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Kleinochsenfurt
Vor 50 Jahren: Wie der Ochsenfurter Frank Lindemann den Terroranschlag bei den Olympischen Spielen in München erlebte
Frank Lindemann und Manfred Hinkelmann vom Turnverein Ochsenfurt besuchten die Olympischen Spiele 1972 in München als der Angriff erfolgte. Wie sie die Situation erlebten.
Der 84-jährige Frank Lindemann (links) und Manfred Hinkelmann (83) erinnern sich an den gemeinsamen Besuch der Olympischen Spiele in München. 
Foto: Patty Varasano | Der 84-jährige Frank Lindemann (links) und Manfred Hinkelmann (83) erinnern sich an den gemeinsamen Besuch der Olympischen Spiele in München. 
Simon Hörnig
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:45 Uhr

Es ist der Morgen des 6. Septembers 1972. Der Ochsenfurter Frank Lindemann steht vor dem Münchener Olympiastadion und fragt sich, ob der Traum, seine Leichtathletik-Idole live zu erleben, noch wahr werden wird.

Einen Tag zuvor, am Morgen des 5. Septembers, als Lindemann von seinem damaligen Wohnort Lörrach nach München aufbrach, überfiel eine Gruppe von acht palästinensischen Terroristen das Wohnquartier der israelischen Mannschaft im Olympischen Dorf, tötete zwei Teammitglieder und nahm neun weitere als Geiseln. Ein Befreiungsversuch durch die bayerische Polizei in der Nacht vom 5. auf den 6. September endete schließlich in der Katastrophe: Alle neun Geiseln, ein Polizist und fünf Terroristen kamen ums Leben.

Frank Lindemann (mittig mit Brille) neben seiner Schwägerin Angelika Lindemann und ihren Kindern Jan und Katrin unter der Olympischen Fackel
Foto: Jürgen Lindemann | Frank Lindemann (mittig mit Brille) neben seiner Schwägerin Angelika Lindemann und ihren Kindern Jan und Katrin unter der Olympischen Fackel

Überraschende Begegnung mit Innenminister Hans-Dietrich Genscher

Von der Eskalation der Ereignisse weiß der damals 34-Jährige in dem Moment noch nichts, als Hans-Dietrich Genscher, damaliger Bundesinnenminister und Walter Tröger, Bürgermeister des Olympischen Dorfes, mit ihrer Entourage direkt an ihm vorbeilaufen.

"Das ist mir noch so gravierend in Erinnerung, diese verantwortlichen Leute in dieser Situation so hautnah mitzuerleben. Da habe ich schon gemerkt, dass die sehr niedergeschlagen waren," beschreibt der mittlerweile 84-jährige Ochsenfurter seine Eindrücke von damals. "Einzelheiten, wie die Anzahl der israelischen Todesopfer haben wir ja dann erst später erfahren – das war aber der damaligen Nachrichtenlage geschuldet." Klar war hingegen der Umstand, dass die Spiele aufgrund der Attacke unterbrochen waren und ihre Wiederaufnahme noch in den Sternen stand.

Das mit 70.000 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkaufte Olympiastadion bei einem der begehrten Leichtathletik-Wettbewerbe
Foto: Jürgen Lindemann | Das mit 70.000 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkaufte Olympiastadion bei einem der begehrten Leichtathletik-Wettbewerbe

Eintrittskarten besorgte Lindemanns Zwillingsbruder in den USA

"Da war ich schon im Zwiespalt", erinnert sich Lindemann. "Einerseits hatte ich natürlich mitgefühlt mit dieser ganzen Situation, andererseits hatten wir soviel investiert um dabei zu sein." Und damit meint der gebürtige Hamburger, der als diplomierter Braumeister gut verdiente, keineswegs nur den finanziellen Aspekt.

Da die Nachfrage in Deutschland enorm war, hatte sich Lindemann, der bereits seit seiner Jugend aktiv Leichtathletik im Turnverein Ochsenfurt (TVO) praktizierte, die Eintrittskarten für die begehrten Leichtathletik-Wettbewerbe aus den USA kommen lassen. Dafür hatte er seinen Zwillingsbruder Jens, der gerade in Lexington promovierte, ein ganzes Jahr im Voraus darauf angesetzt. Im Juli 1972 hatte er die ersehnten Karten dann in Händen - zwei Monate vor Beginn der Spiele. Sorgen, dass sie nicht rechtzeitig ankommen könnten, habe er sich jedoch nicht gemacht: "Ich habe mich immer auf meinen Bruder verlassen können."

Frank Lindemann mit einer der damaligen Eintrittskarten, die sein Zwillingsbruder Jens ihm aus den USA schickte.
Foto: Patty Varasano | Frank Lindemann mit einer der damaligen Eintrittskarten, die sein Zwillingsbruder Jens ihm aus den USA schickte.

Weitaus weniger kompliziert gestaltete sich dieser Prozess für seinen langjährigen Turnfreund beim TVO, Manfred Hinkelmann, der zur Zeit der Olympischen Spiele über seine Position als Sport- und Jugendwart im Bayerischer Leichtathletik Verband im Kreis Würzburg an Tickets kam und es auch 16 weiteren Leichtathletinnen und Leichtathleten aus Ochsenfurt ermöglichte, dem Ereignis beizuwohnen.

"The Games must go on!"

So fieberten sie in München gemeinsam auf die Entscheidung des Olympischen Komitees hin. Dessen damaliger Präsident Avery Brundage verkündete schließlich im Rahmen der Trauerfeier am 6. September mit den berühmten Worten "The Games must go on!" die Fortsetzung. "Dieser Appell hat schon gegriffen", erinnert sich Hinkelmann. "Die Stimmung war an den beiden Tagen der Attacke zwar sehr getrübt, aber dann hat dieses ganze Drum und Dran – die Faszination der Spiele – doch wieder Vieles ins Lot gebracht."

Fotoserie

Eine Einschätzung die auch Lindemann teilt und trotz seiner Gewissensbisse froh war über den Beschluss. Bei seiner Begegnung mit Genscher habe er sich daher zuvor bereits insgeheim gedacht: "Schau, dass du es hinbringst!"

Während dem Rentner nach 50 Jahren vor allem dieses Aufeinandertreffen prägend in Erinnerung geblieben ist, schwärmt sein Freund besonders von sportlichen Höhepunkten, wie den Glanzleistungen von Ulrike Meyfarth und Klaus Wolfermann sowie den gemütlichen Nachgesprächen in Münchens Gastwirtschaften. In einem Punkt sind sich die begeisterten Leichtathleten jedoch einig: "Wir sind froh, dass wir es mitgemacht haben, dass wir die Chance ergriffen haben, das zu sehen zu erleben." 

 
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Kommentare
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  • eichhorn
    Hallo Herr Lindemann, mein Name ist Georg Eichhorn wohnhaft in Marktbreit, ich war als Soldat
    während der gesamten Olympiate anwesend und habe den gesamten Anschlag aus direkter Nähe mit erlebt ich war im DOZ stationiert.
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