Auf Facebook machte im Dezember 2016 ein Bild von Renate Künast die Runde, das ein angebliches Zitat der Grünen-Politikerin enthielt. Es spielte auf den damals mutmaßlichen Mörder, einen Flüchtling, an, der eine Studentin in Freiburg getötet haben soll. Die Politikerin habe angeblich gesagt, dass der traumatisierte Flüchtling zwar getötet habe, man ihm aber trotzdem helfen müsse. Angebliche Quelle sei die „Süddeutsche Zeitung“ gewesen – alles erfunden. Das war eine sogenannte Fake News, eine wissentlich gefälschte oder erfundene Nachricht also, die häufig über soziale Netzwerke verbreitet wird. Aber warum verbreiten Menschen Lügen im Netz und was wollen sie damit erreichen?
„Lügen ist so alt wie die Menschheit selbst, dafür gibt es viele Motive“, sagt Hans-Joachim Lauth von der Universität Würzburg. Aus Sicht des Lehrstuhlinhabers für Vergleichende Politikwissenschaften nahm der Begriff im vergangenen Jahr besonders mit Donald Trumps Wahlkampf Fahrt auf. Der jetzige US-Präsident und Republikaner feuerte seinen Wahlkampf auf sozialen Netzwerken an. Während des Wahlkampfes geisterten regelmäßig erfundene Neuigkeiten über seine Gegenspielerin, die demokratische Politikerin Hillary Clinton, durch das Internet – laut Medienberichten angeblich zum Teil durch Trumps Kampagnenteam verbreitet.
"Mobbing im großen Stil"
„Soziale Netzwerke sind ein öffentlicher Raum, der mittlerweile immer stärker politisch instrumentalisiert wird“, sagt Lauth. Wer absichtlich Fake News verbreitet, verfolge ein bestimmtes Ziel. „Im politischen Geschäft werden Fake News strategisch eingesetzt, um Gegenspieler zu diffamieren und zu schwächen – im Prinzip ist das Mobbing im großen Stil.“ Lauth bezweifelt aber, dass Trump falsche Informationen immer mit voller Absicht verbreitet: „Trump scheint verblendet. Er hat eine sehr verzerrte Wahrnehmung und nur das, was er wahrnimmt, ist für ihn Realität.“ So verbreite er laut des Politikwissenschaftlers das, was seiner verzerrten Wahrnehmung entspreche, aber er lüge anscheinend auch bewusst, um politischen Nutzen daraus zu ziehen – was im Wahlkampf zu beobachten gewesen sei.
Doch nicht jeder, der Fake News im Internet verbreitet, hat politische Ambitionen. Einige Betreiber von Webseiten haben Falschnachrichten im Internet zu einem lukrativen Geschäft gemacht. Dabei gehen sie raffiniert vor: Sie setzen Webseiten auf, deren Inhalte sie auf Facebook verbreiten und nutzen die Aufmerksamkeit, die aktuelle Ereignisse wie beispielsweise die US-Wahl nach sich ziehen.
Fake News als Geschäft: bis zu 40 000 Dollar im Monat
Zwei Autoren von Falschmeldungen haben während des US-Wahlkampfes laut eines Artikels der „Los Angeles Times“ pro Monat rund 10 000 bis 40 000 Dollar verdient. Mit reißerischen Überschriften sollen sie Leser auf ihre falsche Nachrichtenseite gelockt und gezielt Trump-Wähler angesprochen haben. Geld verdienen Betreiber wie diese, indem sie Werbung schalten. Je mehr Besucher auf eine Seite klicken, desto mehr Werbeeinnahmen kommen zustande.
Einige Politiker fürchteten sich bereits vor Beginn des Bundestagswahlkampfes vor einer Flut an Fake News, einige forderten bereits gesetzliche Maßnahmen gegen die Falschnachrichten im Netz. Aber haben Lügen auf Facebook die US-Wahl entschieden und werden sie in Zukunft die Wahlen bestimmen?
Astrid Carolus von der Universität Würzburg bezweifelt, dass allein Fake News für Donald Trumps Sieg verantwortlich waren. „Der Einfluss von Fake News ist geringer als wir denken“, sagt die Medienpsychologin. Medien können Effekte haben, seien aber nur ein kleiner Baustein von dem, was unsere Entscheidungen beeinflusst, sagt sie. Was nach wie vor eine größere Rolle bei unserer Meinungsbildung spiele, sei unser direktes Umfeld. Der Erfolg von Fake News hänge laut Politikwissenschaftler Lauth letztendlich von seinem Publikum ab.
Der Filterblasen-Effekt
Vor der US-Wahl haben Falschmeldungen auf Facebook zum Teil mehr Menschen als die Nachrichten etablierter Medien erreicht. Ob Fake News im Wahlkampf Meinungen umstimmen, sei jedoch zweifelhaft. Lauth geht davon aus, dass sie in den USA vielmehr bereits vorhandene polarisierte Meinungen verstärkt haben: „Anscheinend haben viele Anhänger Trumps ähnlich verzerrte Weltsichten wie er.“
Dazu kommt, dass auf sozialen Netzwerken letztendlich das passiert, was außerhalb des Internets gilt: Wir bewegen uns in sogenannten „Filterblasen“, sagt Medienpsychologin Carolus. Das heißt, wir umgeben uns bevorzugt mit Gleichgesinnten und ähnlichen Meinungen. „Menschen nehmen bewusst das wahr, was ohnehin schon ihrer Meinung entspricht. Sich mit anderen Meinungen befassen war schon immer der schwierigere Weg.“
Gefährlich für die demokratische Willensbildung
Der Filterblasen-Effekt in sozialen Netzwerken stellt laut Datenschützer Thomas Petri eine problematische Entwicklung dar. „Die Demokratie lebt davon, dass sich der Einzelne aus unterschiedlichen Quellen informiert und sich mit gegensätzlichen Meinungen beschäftigt“, sagt der bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz. Als potenziell gefährlich stuft er
Fake News für die demokratische Willensbildung ein, „wenn es so weit ist, dass der Bürger nicht mehr weiß, was echte Nachrichten sind und was nicht und wenn es zur Regel wird, dass er Nachrichten nicht mehr trauen kann“.Dass Fake News seit Kurzem auch hierzulande an Relevanz gewinnen, hänge damit zusammen, dass sie sich im Internet unkontrolliert verbreiten, so Politikwissenschaftler Lauth. Neuigkeiten müssen nicht mehr über offizielle Medien verbreitet und somit sorgfältig geprüft werden, sondern können, wie es beispielsweise Trump macht, direkt getwittert werden. Anders als Medien, die falsche Meldungen korrigieren müssen, sind Fake-News-Erzeugern in sozialen Netzwerken kaum Grenzen gesetzt. JAS