Was kann es eigentlich für einen bayerischen Ministerpräsidenten Wichtigeres geben als Gadheim? Natürlich nichts, würden die 80 Einwohner des Weilers östlich von Veitshöchheim im Herzen der Europäischen Union sagen.

Wer oder was nun am Freitagnachmittag wichtiger als Gadheim war, weiß dann doch niemand. Am Abend zuvor gab es einen Anruf bei Karen Heußner im Kulturamt der Gemeinde. Jemand aus der Bayerischen Staatskanzlei hat Söders länger geplanten Besuch zur Eröffnung des EU-Mittelpunktes kurzfristig abgesagt. "Terminkollision", hieß es kurz und knapp.

Wo war Söder?

Auch Digitalministerin Judith Gerlach, die schnell für ihren Chef eingesprungen ist, weiß nicht mehr. "Er selber war es ja, der gesagt hat, er kommt zur Einweihung. Seinetwegen wurde der Termin auch immer wieder verschoben", sagt Bürgermeister Jürgen Götz, der nicht zugeben will, dass er über die Absage schon auch ein bisschen enttäuscht ist. "Frau Gerlach ist aber eine würdige Vertreterin", sagt er am neuen Mittelpunkt Europas. 

Fotoserie

Veitshöchheim

Einweihung geografischer Mittelpunkt Europas

Dieser liegt jetzt auf acht Grad, 54 Minuten und sieben Sekunden östlicher Länge. Und 49 Grad, 50 Minuten und 35 Sekunden nördlicher Breite. Auf einem Acker im Nirgendwo. Umgeben von herrlich blühenden Wiesen mit einem Ausblick, der atemberaubend ist. Ein Quader aus Muschelkalk und ein senkrecht in den Boden geschlagener rot-weißer Pfosten markiert den neuen EU-Mittelpunkt.

Gadheimer dürfen nur aus der Ferne zusehen

Ein Fest wollte Bürgermeister Götz eigentlich feiern. Zusammen mit allen Gadheimern. Die dürfen jetzt aber nur aus der Ferne zusehen, wie der kleine Ort von Fernsehkameras und Fotoapparaten eingefangen wird. Denn nur geladenen Gästen ist der Zutritt zum inneren Kreis erlaubt. Das Coronavirus vermiest den Gadheimern diesen historischen Tag.  

Es war die Nacht auf den ersten Februar, als Großbritannien aus der EU austrat und sich der geographische Mittelpunkt von Westerngrund im Landkreis Aschaffenburg nach Gadheim verschob. "Die Veitshöchheimer hätten gerne auf diese Ehre verzichtet", sagt Götz, denn über den Brexit könne sich schließlich kein Europäer freuen. Freilich ist sich Europas neuer Mittelpunkt-Bürgermeister auch bewusst darüber, dass diese Ehre zeitlich befristet ist. Schließlich habe das Kosovo  bereits 2016 einen Antrag auf Aufnahme in die EU gestellt, weiß er. 

Söder hinterlässt eine Widmung im Gästebuch

Mit Wehmut spricht Digitalministerin Judith Gerlach am neuen EU-Mittelpunkt. Denn bis zum 1. Februar lag dieser noch in ihrem Wahlkreis. Aber, weil Gadheim ja nur ein Speerwurf weit entfernt liege, könne sie das gut verkraften. Und auch, dass "Unterfranken weiter der Nabel Europas bleibt", tröstet sie.  

Dann wählt die Ministerin aus ihren drei Mund-Nasen-Bedeckungen jene, auf der die Europa-Flagge zu sehen ist. Die beiden anderen mit fränkischen und bayerischen Mustern steckt sie wieder ein. "Ich bin froh, dass ich mich im wahren Leben nicht entscheiden muss. Denn meine Heimat ist Franken, Bayern und Europa." 

Wenigstens im Gäste-Buch, das Digitalministerin Gerlach an Jürgen Götz übergibt, gibt es einen Gruß des Ministerpräsidenten. "Franken ist einfach der Mittelpunkt", schreibt Söder. Er wird wohl erst wieder zur Fastnacht in Franken nach Veitshöchheim kommen, wenn nichts Wichtigeres oder gar Corona dazwischen kommt.