
Ende 2017 sitzt Matthias Pieper in einem Vorlesungssaal in Würzburg und lauscht den Worten von Wirtschaftsprofessor Niko Paech. Dessen Botschaft habe Pieper wie ein Schlag getroffen: "Unser Wirtschaftsmodell, das auf ständiges Wachstum setzt, ist nicht mit den begrenzten Ressourcen unseres Planeten vereinbar." Für Pieper, damals noch weit entfernt von seiner heutigen Rolle als Geschäftsführer des Zukunftshauses, sei es ein Weckruf gewesen.
Der Vortrag über die Grenzen des Wachstums und die Notwendigkeit, unser Konsumverhalten zu verändern, habe ihn nicht mehr losgelassen, erzählt er Jahre später. Auf dem Heimweg habe Pieper überlegt, wie solche Ideen in die Praxis umgesetzt werden könnten – weniger kaufen, mehr teilen und reparieren, Ressourcen schonen. Noch ahnte er nicht, dass genau aus diesem Gedanken das Zukunftshaus in Würzburg entstehen würde.
Vor zwei Jahren schließlich eröffnete Pieper in der Augustinerstraße in der Würzburg Innenstadt das Zukunftshaus. Vier Säulen machen das Haus aus: Mieten, Reparieren, nachhaltig kaufen und tauschen. Denn in den Räumlichkeiten findet auch der Tauschladen vom Verein Zukunftswerk Platz. Gut erhaltene Saisonkleidung, Elektrogeräte, Bücher, Küchenutensilien oder Accessoires warten dort auf neue Besitzerinnen und Besitzer. Die Genossenschaft, die das Haus angemietet hat, übernimmt die Verantwortung für die drei Bereiche, doch der Tauschraum vom Zukunftswerk wird ehrenamtlich betrieben.
Zukunftswerk mit Tauschräumen ist eines von vier Säulen des Zukunftshauses
Es sei ein Ort des Austauschs, nicht nur von Dingen, sondern auch von Ideen und Begegnungen, sagt Dagmar Dauerer, stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Begonnen hat die Geschichte des Zukunftswerks vor fünf Jahren. "Damals war es nur eine Idee, getragen von einer Gruppe engagierter Menschen", erinnert sich Haag. "Wir wollten einen Ort schaffen, der Nachhaltigkeit fördert, Ressourcen schont und den Menschen konkrete Alternativen zum Wegwerfkonsum bietet." Was als loser Zusammenschluss begann, wuchs bald zu einem Verein heran.
Mittlerweile betreuen etwa 40 bis 50 Ehrenamtliche den Tauschraum. Manche seien jede Woche da, mit festen Schichten von zwei Stunden, andere helfen sporadisch bei Veranstaltungen oder Projekten. "Es ist eine bunt gemischte Gruppe, von Schülern über Studenten bis hin zu Rentnern", sagt Haag. Die Ehrenamtlichen nehmen die Waren an, sortieren sie und erklären den Kunden das Prinzip hinter dem Tauschraum. Haag zufolge weit mehr als ein Ort, an dem Dinge den Besitzer wechseln. Für viele Menschen spiele der soziale Aspekt eine zentrale Rolle.
Der Tauschraum ist auch ein Ort der Begegnungen
"Manche kommen aufgrund finanzieller Engpässe, andere schätzen die Gemeinschaft", sagt Haag. Die Zusammenarbeit zwischen dem Verein und der Genossenschaft, die das Zukunftshaus betreibt, sei dabei unerlässlich. "Ohne diese Kooperation würde das Ganze nicht funktionieren", betont Haag. Beide teilten sich nicht nur die Miete, sondern auch den Einsatz für Nachhaltigkeit.

"Wir wollen den Menschen konkrete Möglichkeiten bieten, nachhaltig zu handeln", sagt Haag. Der Zugang sei bewusst niedrigschwellig gestaltet – jeder könne mitmachen, ob etwas gebracht, nur mitgenommen oder gespendet wird, Vertrauen sei dabei die Basis: "Manche gehen mit vollen Taschen, andere bringen mehr, als sie mitnehmen oder nehmen nur etwas mit."
Spenden und Unterstützung tragen das Konzept
Finanziell trägt sich der Verein durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und Einnahmen aus Sonderaktionen wie Flohmärkten. "Es gibt auch eine Spendenbox im Tauschraum, und viele Menschen geben gerne etwas, auch wenn sie selbst wenig haben", erzählt Dauerer. Für sie sei es immer wieder rührend zu sehen, wie Familien, die mit wenig auskommen müssen, sich über die gefundenen Dinge freuen und trotzdem noch etwas spenden. Der Verein hat derzeit rund 80 Mitglieder, und etwa ein Drittel der monatlichen Kosten kann durch Spenden gedeckt werden.
Die Regale im Tauschraum stünden nie leer. Besonders begehrt seien Gegenstände wie Markenkleidung oder Elektrogeräte: "Es ist unglaublich, was uns alles gespendet wird", sagt Dauerer. "Manchmal kommen wirklich kuriose Sachen, wie eine komplette Fotoausrüstung mit Beleuchtung."
Idee des Tauschens auch in Schulen weitertragen
Neben dem Tauschraum gibt es mittlerweile auch Workshops, in denen Ehrenamtliche ihr Wissen weitergeben, etwa in Nähkursen oder beim Reparieren von Elektrogeräten. "Wir haben auch Kontakt zu Schulen, wo wir die Idee des Tauschens weitertragen", berichtet Dauerer. "Zum Beispiel wollen wir feste Tauschschränke an Schulen aufstellen, so können die Kinder lernen, verantwortungsbewusst mit Ressourcen umzugehen."
Es sei kein riesiger Erfolg, aber es trage sich seit zwei Jahren und gehe voran. Am Ende des Tages bleibe das Gefühl, dass dort etwas Wertvolles geschaffen wurde, sagt Haag. "Es ist ein Raum der Begegnung, des Miteinanders und ein konkreter Schritt in eine nachhaltigere Zukunft."