
Seit 2008 gibt es das Umgehungsgerinne an der Staustufe Randersacker. Als Pilotprojekt gebaut, hat sich der künstliche Bachlauf inzwischen zu einem wertvollen Lebensraum für Fische, Insekten und Kleinstlebewesen entwickelt und zugleich zu einem grünen Klassenzimmer, in dem die Tier- und Pflanzenwelt des Mains erlebbar wird. Vor allem dann, wenn Mitarbeiter des Bezirks Unterfranken gemeinsam mit der Fischerzunft Randersacker zur Probebefischung ausziehen, um festzustellen, welche Fische sich in dem Gewässer besonders wohl fühlen.
In einer hüfthohen Gummihose stapft Fischerwirtschaftsmeister Matthias Schäffner durch das Bachbett und schiebt das Boot vor sich her, auf dem der Generator knattert. Wie seine beiden Mitarbeiter Stefan Hummel und Tobias Lurz trägt er lange Gummihandschuhe. Sie dienen seinem Schutz, denn was die drei Mitarbeiter des Bezirks Unterfranken tun, ist eine spannungsgeladene Sache.

Die runde Patsche, die Stefan Hummel ins Wasser taucht, scheint Zauberkräfte zu haben. Fische jeder Größe kommen aus ihren Verstecken und lassen sich willenlos fangen. Das Geheimnis hinter der Patsche ist elektrischer Gleichstrom, der mit einer Spannung von 300 Volt ins Wasser eingeleitet wird. Fische werden davon nicht nur bewegungsunfähig gemacht, sondern regelrecht angezogen. Der Schock hält nur wenige Sekunden an und schadet den Tieren nicht, versichert der Fischereifachberater des Bezirks, Wolfgang Silkenat. Kurze Zeit später suchen sie wieder quietschfidel das Weite.
Schonende Fangmethode
Das Fischen mit Strom ist die schonendste Methode, um regelmäßig zu überprüfen, welche Fische sich in dem Umgehungsgerinne aufhalten. Es war gebaut worden, um dem Main seine biologische Durchlässigkeit zurückzugeben, die ihm mit dem Bau der Staustufe im Jahr 1950 genommen wurde. Vor allem Wanderfische wie Aale oder Barben und irgendwann vielleicht sogar wieder die ersten Lachse sollten so im stauregulierten Main zu ihrer natürlichen Lebensweise zurückfinden können.

An diesem Tag haben Matthias Schäffner und seine Kollegen ein große Schar von Zuschauern. Die Fischerzunft Randersacker hat zur Ferienaktion eingeladen. "Die Kinder, die am Main aufwachsen, sollen kennenlernen, welche Fische im Main leben", sagt Zunftmeister Hubert Holl. Die alljährliche Aktion am Beginn der Sommerferien ist beliebt bei den Kindern, doch so viele wie in diesem Jahr seien es noch nie gewesen.
Bevor der Fang wieder in die Freiheit entlassen wird, gibt Wolfgang Silkenat den Kindern Gelegenheit, die unterschiedlichen Arten kennenzulernen. Verschiedene Weißfische - Rotaugen, Rotfedern, Nasen - sind den Fischern heute ins Netz gegangen, aber auch kleine Flussbarsche, ein Zander, ein Aal und sogar ein stattlicher Hecht. Die Raubfische scheinen den Umgehungsbach wegen der vielen kleinen Beutefische zu schätzen, die sich im dichten Ufergürtel aus Lauchkraut und Röhricht verstecken.
Umgehungsbach droht zu verlanden
Biologe Silkenat sieht den Bewuchs mit gemischten Gefühlen. Die Pflanzen halten Schwebstoffe fest, die durch die Schifffahrt in den Bach gedrückt werden und so dessen Verlandung beschleunigen. "Es sind zu viele Nährstoffe im Wasser, deshalb wächst alles so gut", sagt er. " Wir haben die Sorge, dass sich der Bach immer mehr zusetzt." Beinahe jährlich muss deshalb gepflegt und nachgearbeitet werden.

Seit einem Jahr hat sich auch der Flutende Hahnenfuß angesiedelt. Seitdem erst weiß Hubert Holl, was die alten Fischer einst meinten, als sie vom blühenden Main erzählten. Anfang Juni überzieht der Hahnenfuß das Gewässer mit einem Meer weißer Blüten, die an meterlangen Trieben an der Oberfläche treiben. Aus dem Main hat die Schifffahrt das Kraut vertrieben. Aber auch Rohrkolben, Schwanenblume, Rainfarn, Mädesüß, Iris und die gelben Blüten des wilden Topinambur sind am Umgehungsbach anzutreffen.
1000 Liter pro Sekunde sollten eigentlich oberhalb der Staustufe in den Umgehungsbach fließen. Tatsächlich sind es in Spitzenzeiten höchstens 800, sagt Wolfgang Silkenat. So wertvoll das Gewässer auch als neuer Lebensraum für Pflanzen und Tiere geworden ist, sein eigentliches Ziel, den Aufstieg von Wanderfischen zu ermöglichen, hat es verfehlt. Die Strömung, mit der sich das Wasser nach 1345 Metern unterhalb der Staustufe wieder in den Main ergießt, reicht nicht aus, um die großen Wanderfische anzulocken, weg vom Auslauf der Kraftwerksturbine am anderen Ufer.
Lebensraum wird weiter untersucht
"Das Gerinne kann noch so gut sein, wenn die Fische den Eingang nicht finden, hilft das nichts", sagt Wolfgang Silkenat. Trotzdem habe das erste Bauwerk seiner Art am Main wichtige Erkenntnisse darüber geliefert, wie sich künftige Umgehungsbäche wirksamer gestalten lassen. "Wir haben sehr viel gelernt hier", sagt der Biologe. Und das soll auch zukünftig so sein. Erst kürzlich hat der Landesfischereiverband im Rahmen einer Diplomarbeit eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die den Lebensraum als Ganzes untersucht, also neben den Fischen auch die übrige Tier- und Pflanzenwelt.