
Das Landgericht Nürnberg hat am Mittwoch den Leiter eines Pflegedienstes aus Würzburg wegen Millionenbetrugs zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Seine Frau wurde freigesprochen. Der als Bürokraft arbeitende Sohn des Ehepaars erhielt eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten und bleibt auf freiem Fuß.
Anonyme Anzeigen bei der Zentralstelle für Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) in Nürnberg hatten den Fall ins Rollen gebracht. Eine Razzia bei Pflegebedürftigen in Kitzingen machte den Fall im September 2022 öffentlich und zeigte erhebliche Defizite in der Pflege: Fünf alte Menschen mussten sofort in andere Hände gegeben werden.
Pflegedienst aus Würzburg hatte keine leitende Pflegefachkraft
Der Pflegedienst "Theresa" hatte trotz mehrfacher Mahnung keine Führungskraft eingestellt, um eine sachgerechte Pflege zu garantieren. Die Krankenkassen hatte dafür jedoch allein im nicht verjährten Zeitraum 3,5 Millionen Euro bezahlt. Die Anklage sah darin einen systematischen Betrug, um den "luxuriösen Lebensunterhalt der Familie" zu bezahlen.
Die Richter sahen am Mittwoch im Urteil die Betrugs-Vorwürfe gegen den Hauptangeklagten zum größten Teil für erwiesen an. Das Gericht nahm dem 57-Jährigen nicht ab, dass er nach einer vorgeschriebenen Fachkraft ernsthaft gesucht habe. Er sei aber an Verträge gebunden, die er unterschrieben habe und in denen genau das verlangt wurde.
Die Verteidiger hatten dagegen Freispruch gefordert: Schriftliche Belege und Zeugenaussagen zeigten, dass die Kassen durch mehrfache Kontrollen von diesem Mangel wussten, ihn aber notgedrungen akzeptierten, statt gar keine Pflege für ihre pflegebedürftigen Beitragszahler zu haben. Der Prozess hatte auch Zweifel an diesem Kontrollsystem genährt.
Gericht sieht bei dem 57-Jährigen, seiner Ehefrau und seinem Sohn keine Bande am Werk
Mit dem Würzburger war auch seine Ehefrau angeklagt, die seit 2007 offiziell mit ihm den Pflegedienst betrieb - aber dafür wohl nur den Namen hergab. 2017 war auch der Sohn als Bürokraft eingestiegen. Doch das Urteil blieb hier weit hinter der Anklage zurück: Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft sah das Gericht keine gemeinschaftlich handelnden Bande am Werk.

Der Sohn habe nur im Büro des Pflegedienstes mitgearbeitet, weshalb er nur wegen Beihilfe eine Haftstrafe von 18 Monaten zur Bewährung erhielt. Die Frau des 57-Jährigen wurde freigesprochen und muss für die Untersuchungshaft nun eine Entschädigung bekommen.
Ihre Anwälte Laura Amrhein und Simon Gonzales kritisierten: "Bei neutraler Betrachtung hätte gegen unsere Mandantin niemals ein Strafverfahren eröffnet werden dürfen." Die Ermittlungen hätten keine Hinweise auf Tatbeiträge der Ehefrau ergeben. "Dieses Unrecht kann durch einen Freispruch nicht wieder gutgemacht werden."
Die Krankenkassen seien ihrer Prüfpflicht nicht ausreichend nachgekommen, die Staatsanwaltschaft habe voreingenommen ermittelt und das Gericht habe mitgezogen. Der teure Prozess gegen die Frau "wäre vermeidbar gewesen".
Geht der Fall des Würzburger Pflegedienstes zum Bundesgerichtshof?
Das letzte Wort in dem Fall ist vermutlich noch nicht gesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und wird wohl dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Entscheidung vorgelegt. "Es handelt sich um eine hochumstrittene Rechtsfrage, die meinem Eindruck nach vom BGH noch nicht entschieden wurde", sagte Rechtsanwalt Peter Möckesch, der den 57-Jährigen verteidigte.
Die drei Angeklagten müssen dazu mit einem weiteren Prozess rechnen: Bei der Razzia in Kitzingen wurden fünf Pflegebedürftige in schlechtem körperlichem Zustand gefunden, die sofort in andere Pflege kamen. In den Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen Körperverletzung.