlichkeit gekommen. 

Sehen Sie überhaupt noch eine Chance auf Versöhnung?

Reitzenstein: Das wird sehr schwierig, denn das Vertrauensverhältnis ist sehr zerrüttet. Ich bin von den Feuerwehrkommandanten auf sechs Jahre gewählt. Es gibt keine Möglichkeit, mich abzusetzen. So lange ich das Gefühl habe, dass die Reform der Feuerwehr im Sinne des Landkreises und sowohl politisch als auch von den Feuerwehren gewollt ist, werde ich versuchen, die mir gestellte Aufgabe zu erfüllen. 

Dann lassen Sie uns doch auch mal über die Feuerwehr reden. Sie soll professioneller werden?

Reitzenstein: Die Feuerwehren arbeiten professionell. In Bayern gibt es rund 300 000 Feuerwehrleute, davon sind höchstens 3000 in einer Berufsfeuerwehr tätig. Und von allen, egal ob ehren- oder hauptamtlich, wird bei einem Einsatz die gleiche Arbeitsqualität erwartet.

In welche Richtung soll die Freiwillige Feuerwehr konkret gehen?

Reitzenstein: Die Ausbildung, die Führungsstrukturen und sicher auch die Ausstattung der Feuerwehren müssen professioneller werden. Nicht die Arbeit der Feuerwehr. Das möchte ich schon betonen, denn alle arbeiten professionell. Aber die Strukturen sind 20 Jahre und älter - hier ist mein Ansatz. 

Wie möchten Sie diese verkrusteten Strukturen aufbrechen? Beispielsweise durch Stützpunktwehren in Ochsenfurt, Veitshöchheim oder Höchberg?

Reitzenstein: Das ist nicht der Weg. Es geht konkret um die Alarmsicherheit der Feuerwehren im ländlichen Bereich. Das heißt beispielsweise, ab 17 Uhr stehen 20 Feuerwehrleute, tagsüber vielleicht nur fünf zur Verfügung. Hier möchte ich Alarmierungsgemeinschaften bilden. Also, dass mehrere Feuerwehren tagsüber zusammen arbeiten. Teilweise wird das schon umgesetzt, wie beispielsweise in Rottendorf, die zusammen mit der Wehr in Rothof arbeiten.

Bei vielen ist aber immer noch der Gedanke vorhanden: ‚Das ist mein Feuer, das geht Dich nichts an.‘ Warum ist es so schwer, dies aus den Köpfen der Feuerwehrleute zu bringen?

Reitzenstein: Ich bin überzeugt, dass bei den Feuerwehren, die sehr viele Einsätze haben, weil sie beispielsweise oft zu Unfällen auf der Autobahn gerufen werden, dieser Gedanke schon lange nicht mehr im Kopf ist. Die anderen möchte ich mit Beispielen überzeugen. Da bin ich auf ein starkes Team angewiesen, die vor Ort die Vorteile einer Zusammenarbeit aufzeigen. Wir möchten keine Feuerwehren auflösen. Gerade bei Unwettern hat sich gezeigt, dass viele kleine Feuerwehren vor Ort notwendig sind. Jeder muss Hand in Hand arbeiten. 

Das ist die eine Seite. Die Feuerwehr hat aber auch in vielen Dörfern noch eine kulturelle Bedeutung. Haben Sie diese unterschätzt?

Reitzenstein: Nein, habe ich nicht. Und ich hebe das auch immer wieder hervor. Es gibt Gemeinden mit wenigen Einwohnern - und die Hälfte davon ist bei der Feuerwehr und hält das Dorfleben aufrecht. 

Dennoch ist Ihre Arbeitszeit auch begrenzt und eigentlich sind Sie für die Pflichtaufgaben der Feuerwehr zuständig. Wie lässt sich das unter einen Hut bringen?

Reitzenstein: Da haben Sie recht. Ich habe auch schon vorgeschlagen, dass der Kreisfeuerwehrverband sich um die Förderung des Feuerwehrwesens kümmert. Ich stehe im Moment vor dem Problem, dass die Satzung noch vorsieht, dass der Kreisbrandrat auch Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes ist. Für mich ist das keine zukunftsweisende Konstellation. Ich fände es gut, wenn diese Position aufgeteilt würde, um so beide Bereiche besser unterstützen zu können. 

In gewissen Zügen kommt einem die Feuerwehr vor wie eine paramilitärische Einheit. Sie wurden von den KBIs für Ihren scharfen Ton kritisiert, andersrum höre ich von Feuerwehrleuten, die sich über den Ton der KBIs beschweren. Von Mobbing auf allen Führungsebenen ist die Rede. Ist es nicht dringend notwendig, das Führungspersonal zeitgemäß zu schulen?

Reitzenstein: Das ist definitiv notwendig und das ist auch in unserem Führungskonzept enthalten. Wir möchten nicht nur auf eine taktische Führung setzen, sondern auch Mitarbeitergespräche und die Zusammenarbeit fördern.

Die Freiwillige Feuerwehr im Landkreis Würzburg steht vor einer großen Reform. 
Foto: Thomas Fritz | Die Freiwillige Feuerwehr im Landkreis Würzburg steht vor einer großen Reform. 
Braucht es mehr Feingefühl in der Feuerwehr und auch mal Frauen in Führungspositionen?

Reitzenstein: Das würde ich sehr begrüßen. Es gibt einige stellvertretende Kommandantinnen und zurzeit nur eine Kommandantin im südlichen Landkreis. Dass es so wenige sind, liegt auch an infrastrukturellen Problemen in den Feuerwehrgerätehäusern. Angefangen bei der Umkleidekabine bis hin zur Einstellung, dass Frauen nur in eine Frauengruppe gehören. Das ist nicht meine Meinung. Ich würde gerne auch Frauen in die Kreisbrandinspektion aufnehmen. Aber das muss von unten kommen. 

Braucht es eine neue Führungsmannschaft, damit Sie Ihre Ideen umsetzen können?

Reitzenstein: Es geht nur mit einem Umdenkungsprozess. Es müssen sich alle an die gleichen Regeln halten und die Ziele müssen gemeinsam formuliert und verfolgt werden. 

Und dafür braucht es ausschließlich Profis?

Reitzenstein: Nein. Ich möchte das gerne nochmal aufgreifen, weil versucht wird, einen Graben aufzubauen, der gar nicht existiert. Alle Kollegen in der Landkreis-Feuerwehr, die in der Feuerwehrschule arbeiten, sind wie ich seit ihrer Kindheit in der Freiwilligen Feuerwehr verwurzelt. Es gibt keinen Kreisbrandmeister, der nicht Kommandant einer Feuerwehr war. Und Kommandant wird keiner, weil er als Profi von der Feuerwehrschule kommt. Dafür muss man schon von den Kameraden und Kameradinnen akzeptiert und wertgeschätzt sein. 

Kommen wir nochmal zurück auf die Forderungen der KBIs. Sie fordern im Brief an den Landrat unter anderem einen respektvollen und ehrlichen Umgang, einen angemessenen Ton, Teamarbeit und eine Einbindung bei der Einsatzplanung. Ist das so schwer umzusetzen?

Reitzenstein: Das ist nicht schwer umzusetzen. Wir hatten ja auch  gemeinsam diese Ziele ausgearbeitet und hätten uns gewünscht, dass wir mit einem Mediator diese Probleme noch einmal herausarbeiten. Es sollte auch jemand für die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden. Das war das Konzept. 

Sie sprechen in der Vergangenheit. Ist das Konzept jetzt hinfällig?

Reitzenstein: Nein, verworfen ist es nicht. Aber der Brief hat den Landrat und mich überrollt und wir müssen das jetzt neu bewerten und beurteilen. 

Und dennoch halten Sie alle zusammen, packen gemeinsam an, verstehen sich blind, wenn sie im Einsatz sind. Das ist bei all dem Streit doch etwas Tröstliches, oder?

Reitzenstein: Auf die Einsatzbereitschaft der Feuerwehren und auf die Qualität ihrer Arbeit an der Einsatzstellte hat die Auseinandersetzung glücklicherweise überhaupt keinen Einfluss. Und das gibt mir Mut, weiterzumachen, nicht nur Trost. Die Ziele, die wir verfolgen, bringen unsere Feuerwehren weiter. Da darf man sich bei Störfeuern nicht vom Weg abbringen lassen. 

 
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  • Arcus
    Mehr professionelle Führungskräfte. Gerne auch mal Frauen. Die Probleme mit denen der neue, oberste Feuerwehrmann im Landkreis zu kämpfen hat, sind nicht neu. Nur angegangen ist sie niemand in der Vergangenheit.
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