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Ochsenfurt
Was die Freiherrn von Zobel mit dem Ochsenfurter Kauzentrunk verbindet
Bei der Neujahrssitzung des Ochsenfurter Stadtrats machte der silberne Kauzenpokal die Runde. Heiner von Zobel erzählt, dass es dabei früher weniger gesittet zuging.
Die Verbindung der Familie von Zobel zu Darstadt mit dem Ochsenfurter Kauzentrunk stand im Mittelpunkt der diesjährigen Kauzensitzung. Im Bild von rechts Felix und Heiner von Zobel mit Bürgermeister Peter Juks und Ehrenbürger Peter Wesselowsky; hinten von links: Landtagsabgeordneter Volkmar Halbleib, Jacob und Karl-Heinz Pritzl sowie Zuckerfee Magdalena Gebhardt und die Kleinochsenfurter Weinprinzessin Ines Roth.
Foto: Gerhard Meißner | Die Verbindung der Familie von Zobel zu Darstadt mit dem Ochsenfurter Kauzentrunk stand im Mittelpunkt der diesjährigen Kauzensitzung.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:20 Uhr

Es müssen wilde Gelage gewesen sein, wenn hohe Herren früher beim Kauzentrunk auf das Wohl der Stadt Ochsenfurt angestoßen haben. Das Kauzenbuch erzählt davon in mitunter derben Versen. Heute geht es bei der Kauzensitzung des Ochsenfurter Stadtrats deutlich gesitteter zu. Aber die Tradition lebt weiter. Nur, dass nun auch das gemeine Volk aus dem silbernen Pokal trinken darf.

Dass die alten Zeiten nicht in Vergessenheit geraten sind, ist dem Domherrn Conrad Ludwig Zobel von Giebelstadt zu Darstadt zu danken. 1611 hat er das erste Kauzenbuch gestiftet. Wie es dazu kam und wie eng die Geschichte der Zobel zu Darstadt mit dem Kauzentrunk verbunden ist, weiß kaum einer besser zu erzählen als Heinrich Freiherr von Zobel. Die rund 80 Besucherinnen und Besucher der ersten Kauzensitzung nach der Pandemie ließ er an diesem Wissen teilhaben.

Das Zobelschloss in Darstadt wurde vor genau 450 Jahren erbaut

Exakt 450 Jahre ist das Schloss in Darstadt alt, das Heiner von Zobel heute mit seiner Familie bewohnt. Es war gebaut worden, nachdem sich die Stephan von Zobel vom Giebelstadter Stammhaus getrennt und die Linie zu Darstadt begründet hat. Sein Sohn Domherr Conrad Ludwig von Zobel wurde 1611 zum Herbstherrn von Ochsenfurt erwählt und hatte dabei das erste Kauzenbuch im Gepäck.

Als Herbstherr fiel ihm die Aufgabe zu, die Weinlese und die Abgabe des Zehnten zu überwachen, berichtet Heiner von Zobel. Begehrt sei das Amt aber vor allem wegen der feucht-fröhlichen Gelage gewesen, die in der alten Kellerei am Palatium, dem Amtshaus des Domkapitels, gefeiert wurden.

Heinrich von Zobel bewohnt mit seiner Familie das Schloss, mit dessen Bau vor 450 Jahren die Linie der Freiherrn Zobel von Giebelstadt zu Darstadt begründet wurde. 
Foto: von Zobel | Heinrich von Zobel bewohnt mit seiner Familie das Schloss, mit dessen Bau vor 450 Jahren die Linie der Freiherrn Zobel von Giebelstadt zu Darstadt begründet wurde. 

Der erste Eintrag im Kauzenbuch berichtet von 17 Zechern. Ein halbes Jahr später schrieb sich der neugewählte Kaiser Matthias in das Buch ein, nachdem ihm der Kauzenpokal gereicht worden war. 1615 wurde beschlossen, dass "ein jeder, der den Kauzen ausgetrunken, seinen Namen selbst in dieses Büchlein schreiben soll". 

Manche unerfahrere Zecher streckte der Kauzentrunk nieder

Über das Fassungsvermögen dieses Kauzenbechers sei wenig bekannt, so Heiner von Zobel. Der Kunsthistoriker Max von Freeden, früherer Leiter des Mainfränkischen Museums, in dem die ersten beiden Kauzenbücher verwahrt werden, schreibt aber, er müsse so groß gewesen sein, "dass es weniger erfahrene Zecher nach dem Trunk schon zu Boden sinken ließ, bevor sie ihren Eintrag in das Buch erledigt hatten." 

So wird von einem Gast berichtet, der von sieben Knechten nach Hause getragen werden musste. "Der Kauz ist glücklich ausgetrunken, wobei gehabt gar keinen Graus", schreibt ein weiterer. Von anderer Hand ist darunter ergänzt: "Wenn er nicht gehabt hätte einen großen Rausch, so hätte er nicht ausgespien das ganze Haus."

Launig und fesselnd weiß Heiner von Zobel zu erzählen. Auch vom Domherrn Carl Philipp Zobel, der 1742 das zweite Kauzenbuch gestiftet hatte, nachdem das erste vollgeschrieben war. "Der Kauzentrunk im Jahr 1782 war fast eine Zobelsche Familienfeier", berichtet Heiner von Zobel weiter. Unter den 13 Zechern trugen sechs den Namen.

Domherr Conrad Ludwig von Zobel hat im Jahr 1611 das erste Ochsenfurter Kauzenbuch gestiftet.
Foto: Kupferstich, Würzburg 1775 | Domherr Conrad Ludwig von Zobel hat im Jahr 1611 das erste Ochsenfurter Kauzenbuch gestiftet.

Durch die Säkularisation erlosch 1802 die Herrschaft des Domkapitels über die Stadt Ochsenfurt und mit ihr die Tradition des Kauzentrunks. Die beiden Kauzenbücher galten als verschollen und wurden erst 1839 wiederentdeckt. Der Kauzenpokal tauchte nie mehr auf.

Das Darstadter Schloss wurde zum Getreidespeicher

Auch das Zobelschloss in Darstadt veränderte sich. Die Zugbrücke wurde durch eine Steinbrücke ersetzt, der Wassergraben zugeschüttet. "Vermutlich haben die Schnaken tierisch genervt", denkt Heiner von Zobel. Drei weitere Generationen lebten im Schloss, bis Ludwig von Zobel im Jahr 1911 starb und die Äcker verpachtet sowie das Gebäude fortan als Getreidespeicher genutzt wurden.

Heiner von Zobels Großonkel Rudolph war es, der 1925 das Schloss wieder herrichten ließ und nach Darstadt zog. Er ließ auch die Zentralheizung einbauen. "Die 100 Jahre alten Rohre und Heizkörper machen uns manchmal Sorgen", sagt Heiner von Zobel. 

Seit 50 Jahren illustriert Günter Jäger das Ochsenfurter Kauzenbuch und hat damit bemerkenswertes Zeugnis der jüngeren Stadtgeschichte geschaffen.
Foto: Gerhard Meißner | Seit 50 Jahren illustriert Günter Jäger das Ochsenfurter Kauzenbuch und hat damit bemerkenswertes Zeugnis der jüngeren Stadtgeschichte geschaffen.

1936 zog Heiner von Zobels Großvater Hans ins Darstadter Schloss, nachdem er zuvor den Nazis zugetan war und Kreisleiter von Füssen wurde. "Nach der Machtergreifung 1933 hat er sich wohl mit Grausen abgewendet und musste aus Füssen verschwinden", sagt sein Enkel. Sein Vater Stefan von Zobel war es schließlich, der nach seinem Studium in Weihenstephan den landwirtschaftlichen Betrieb übernommen hat, den inzwischen Heiner von Zobels Söhne Moritz und Felix bewirtschaften. Letzterer ist kürzlich in den bayerischen Landtag eingezogen.

Die Tradition des Kauzentrunks wurde nach dem zweiten Weltkrieg wiederbelebt. Den neuen Kauzenpokal schuf Silberschmied Hugo Schilling 1969. Dass die historischen Kauzenbücher auch heute noch von jedermann erschlossen werden können, ist Brauereibesitzer Heinz Pritzl zu verdanken, der eine Abschrift als Buch veröffentlicht und den Kauzen zum Markenzeichen seiner Brauerei gemacht hat. Dabei weiß Heiner von Zobel, dass aus dem historischen Kauzen gelegentlich auch Bier getrunken wurde.

Die Landtagsabgeordneten haben die Neujahrsbrezen spendiert

Eingangs der Kauzensitzung hatte Bürgermeister Peter Juks zahlreiche Ehrengäste begrüßt, darunter Vertreter der Vereine und Hilfsorganisationen, den stellvertretenden Landrat Alois Fischer sowie die beiden Ochsenfurter Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib (SPD) und Felix von Zobel (FW). Sie waren es auch, die in diesem Jahr die Neujahrsbrezen spendierten. In seinem Grußwort rief dritter Bürgermeister Tilo Hemmert dazu auf, die Demokratie gegen billigen Opportunismus und Populismus zu verteidigen.

Ihre Unterschrift im Kauzenbuch durften die Besucher der Sitzung diesmal neben ein Aquarell vom frisch renovieren Spital setzen. Seit 50 Jahren ist es der Maler und Grafiker Günter Jäger, der die Einträge ins inzwischen fünfte Kauzenbuch illustriert und so ein bemerkenswertes Zeugnis Ochsenfurter Zeitgeschichte geschaffen hat. Dafür wurde ihm 2022 der Ochsenfurter Kulturpreis verliehen, ebenso wie dem Gitarristen Robin McBride, der die Kauzensitzung musikalisch bereicherte.

 
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