Über die Arbeit von Lehrern ist viel diskutiert worden in den vergangenen Wochen. Haben die Lehrkräfte den Distanzunterricht und das Homeschooling genutzt, um die Füße hochzulegen, und ihren Job auf die Eltern abgewälzt? Oder mussten Lehrkräfte im Gegenteil mehr arbeiten, auch weil die Faschingsferien abgesagt wurden? Vier Lehrer aus unterschiedlichen Schulen berichten, wie ihr Arbeitsalltag zuletzt aussah.
Förderschullehrerin Susanne Will: Ganz ohne Nähe geht es nicht
Susanne Will, die in der Außenstelle Margetshöchheim der Würzburger Christophorus-Schule eine dritte Förderklasse betreut, belastet in der Corona-Pandemie vor allem die Sorge, sich selbst anzustecken: „Ich bin 52 Jahre alt und habe großen Respekt vor der Krankheit und eventuellen Spätfolgen“, sagt Will. Corona mache ihr Angst, zumal in einer Förderschule die Hygiene-Regeln nicht immer strikt eingehalten werden könnten. Zwar würden die meisten ihrer Schüler die Corona-Regeln kennen, aber im Alltag oft nicht umsetzen können. Es gebe in ihrer Klasse auch pflegebedürftige Schülerinnen und Schüler. Nähe lasse sich beim Versorgen nicht verhindern.
Das spezielle Verhalten der Kinder verlange oftmals einfach viel körperliche Zuwendung, sagt die Förderschullehrerin: „Sie sitzen dann bei mir auf dem Schoß. Da ist keine Distanz möglich.“ Zudem sei der Bedarf an Notbetreuung in den unteren Jahrgangsstufen sehr hoch: „Von neun Kindern in meiner dritten Klasse waren bis zu sieben in der Notbetreuung.“ Deshalb sei die Klasse jetzt für den Wechselunterricht aufgeteilt worden. Für die Kinder, die zuhause bleiben, muss Susanne Will den Distanzunterricht organisieren. Viele Videokonferenzen seien da nicht möglich, sagt die 52-Jährige. Sie stelle vor allem den Eltern Lehrmaterialien und Anleitungen zur Verfügung.
Im Unterricht in der Schule habe man alles etwas langsamer angehen müssen, berichtet Susanne Will. Viele Lehrmaterialien seien desinfiziert worden, die Tische wurden immer wieder abgewischt, die Kinder müssten viel öfter zum Händewaschen gehen. Die Lehr- und Förderpläne für die einzelnen Kinder unter diesen Bedingungen durchzuhalten, sei sehr schwierig. Und beim Distanzunterricht eigentlich nicht möglich.
Am meisten störe sie, dass bei neuen Regelungen und Verlautbarungen aus dem Kultusministerium die Förderschulen oft gar nicht oder verspätet erwähnt worden seien, sagt Susanne Will. Sie hoffe jetzt auf eine schnelle Impf-Möglichkeit für alle Lehrkräfte. Als Förderschullehrerin mit teilweise pflegebedürftigen Kindern sehe sie sich sowieso eher in der Gefährdungsstufe einer Pflegekraft.
Realschul-Leiter Marcus Ramsteiner: Routinen fehlen - und Planungssicherheit
Marcus Ramsteiner ist Schulleiter der Leopold-Sonnemann-Realschule in Höchberg (Lkr. Würzburg). Der Arbeitsalltag für seine Kolleginnen und Kollegen sei durch Corona vor allem viel aufwändiger geworden: "Distanzunterricht muss völlig neu gedacht werden, Lehrerinnen und Lehrer können nicht auf die gewohnten Routinen zurückgreifen", sagt Ramsteiner. Letztlich müsse jede Unterrichtsstunde komplett neu strukturiert und vorbereitet werden.
Der Mehraufwand bestehe aber auch darin, dass man zu Beginn einer Unterrichtsstunde erst einmal sicherstellen müsse, ob auch alle Schüler dabei sind. Da müsse schon mal hinterhertelefoniert und das eine oder andere technische Problem geklärt werden, bevor es überhaupt richtig losgehen könne.
In der 5. und 6. Jahrgangsstufe habe die angebotene Notbetreuung weitere Kräfte gebunden. Zwischen zehn und zwölf Schüler seien dort betreut worden, dazu habe man auch Schüler aus höheren Jahrgangsstufen, die Probleme mit der Technik oder auch mit der Motivation gehabt hätten, in die Notbetreuung an die Schule geholt.
Von Angesicht zu Angesicht könne man vieles einfach besser erklären und besprechen, sagt Ramsteiner. Beim Distanzunterricht fehle der direkte Kontakt zum Schüler. Seine Schule habe deshalb viel Wert auf Struktur gelegt: "Es gab jeden Tag von 8 bis 13 Uhr Unterricht. Jede Stunde begann mit einer zumindest kurzen Videokonferenz."
Aktuell verteile man die Abschlussklassen im ganzen Schulhaus, wodurch alle sechs 10. Klassen komplett im Präsenzunterricht sein könnten. Er habe auch Kolleginnen und Kollegen, die halten den Distanzunterricht einer ganzen Klasse für besser als den Wechselunterricht.
Am meisten wünscht sich Ramsteiner Planungssicherheit mit einem gewissen Vorlauf. Er wisse, dass dies auch für die Politik gerade sehr schwierig sei. Aber wenn beispielsweise das Gesundheitsamt am Dienstag eine Reihentestung aller Schülerinnen und Schüler bis Donnerstag erbete, sei das eben nur mit großem organisatorischem Aufwand hinzubekommen, sagt der Realschulleiter.
Gymnasiallehrer Sebastian Rüthlein: Gut ausgestattet und entspannt mangels Klausuren
Sebastian Rüthlein ist Lehrer für Mathematik, Physik und Ethik am Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg. Der 33-Jährige zeigt sich beeindruckt, „wie gut der Distanzunterricht bei uns an der Schule läuft“. Zu verdanken sei das nicht zuletzt dem großem Einsatz der Schulleitung und der für die IT-Infrastruktur zuständigen Kollegen. „Die rödeln notfalls auch am Wochenende“, um nach jeder neuen Ansage aus dem Kultusministerium kurzfristig die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Probleme gebe es im Alltag „so gut wie gar nicht“, berichtet Rüthlein . Im Notfall statte das Gymnasium seine Schüler auch mit Laptops aus.
Rüthlein hält seine Stunden vor der Kamera nach Plan, seine Schüler schalten sich zu. Spätestens, wenn er sie aufruft, müssen sie hellwach sein. Sein Vorteil sei, sagt der Pädagoge, dass er aktuell in den Klassen acht bis zwölf unterrichte. Gerade die Schüler seiner drei Oberstufen-Klassen wüssten, „warum sie in die Schule gehen“ und beteiligten sich größtenteils gut am Unterricht, selbst wenn es um so komplexe Themen wie quadratische Gleichungen und Funktionsgrafen geht. Gerne nutze er das Internet, um beispielsweise in Physik via Youtube Versuche zu zeigen.
Über Mails und Chats habe er auch guten Kontakt zu den Eltern, berichtet Rüthlein. Weil abgesehen von den Abiturklassen derzeit keine Klausuren und Stegreifaufgaben geschrieben werden und damit auch nicht korrigiert werden müssen, sei die Arbeit für ihn im Lockdown tatsächlich weniger geworden. Er wisse um seine „fast schon luxuriöse Situation“. Viele Kollegen, vor allem auch an Grund- und Förderschulen, hätten es da deutlich schwerer.
Nichtsdestotrotz freut sich der 33-Jährige auf den Tag, an dem er alle seine Schüler vor sich im Klassenzimmer sitzen hat. Bis dahin aber sei Distanzunterricht die „bessere Alternative als Wechselunterricht“. Mal abgesehen von den vermiedenen Ansteckungsrisiken, verlaufe die komplett digitale Schulstunde „sehr viel ruhiger“ als die hybride.
Mittelschullehrerin Bettina Durchholz: Veränderter Tagesablauf und enormer Mehraufwand
Bettina Durchholz unterrichtet eine sechste Klasse an der Mittelschule im Würzburger Stadtteil Heuchelhof. Seit 19 Jahren ist sie Lehrerin, seit fünf Jahren an ihrer jetzigen Schule. Corona und Homeschooling - das bedeute für sie ein veränderter Tagesablauf und Mehrbelastung, berichtet sie. Bereits um sieben Uhr nehme sie zum ersten Mal Kontakt zu den Schülern auf. "Die Schüler müssen sich bis acht Uhr einmal gemeldet haben. Das funktioniert so langsam." Doch manchen Schülern müsse man bis zu einer Stunde lang hinterhertelefonieren und sie erstmal aufwecken, sagt Durchholz. Einige Schüler seien deshalb mittlerweile in der Notbetreuung.
Einen enormen Mehraufwand macht für Bettina Durchholz die Vor- und Nachbereitung des Stoffs aus: Lernmaterialien müssten erstmal so aufbereitet werden, dass Schüler sie verstehen. "In Präsenz ist das viel leichter, denn da kann man mehr auf einzelne Schüler eingehen." Zwei Mal am Tag unterrichtet die Mittelschullehrerin auch in Videokonferenzen ihre Klasse. Auch hierfür müsse sie ihr gesamtes Unterrichtsmaterial anpassen, damit am Ende mit Gewinn gelernt und gearbeitet werden könne. "Wir haben viele Kinder die vormittags auf sich allein gestellt sind", sagt Durchholz. Das erschwere den digitalen Unterricht enorm.
Wie für die Schüler ist auch für die Lehrer im Digitalunterricht vieles neu. Im Fach Informatik habe sie die Schüler schon das gesamte Schuljahr darauf vorbereitet - und in der Faschingswoche hätten dann nicht nur die Schüler Stoffe wiederholt und vertieft. Sondern auch sie als Lehrkraft habe viel Neues gelernt, sagt Durchholz: Sechs Fortbildungen zum Thema Digitalunterricht habe sie an den Nachmittagen besucht. Und weil Durchholz selbst noch zwei schulpflichtige Kinder hat, die ab und an ihre Aufmerksamkeit brauchen, würde ihr Arbeitstag zur Zeit immer erst abends enden.