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Würzburg
Vergessene Helden: Seit 100 Jahren wird auf dem jüdischen Friedhof in Würzburg an gefallene Soldaten erinnert
In Zeiten steigender antisemitischer Tendenzen ist das Andenken an gefallene jüdische Soldaten wichtiger denn je. Würzburg ist ein gutes Beispiel für Erinnerungskultur.
Seit 100 Jahren erinnert ein Ehrenmal auf dem jüdischen Friedhof in Würzburg mit ihren Namen an die gefallenen jüdischen Soldaten im Ersten Weltkrieg. 
Foto: Thomas Fritz | Seit 100 Jahren erinnert ein Ehrenmal auf dem jüdischen Friedhof in Würzburg mit ihren Namen an die gefallenen jüdischen Soldaten im Ersten Weltkrieg. 
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 20.11.2024 02:44 Uhr

Wenn an diesem Sonntag zum Volkstrauertag in Gedenken an alle Opfer von Krieg und Gewalt erinnert wird, gehört dazu auch das traurige Schicksal jüdischer Soldaten, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben ließen. Seit 100 Jahren erinnert auf dem israelitischen Friedhof in Lengfeld eine Gedenkstätte daran, dass  Männer aus der jüdischen Gemeinde "für das Vaterland" gestorben sind. 

Es ist der 21. September 1924. Das "Fränkische Volksblatt" berichtet einen Tag später in einer kurzen Notiz über die  würdige "Kriegergedenkfeier" und der Übergabe der Ehrengrabstätte auf dem Friedhof. Die örtlichen Krieger- und Regimentsvereine hatten ihre Fahnen dabei und stellten sich im Halbkreis am Ehrenhain auf, eine Musikkapelle spielte "Ich hatt' einen Kameraden". 

Knapp 100.000 Juden kämpften für die deutsche Armee

Aus Kameradschaft und Patriotismus haben sich viele Juden bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum Wehrdienst gemeldet. Knapp 100.000 dienten in Heer und Marine. Die jüdische Gemeinde in Würzburg hatte zu Kriegsbeginn im Jahr 1914 gut 2300 Mitglieder. 400 Männer haben sich, teilweise auch freiwillig, für den Kriegsdienst entschieden. Davon erzählt Roland Hubert, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des jüdischen Museums Shalom Europa, bei seinen Führungen über den Friedhof im Würzburger Stadtteil Lengfeld.

Die Namen von 43 gefallenen jüdischen Soldaten stehen auf den beiden großen Tafeln im Ehrenhain. An 25 von ihnen wird auf der linken Seite erinnert. Sie sind zwischen 1914 und 1916 im Krieg gestorben. Auf dem Stein gegenüber stehen die Namen weiterer 18 Männer aus der jüdischen Gemeinde Würzburg, die in den letzten beiden Kriegsjahren ihr Leben ließen und nicht in Vergessenheit geraten sollen. Dazwischen fällt der Blick auf neun Grabsteine, auch auf den von Max Ruschkewitz.

12.000 jüdische Soldaten sind im Ersten Weltkrieg gefallen

Der älteste Sohn aus der bekannten Kaufmannsfamilie wurde im Krieg schwer verwundet und starb im November 1930 mit 31 Jahren an den Folgen seiner Kriegsverletzung. Wie viele andere seiner Kameraden bekam auch Ruschkewitz  eine hohe Auszeichnung für seinen Einsatz an der Front verliehen.

"Anders als bei früheren Militäreinsätzen wurden jüdische Leistungen im deutschen Militär dieses Mal honoriert, mehr als 20.000 erhielten Beförderungen und 30.000 wurden Auszeichnungen verliehen", ist auf der Internetseite des Deutschen Historischen Museums nachzulesen. Von den knapp 100.000 Juden kämpften etwa 77.000 direkt an der Front, 12.000 ließen dabei ihr Leben. 

Im Ehrenhain auf dem jüdischen Friedhof in Würzburg-Lengfeld erinnert eine Stele (links) auch an die Opfer des Nationalsozialismus. 
Foto: Thomas Fritz | Im Ehrenhain auf dem jüdischen Friedhof in Würzburg-Lengfeld erinnert eine Stele (links) auch an die Opfer des Nationalsozialismus. 

Der Ehrenhain auf dem jüdischen Friedhof war viele Jahre in einem schlechten Zustand. Roland Hubert freut sich, dass Stadtgärtner zusammen mit den Mitarbeitern des Hochbauamtes die völlig zugewachsenen Mauern jetzt wieder freigelegt und die Schäden repariert haben, so dass die Erinnerungsstätten wieder gut zugänglich sind.    

"Die Wiedereröffnung des Ehrenmals hat Signalwirkung", sagt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg. "Wenn Juden heute wieder Dienst in der Bundeswehr tun wollen, dann ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir in der Gesamtgesellschaft das Andenken an den Einsatz und auch das Leid jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg am Leben halten. In Zeiten drastisch ansteigender antisemitischer Vorurteile sind Stadtgesellschaften, die sich gegen das Vergessen stellen, immens wichtig. Würzburg ist hierfür ein leuchtendes Beispiel", so Schuster. 

Gedenken an jüdische Soldaten am Volkstrauertag 

Vorgesehen ist, dass Josef Schuster auch bei der Gedenkfeier am Volkstrauertag auf dem jüdischen Friedhof in Würzburg sprechen wird. Auch ein Offizier der Bundeswehr und Oberbürgermeister Christian Schuchardt werden an die gefallenen jüdischen Soldaten erinnern und Kränze niederlegen. Schülerinnen und Schüler der David-Schuster Realschule wirken an der Gedenkfeier mit und lesen weitere 50 Namen von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde vor, die zwischen 1941 und 1944 aus Würzburg deportiert und in Konzentrationslagern ermordet wurden.  

Die Gedenkfeier findet am Volkstrauertag um 11 Uhr auf dem Jüdischen Friedhof in Würzburg statt. Eine Führung über den Friedhof gibt es am Nachmittag um 14 Uhr. Männer werden gebeten, eine Kopfbedeckung zu tragen. Treffpunkt ist der Eingang in der Werner-von-Siemens-Straße 2.

Jüdische Geschichte an einem Ort

Der jüdische Friedhof am nordöstlichen Stadtrand von Würzburg ist unterfrankenweit der einzige Ort, an dem noch Jüdinnen und Juden beigesetzt werden. Er ist aber auch ein Ort, an dem jüdische Geschichte sehr sichtbar wird. Unweit vom Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Männer aus der jüdischen Gemeinde, erinnert eine Stele an die Opfer des Nationalsozialismus. In der Zeit des Dritten Reiches waren das Friedhofshaus mit der Wohnung beschlagnahmt. Hier mussten bis zu ihrer Deportation in die Konzentrations- und Vernichtungslager jüdische Frauen, Männer und Kinder leben.
Quelle: tf
 
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  • Klaus B. Fiederling
    RIP! mögen sie ihren Frieden gefunden haben in Gott
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