Trotz aller demonstrativ zur Schau getragenen Siegesgewissheit, die Spannung ist bei den Verantwortlichen der CSU kurz vor dem 8. Oktober mit Händen zu greifen. Mit einer 90-minütigen, trotz aller Spitzen gegen Ampel und Grüne eher staatsmännisch vorgetragen Rede, versuchte Markus Söder eine Woche vor dem Wahlsonntag in Würzburg, seine Anhängerinnen und Anhänger für den Endspurt im Wahlkampf zu motivieren. Es hätten schließlich "längst noch nicht alle Wählerinnen und Wähler" ihre Stimmen abgegeben, sagte der bayerische Ministerpräsident bei der Abschlusskundgebung für Unterfranken. Laut Parteiangaben waren es rund 600 Sympathisanten, die in der Würzburger Posthalle Söder am Ende feierten.
CSU-Chef Söder: Niederlage bei Würzburger Direktmandat von 2018 schmerzt noch
Die CSU hat ein Luxusproblem: Einerseits ist klar, dass sie die Wahlen gewinnen und mit Söder auch künftig den Ministerpräsidenten stellen wird. Viele an der Basis glauben deshalb, es sei letztlich doch egal, ob man mit 35 oder 38 Prozent vorne liegt. Andererseits wäre es für Söder und die Parteispitze mit Blick auf die anstehenden Koalitionsgespräche mit den Freien Wählern nicht gerade von Vorteil, wenn man unter den 37,2 Prozent von 2018 bliebe, die als historisch schlechtes Ergebnis galten.
Daneben - und auch das war in der Posthalle spürbar - liegt viel Spannung im Stimmkreis Würzburg. Vor fünf Jahren schnappte hier mit Patrick Friedl ein Grüner sensationell der CSU das sicher geglaubte Direktmandat weg. Anders als andere Verluste habe die Niederlage in Würzburg "richtig weh getan", räumte Söder jetzt ein. Deshalb wolle man den symbolträchtigen Stimmkreis mit der Kandidatin Andrea Behr zurückgewinnen. "Damit Würzburg bei den politischen Entscheidungen der Staatsregierung künftig wieder mit am Tisch sitzt."
Menü à la Söder: Die CSU als Schweinebraten, die Freien Wähler nur Beilagensalat
Behr wurde denn auch von der CSU-Regie erkennbar in Szene gesetzt. Sie durfte direkt neben Söder in den Saal einlaufen, die unterfränkische Spitzenkandidatin Judith Gerlach musste ein wenig zur Seite rücken. Und die Würzburger Kandidatin durfte die Veranstaltung auch eröffnen. Markus Söder bemühte sich, in seiner Rede, in der er die amtierenden unterfränkischen CSU-Größen wie immer kräftig lobte, gleich mehrfach auch die "liebe Andrea" unterzubringen.
Einen, der ihm in diesen Wahlkampf-Monaten viel Ärger bescherte, versuchte der CSU-Chef dagegen gar nicht zu erwähnen: Hubert Aiwanger, mit dem er ja erklärtermaßen weiterregieren möchte. Nur eine kleine Spitze hatte er für den Freie-Wähler-Chef übrig: Als er Ministerin Gerlach für ihr Geschick lobte, dem Wirtschaftsminister die Digitalisierung erklärt zu haben, das war's.
Was Markus Söder von der Deutschen Weinkönigin unterscheidet
Ganz am Ende dann noch der erneute Hinweis, dass die CSU der "Schweinebraten", also das Herzstück der Staatsregierung sei, die Freien Wähler hingegen "nur der Beilagensalat". Bundesweit könne lediglich die CSU Einfluss zugunsten Bayerns nehmen, so Söder: "Die Ampel hat keine Angst vor den Freien Wählern."
Was seine eigenen Ambitionen auf Bundesebene betrifft, so hätten diese in der Posthalle eigentlich gar keine Rolle gespielt. Wenn Söder sie nicht selbst mal wieder angesprochen hätte. Es sei ein großer Erfolg, dass die Fränkische Weinkönigin Eva Brockmann jetzt die "Nummer eins in Deutschland ist", lobte der Ministerpräsident - und ergänzte selbstironisch: "Ich hab's ja nicht geschafft."
An der Politik, die derzeit in Berlin gemacht wird, ließ der CSU-Chef einmal mehr kein gutes Haar. Er erneuerte seine Forderungen unter anderem zur Rückkehr zur Kernenergie, zur Senkung oder Abschaffung der Stromsteuer, der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, der Grunderwerbssteuer und der Erbschaftssteuer fürs Eigenheim, um die Konjunktur anzukurbeln.
Woher das Geld dafür kommen soll, sagte Söder nicht. Gleichzeitig aber betonte er immer wieder, die Staatsregierung werde an Investitionen in die Wirtschaft, in den Wissenschaftsstandort Bayern, in die Schulbildung und in Familien nicht sparen.
Sticheleien gegen die Grünen - und Bezirkschef Steffen Vogel legt die Latte hoch
Den meisten Beifall gab's, wie zuletzt immer bei Söder, bei den Sticheleien gegen mutmaßliche oder tatsächliche (Verbots-)Ideen seitens der Grünen und ihrer "woken" Freundinnen und Freunde. Statt sich um die wirklichen Sorgen der Menschen zu kümmern, wollten diese Luftballons verbieten, nur noch das Trinken von Algen-Smoothies erlauben und Mütter zum "gebärenden Elternteil" sprachlich degradieren.
So ganz unwichtig scheinen die Themen dem CSU-Chef aber auch wieder nicht zu sein, schließlich lässt es sich daran ganz prima abarbeiten.
Am Ende der Kundgebung versprach CSU-Bezirkschef Steffen Vogel seinem Parteichef, dass Unterfranken seinen Beitrag zu einem starken Wahlergebnis liefern werde. Vermutlich wieder das beste aller CSU-Bezirksverbände. Die Messlatte liegt also hoch.
(und kommt mir jetzt bitte nicht mit dem Joschka von vor hundert Jahren..)