Manche Ideen sind so einleuchtend, dass gar nicht mehr auffällt, wie ungewöhnlich sie sind. Zum Beispiel ein Konzertprogramm mit dem Titel "Götterfunke", das nicht (christlicher) geistlicher Musik gewidmet ist, sondern Kompositionen, die sich mit dem auseinandersetzen, was Menschen seit Jahrtausenden fasziniert - dem Unerklärlichen, dem Magischen, dem Göttlichen eben. Dass dabei gelegentlich biblische Bezüge weiterhin eine Rolle spielen können, ist klar, aber bei "Götterfunke" haben eben auch Werke ihren Platz, die von antiker Mythologie oder den natürlichen Wundern der Welt inspiriert sind.
Theresa Maria Romes und Marie-Thérèse Zahnlecker hatten diese Idee für den zweiten von drei Abenden der aktuellen Ausgabe ihres Festivals "Kammermusik! Würzburg". Die Sängerin und die Pianistin, die die jährliche Reihe seit 2021 organisieren und leiten, entwickeln ihre Programme um ein gesetztes Stück herum, zu dem sie weitere Werke stellen, die dann bei aller stilistischen Unterschiedlichkeit verblüffend schlüssige Abende ergeben.
Es steht ausdrücklich die Musik im Vordergrund
Dabei steht ausdrücklich die Musik im Vordergrund, es gibt weder vermeintlich innovative Konzertformate, noch Moderationen. Das Publikum wird dennoch nicht mit dem oft weniger bekannten Repertoire alleingelassen: Studierende des Instituts für Musikforschung der Uni Würzburg verfassen jedes Jahr die hilfreichen Texte im Programmheft.
Die Programmvielfalt mit Alter und Neuer Musik und allem dazwischen wird nicht nur durch monatelange Recherche zwischen den Festivalausgaben möglich, sondern durch eine weitere ebenso einleuchtende wie ungewöhnliche Idee: Romes und Zahnlecker laden nicht einfach bestehende Ensembles ein, um jeweils ein Konzert zu bestreiten, sondern stellen jedes Mal aufs Neue ein eigenes Festival-Ensemble zusammen, das die Programme gemeinsam einstudiert.
Bei "Götterfunke" waren am Samstag neun von diesmal zwölf Musikerinnen und Musikern des Festivals im vollbesetzten Maschinenhaus auf dem Bürgerbräugelände im Einsatz: Theresia Maria Romes (Sopran), Anissa Baniahmad (Flöte), Maria-Theresia Freibott (Harfe), Marie-Thérèse Zahnlecker und Jonas Gleim (Klavier) und das Eliot Quartett mit Maryana Osipova und Alexander Sachs (Violine), Dmitry Hahalin (Viola) und Michael Preuß (Violoncello).
Die Mitwirkenden sind ebenso sorgfältig ausgewählt wie die Stücke
Wo sonst könnte man Astor Piazzollas "La Muerte del Angel" (Der Tod des Engels) für Flöte, Violine und Klavier in einem Programm mit Beethovens spätem Streichquartett op. 132 hören? Oder Manuel de Fallas wunderbare Klangreise "Psyché op. 75" für Sopran, Flöte, Harfe, Violine, Viola und Violoncello mit der Bearbeitung von Bachs Kantaten-Arie "Schafe können sicher weiden" für Klavier vierhändig?
Die Mitwirkenden sind ebenso sorgfältig ausgewählt wie die Stücke - weshalb bei "Kammermusik! Würzburg" auf ebenso kompetente wie engagierte Ausführung Verlass ist. Wobei sich diesmal vor allem die Einladung des Frankfurter Eliot Quartetts als Glücksgriff erwies. Die Mitglieder hatten schon in der ersten Hälfte in unterschiedlichsten Besetzungen begeistert, mit Beethovens op. 132 stellten sie sich als Ensemble der ersten Liga vor.
Faszinierend, wie es doch immer wieder gelingt, berühmten Werken neue Nuancen abzugewinnen. So klang das drittletzte von Beethovens 17 Werken für Streichquartett, entstanden zwei Jahre vor dessen Tod, bei den Eliots nicht dekonstruiert oder fragmentarisch. Sondern verspielt und verwegen. Und der "Heilige Dankgesang eines Genesenen an die Muttergottheit" klang ganz im Sinne des Konzertmottos: überirdisch schön.