"Kinderarzt gesucht." So lautet die Anfrage einer verzweifelten Mutter auf der Facebook-Seite Fair-Teiler Baby und Kind Würzburg, eigentlich eine Plattform, um gut erhaltende Kinderkleidung oder gebrauchtes Spielzeug zu verkaufen. Darunter etwa 60 Kommentare - teils mit Vorschlägen, wo sich die Mutter hinwenden könnte, teils von weiteren Müttern, die derzeit auch auf der Suche nach einem Arzt für ihr Kind sind.
Aktuell sind in Würzburg viele Eltern verunsichert, denn - so berichtet eine besorgte Mutter, die sich an diese Redaktion gewandt hat - von "heute auf morgen" habe ihre Kinderarztpraxis im April die Behandlung von Kassenpatienten eingestellt. Auch zwei weitere Kinderärzte, so hat die Redaktion erfahren, gehen oder sind bereits in den Ruhestand gegangen.
Aufnahmestopp in vielen Würzburger Praxen
Somit sind viele Eltern auf der Suche nach einem neuen Kinderarzt. "Leider ist die Situation der Kinderärzte in Würzburg sehr angespannt und die meisten Praxen nehmen keine neuen Patienten mehr auf", berichtet besagte Mutter zweier Kinder weiter. Sie habe die Arbeit ihres Kinderarztes immer hochgeschätzt, sei aber "vor den Kopf gestoßen" gewesen, als sie erfuhr, dass er seine gesetzlich versicherten Patienten und Patientinnen nicht mehr behandle. Erst als sie wegen eines Rezeptes in der Praxis angerufen habe, habe sie die Auskunft am Telefon erhalten, dass nur noch Privatpatienten behandelt würden.
"Dann begann die Odyssee wegen eines Logopädierezeptes für mein Kind", erzählt sie. Sämtliche Kinderärzte- und ärztinnen habe sie abtelefoniert, überall sei sie wegen aktuellen Aufnahmestopps abgelehnt worden. Letztlich habe sie beim Patientenservice um Hilfe bei der Suche gebeten - aber auch da gab es keine positive Nachricht. Ihr Hausarzt, an den sie sich verzweifelt wandte, habe das Rezept nicht ausstellen dürfen. Schlussendlich ist sie nun in einer Kinderarztpraxis in Hettstadt untergekommen, und das, "obwohl wir in Würzburg wohnen". Die dortige Sprechstundenhilfe habe ihr gesagt, dass auch dort bald das Aufnahmelimit erreich sei.
Sorge um den kranken Sohn
Eine weitere Mutter eines kleinen Jungen und einer Siebenjährigen erzählt von derselben Problematik. "Mein Sohn wurde krank und plötzlich hatten wir keinen Kinderarzt mehr und ich wusste nicht wohin", berichtet die Würzburgerin dieser Redaktion. Auch sie habe beim Patientenservice Hilfe gesucht. Ohne Erfolg. Nach längerer entmutigender Suche sei sie nun in einer Praxis in Versbach aufgenommen worden.
Auf Anfrage der Redaktion bestätigt der Kinderarzt der beiden Familien, dass er nach mehreren Jahrzehnten "und einer 14-stündigen Tagesarbeitszeit" nun nur noch Privatpatientinnen- und Patienten behandelt. Er habe beschlossen, "im Rahmen seiner Neuplanungen" seinen Kassensitz an das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Klinikum Würzburg Mitte zu übergeben. Zur Überbrückung der Monate April, Mai und Juni, so die Information einer Mutter, konnten und können anstehende Impfungen bei Kindern im MVZ über die dortige allgemeinmedizinische Versorgung durchgeführt werden.
KVB bestätigt, dass Stellen nachbesetzt werden müssen
Wie die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) auf Anfrage mitteilt, "gibt es in der Tat im Planungsbereich Stadtkreis Würzburg kurzfristig drei Niederlassungsmöglichkeiten, die nachbesetzt werden mussten bzw. noch müssen". Dies sei von der Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses Ärzte Unterfranken mitgeteilt worden. "In einem Fall liegt dem von der KVB unabhängigen Zulassungsausschuss noch ein Antrag vor, über den dieser entscheiden muss. In den zwei anderen Fällen hat der Zulassungsausschuss bereits entschieden und die Zulassungsmöglichkeiten bereits vergeben."
Das heißt: Am Ist-Zustand der Versorgung im Planungsbereich ändert sich nach Ansicht der KVB somit nichts. "Der Versorgungsgrad ist mit 189 Prozent nach den Kriterien der bundesweit gültigen Bedarfsplanung sehr gut." Aber: Man stelle immer wieder fest, dass gerade in Großstädten bei Praxisübergaben nicht alle Patientinnen und Patienten die Abgabe mitbekommen", so Axel Heise von der KVB.
Die Schwierigkeit als Neupatient- oder Patientin aufgenommen zu werden, ergebe sich - so die Erklärung der KVB - auch aus der Abschaffung der Neupatientenregelung im Januar 2023. Das Gute an der Regelung sei nämlich gewesen, dass neue Patienten von einem gedeckelten Budget in der ambulanten Versorgung ausgenommen waren. "Ärztinnen und Ärzte bekamen wirklich 100 Prozent der Vergütung, die ihnen eigentlich zusteht und eben keine gekürzte Vergütung aufgrund des gedeckelten Budgets."
Schafft Entbudgetisierung der Kinderärzte Abhilfe?
Das sei jetzt anders. Es könne Ärztinnen und Ärzten passieren, "dass sie, wenn sie viele Patienten behandeln, im Nachgang nicht das volle Honorar erhalten, weil das gedeckelte Budget überschritten wurde". Dann nämlich würden die Honorare entsprechend gekürzt. Inwieweit die geplante "Entbudgetisierung" bei den Kinder- und Jugendärzten hier Abhilfe schaffe, bleibe abzuwarten, so Heise. Demnach sollen die Krankenkassen die Leistungen der Kinderärzte und Kinderärztinnen vollständig mit den Leistungen der Euro-Gebührenordnung vergüten, heißt es auf der Onlineplattform Ärztezeitung.de.
Wie es auch kommt, die KVB teilt mit: Wenn Patienten Probleme haben, einen Termin bei einem Kinderarzt, Hausarzt, beim Facharzt oder beim Psychotherapeuten zu finden, könnten sie sich an die Terminservicestelle https://www.kvb.de/service/patienten/terminservicestelle/ wenden.
Im Falle der beiden Würzburger Mütter konnte nach deren Aussage auch die Servicestelle nicht weiter helfen. Die Situation sei nach wie vor unbegreiflich, finden beide.
Nein, ich bin kein Freund von Privatisierung im Gesundheitssystem. Aber die KVen unterstehen staatlicher Aufsicht – und so wie es aktuell läuft, kann man es unmöglich weiterlaufen lassen … früher oder später muss das Konstrukt kollabieren.
Und wo gräbt man eigentlich Typen wie diesen Ralf Hermes aus (Vorstand der IKK) aus? Der hat kürzlich für weitere Leistungskürzungen plädiert und wollte (Zitat) „die komplette zahnärztliche Versorgung aus dem Leistungskatalog zu streichen.“ Denn aus seiner Sicht sind Zahnprobleme nur auf unzureichende Zahnhygiene und Prophylaxe zurückzuführen … also: Selbst schuld, wer zum Zahnarzt muss!
Ist wohl doch was dran: Gutes Personal ist schwer zu finden!
Wenn man PKV und GKV nicht zusammenlegen kann sollte die Politik dafür sorgen,
daß Ärzte nicht nur Privatpatienten bedienen. Dann muss es eben Quoten geben, die einem Mediziner zwingen bestimmte Mindestanteile auch gesetzlich Versicherte zu versorgen.
Kinder sind in diesem Land eben Privatsache, und wer sich welche anschafft und sich das eigentlich nicht leisten kann ist selber schuld...
Oder?
Insgesamt 3 Kinderärzte, von denen meines Wissens nach nur noch einer Patienten aufnimmt. Und der Hausarzt vertröstet einen an die Kinderärzte. Wo das noch hinführen soll.
Traurig, aber ich muss fast froh sein, dass unsere Tochter eine Vorerkrankung hatte, aufgrund derer wir von der Missio an einen Kinderarzt vermittelt wurden (es waren hier engmaschige Kontrolltermine nötig). Sonst hätten wir hier sicher auch Probleme gehabt.
der durchschnittliche(!) Wohlstand in D steigt und steigt, es ist halt nur so, dass mehr und mehr davon bei denen ankommt, die eh schon (mehr als...) genug haben, und "der Rest" muss schauen wo er bleibt.
Das hat mMn viel damit zu tun, dass es auf Einkommen aus Vermögen eine "flat tax" gibt, während Einkommen aus eigener Arbeit (ab einem gewissen Punkt) deutlich höher besteuert wird. Es ist also klar, je schneller man möglichst viel zusammenrafft, desto weniger Steuern muss man bezahlen. Diejenigen die das nicht schaffen werden halt abgehängt, aber das ist deren Problem.
Sich auszumalen wohin das letztlich führt, überlasse ich der individuellen Phantasie, aber ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Folgen gut finden wird. Die AfD kann sich sozusagen wahrscheinlich schon mal die Hände reiben.
Da fordern immer alle die Abschaffung der PKV. Vielleicht sollte man die GKV abschaffen wenn sie nicht funktioniert und alle versichern sich Privat?