
Mario W. wird immer mehr zu Albtraum des bayerischen Landeskriminalamtes (LKA). Der Spitzel im Staatsdienst behauptet im Prozess in Würzburg, sich an Straftaten wie Drogenhandel oder Diebstahl von Baggern beteiligt zu haben, weil sein Auftrag für den Freistaat das erforderte. Das LKA bestreitet das.
Die Verteidiger um Alexander Schmidtgall gruben Fakten aus, die Mario W.' Erzählungen stützten – obwohl sie zunächst sehr abenteuerlich klangen. Interne Ermittlungen der Nürnberger Kripo gegen die zuständige LKA-Abteilung nährten den Eindruck, man würde beim Einsatz von Spitzeln schon einmal ein Augen zudrücken – und dies mit manipulierten Akten und Berichten an Vorgesetzte und Landtag vertuschen.
Gegen sechs LKA-Leute wird ermittelt, darunter Beamte der Führungsebene. Einer verwies vor Gericht auf die Anweisung des Dienstherrn, zu Vorgängen mit Geheimhaltungs-Interesse lieber zu schweigen. Eine Beamtin ist angeblich zu krank, um vor Gericht zu erscheinen.
Diebstahl von Baggern
Hans S., der am Dienstag in den Zeugenstand musste, ist zwar Chef der Abteilung, die den Spitzel „führte“. Aber er will von keinen illegalen Aktivitäten gewusst haben, die in seinem Dienstbereich passiert sein sollen. Hans S. hatte – aus welchen Gründen, bleibt rätselhaft – eine eigene Sicherungskopie des V-Mann-Berichts, der stark von dem abweicht, was sich in der offiziellen Akte fand. Als sich der Spitzel am Diebstahl von Baggern beteiligte – und nach eigenen Angaben das LKA zuvor informierte – war er in Urlaub. Hinterher sei versäumt worden, ihm lückenlos Bericht zu erstatten. Statt den straffällig gewordenen Spitzel abzuziehen, fügte er sich einer „Linie“, die ihm vorgegeben worden sei: Die Legende vom angeblich legalen Baggertransport hielt zunächst, also ging der V-Mann-Einsatz weiter.
Die geglättete Version des Einsatzes trägt seine Unterschrift. Seine Erklärung: Vermutlich seien alle Seiten der Akte ausgetauscht – außer der letzten, auf der sein Name steht. Markant ist das Datum der Vertuschung: Elf Tage zuvor hatten die Anwälte des V-Mannes beantragt, diese internen Akten als Beweis vor Gericht vorzulegen.
Akten dem Chef übergeben
Der Beamte versuchte in seiner vierstündigen Vernehmung, sich zu Lasten seiner Mitarbeiter sowie eines Vorgesetzten und des Chefs der Abteilung für organisierte Kriminalität zu entlasten. Dem habe er die Akten übergeben. „Mir ist heiß und übel geworden“, sagt er, als er die Manipulationen bemerkte. Wie der Mann eine Geheimoperation gegen Rocker geführt haben soll, blieb Prozessbeobachtern rätselhaft. Der seit Monaten dauernde Prozess wird fortgesetzt. Das Gericht hofft, in vier Prozesstagen zum Ziel zu kommen.
Indessen sorgen die Ermittlungen der Nürnberger Kripo gegen ihre LKA-Kollegen weiter für Aufsehen. Der Untersuchungsbericht über die internen Vorgänge beim LKA landete nicht nur bei Verteidigern, Gericht und Presse. Auch der Rechtsextreme Karl-Heinz H. (einst Kopf der „Wehrsportgruppe“) veröffentlichte einige Originalseiten im Internet. Es sei seine „moralische Pflicht“, behauptete er, „Informationen über die Machenschaften krimineller Seilschaften im bayerischen Landeskriminalamt“ ins Netz zu stellen.
Der Rechtsextremist macht das LKA dafür mitverantwortlich, dass er mit dem Oktoberfest-Attentat von 1980 in Verbindung gebracht wird – obwohl Ermittlungen gegen ihn zwei Jahre nach dem Terroranschlag eingestellt worden seien. Genüsslich nennt H. den Namen des Kripo-Mannes, der zu den sechs gehört, gegen die in der V-Mann-Affäre ermittelt wird. Ausgerechnet der leitet jetzt neue heikle Ermittlungen: Er untersucht auf Weisung des Generalbundesanwalts seit kurzem die Hintergründe des Oktoberfest-Attentats.
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Kein Wunder, dass niemand daran glaubt, dass die Zusammenhänge um das Oktoberfestattentat noch aufgeklärt werden, wenn die Ermittlungen vom bayr. LKA geführt werden.