
Anzug und Krawatte am Körper, ein Glas Wasser auf dem Tisch und viele Gesichter vor sich – für Paul Lehrieder von der CSU und Volkmar Halbleib von der SPD eine ganz alltägliche Situation. Es geht um politische Inhalte – diesmal aber nicht nur: Auch von schwimmenden Milchtüten auf dem Bach hinter der Schule, verzocktem Geld und schlechten Noten erfährt das Publikum. Denn Anekdoten aus der Jugend und eine ordentliche Prise Nostalgie dürfen an diesem Vormittag nicht fehlen.
Schließlich sprechen die Politiker nicht in Berlin oder München, sondern in der Ochsenfurter Stadtbibliothek. Ihnen gegenüber Menschen, die sie zum Teil schon von Kindheit an kennen. Denn sowohl der Bundestagsabgeordnete Lehrieder als auch der Landtagsabgeordnete Halbleib sind in Ochsenfurt geboren und haben das Gymnasium in Marktbreit besucht. Eingeladen von den Freunden des Gymnasiums Marktbreit erzählen beide unter dem Motto "Politik für unsere Heimat" knapp zwei Stunden lang vor etwa 40 Zuhörerinnen und Zuhörern von der eigenen Schulzeit, ihrer Karriere und politischen Ideen.
Wahlkampfstimmung kommt nicht auf
"Als gut aufgestellte Schule" bezeichnet Lehrieder das Gymnasium im Rückblick, Halbleib spricht von einem "eigenen Mikrokosmos", der den Schüler gutgetan habe. Und wie noch so oft in diesem Gespräch scheinen sich beide, trotz unterschiedlicher politischer Lager, recht einig zu sein. Wer sich von der Begegnung der beiden Politiker Wahlkampfstimmung erwartet hat, sollte größtenteils enttäuscht werden. Stattdessen geht es die meiste Zeit nahezu harmonisch zu auf der Bühne.
Anders als so oft in der Politik solle es im Gespräch vor allem um Gemeinsamkeiten gehen, sagt Toni Gernert, erster Vorsitzender des Freundeskreises, zu Beginn der Veranstaltung. Und davon gibt es neben der gemeinsamen Heimat einige. Beide sind studierte Juristen. Beide sind 1990 in die Politik eingestiegen – Halbleib als Stadtrat in Ochsenfurt, Lehrieder als Bürgermeister von Gaukönigshofen. Aber auch ein gewisses Engagement für soziale Themen verbindet Halbleib als Sozialdemokraten und Lehrieder, der lange Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales war. "Und wir beide haben eine Ehefrau mit dem Namen Christiane", fügt Lehrieder scherzhaft hinzu.
Die Veranstaltung in der Stadtbibliothek ist nicht die erste der Reihe "Es begann am Maindreieck – Gespräch mit Absolventen unserer Schule". Schon seit fünf Jahren sprechen unter diesem Motto immer wieder ehemalige Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums mit besonderem Werdegang in ihrer Heimat über ihre Erfahrungen, aber auch Erinnerungen an die Schulzeit. Im vergangenen Jahr war etwa der Werkstoff-Forscher Prof. Georg Müller zu Gast.
Zeit für persönliche Erinnerungen und Anekdoten
Die Politiker berichten routiniert von ihrem Werdegang, schweifen aber auch genauso oft ab und erzählen die ein oder andere Anekdote. Auf die Frage nach persönlichen Erinnerungen an die eigene Schulzeit hin, zeichnet Lehrieder das Bild von einem Schüler, der die Regeln nicht immer so ernst genommen hat. "Im Leistungskurs Wirtschaft und Recht haben wir eine Schafkopf-AG gegründet", erinnert er sich. Die Gewinne habe er mit dem übrigen Vorstand heimlich bei einem Ausflug während der regulären Unterrichtszeit auf den Kopf gehauen, so der 63-Jährige. Dafür gibt es Lacher aus dem Publikum.
Auch Halbleib gibt zu, sich gerne mal verbal mit den Lehrern angelegt zu haben. "Es war nicht ganz reibungslos", bestätigt Toni Gernert, der selbst lange Lehrer und zuletzt bis 2015 Schulleiter des Gymnasiums Marktbreit war. Auch seine Noten hätten unter vielen außerschulischen Aktivitäten, etwa seinem Engagement im Jugendzentrum, zeitweise gelitten, so Halbleib.
Viel Gesprächsbedarf beim Thema Bildung
Aber auch politische Themen gehen im Gespräch nicht unter. Arbeitskräfte in Branchen wie etwa der Pflege zu finden, und die Energieversorgung der Region für die Zukunft zu sichern, nennt Halbleib Herausforderungen für die Region. Lehrieder fügt hinzu, es müsse in den Bildungsstandard investiert werden: "Bildung ist der einzige Rohstoff, den wir in unserer Volkswirtschaft haben. Den müssen wir hochhalten."

Beide betonen gerne ihre Heimatverbundenheit. Etwa ihr Engagement für den Erhalt der Ochsenfurter Main-Klinik. Und immer wieder geht es um Bildung. Ein Thema mit merklich viel Gesprächsbedarf vonseiten der Zuhörerinnen und Zuhörer.
Ob es nicht zu früh wäre, von Schülerinnen und Schülern schon nach der vierten Klasse eine Entscheidung für Mittelschule, Realschule oder Gymnasium zu verlangen, fragt etwa eine junge Frau aus dem Publikum. Nein, findet Lehrieder. Halbleib spricht sich hingegen für eine längere gemeinsame Grundschulzeit aus. Eine andere Zuhörerin fordert mehr und besser ausgebildetes Personal, damit Inklusion in Schulen gelingen könne.
Am Ende läuft die Zeit zu schnell ab, als dass alle Fragen aus dem Publikum hätten beantwortet werden können. Für einen kurzen Blick auf versteckte Seiten der Abgeordneten – abseits des politischen Normalbetriebs – dürfte der Vormittag allerdings ausgereicht haben.