Der Streit um die Verwertung der Abwärme aus der Biogasanlage in Unterpleichfeld spitzt sich zu: Nach einem Gerichtsurteil des Landgerichts Würzburg vom September 2018 hat der Abwasserzweckverband Obere Pleichach (AZV) Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) eingelegt. Die Entscheidung steht noch aus. Letztlich geht es um die Frage, wie teuer die Auseinandersetzungen für Käufer und Verkäufer der Biogas-Anlage noch werden. Wenn der Abwasserzweckverband blutet, bekommen das die angeschlossenen Gemeinden in ihrem Haushalt zu spüren, bestätigt der Verbandsvorsitzende Bernd Schraud.
Die Auseinandersetzung um die Anlage begann bald nach ihrem Verkauf im Januar 2013. Damals hat Landwirt Hermann Fischer die Biogasanlage erworben. Sie befindet sich auf dem Gelände der Kläranlage Unterpleichfeld. Verkäufer war die frühere "Entro" GmbH; für sie ist nach früheren Querelen inzwischen der Abwasserzweckverband Obere Pleichach (AZV) allein verantwortlich. Ihm gehören die Gemeinden Unterpleichfeld, Bergtheim, Oberpleichfeld und Hausen an.
Fischer KG betreibt Bioanlage
Die Fischer KG betreibt seitdem die Biogasanlage. Weil aber maßgebliche Vertragsklauseln seitens des Verkäufers nicht eingehalten werden, landete die Sache vor Gericht. Fischer will, dass der Verkäufer zu allen vertraglichen Abmachungen steht. Beim Abwasserzweckverband kann man sich jedoch vorstellen, dass der Vertrag gar nicht gültig ist - obwohl das Landgericht Würzburg vergangenes Jahr die Gültigkeit festgestellt hat. Der Verband entschied sich für die Berufung.
Streitpunkt ist die Abnahme der Abwärme aus der Biogasanlage und deren Nutzung zur Trocknung des Klärschlammes. Für solch umweltfreundliches Verhalten zahlt der Staat laut Erneuerbarem-Energien-Gesetz (EEG) nämlich Geld. Doch der Abwasserzweckverband trocknet den Klärschlamm nicht. Seine Trocknungsanlage ist kaputt. Die gelieferte Abwärme verpufft, sie wurde "über die Lüfter sinnlos in die Atmosphäre der Halle geblasen", so eine Information der Baumann Rechtsanwälte, die den Käufer, die Fischer KG , vertreten. Den noch feuchten Klärschlamm muss der Zweckverband jetzt sogar vergleichsweise teuer entsorgen. Würde der AZV den Schlamm selbst trocknen, wäre die Entsorgung viel billiger. Der Verband könnte dann zwischen 250 000 und 350 000 Euro jährlich sparen, so Rechtsanwalt Wolfgang Baumann. Stattdessen wurde im November sogar noch das Dach der Trocknungshalle abgebaut, damit defekte Teile nicht in die Kläranlage fallen.
Die staatlichen Bonuszahlungen für das vorgesehene umweltfreundliche Verhalten entgehen dem Käufer unterdessen. Sie belaufen sich auf circa 7000 Euro im Monat. Vorübergehend hatte der Verband, von August 2014 bis einschließlich März 2015, Ersatzleistungen an Fischer für die entgangenen Boni entrichtet, dann die Zahlungen aber eingestellt. Gemäß dem Urteil des Landgerichts vom September 2018 steht der Fischer KG aber tatsächlich Schadensersatz zu, und zwar bereits "circa 230 000 Euro nebst mehreren 10 000 Euro Zinsen" zum Zeitpunkt des Urteils - und bis heute bereits 380 000 Euro, so Baumann. Er rechnet damit, dass bis zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts insgesamt eine halbe Millionen Euro auflaufen. Pro Jahr kämen weitere knapp 100 000 Euro hinzu. Im Laufe der kommenden Jahrzehnte könnten mehrere Millionen Euro zusammenkommen, falls sich an der Situation nichts ändert.
Das erste Projekt scheiterte
Zum Hintergrund: Als 2006 die Entro GmbH (Entro: "Energie und Trocknung") gegründet worden war, war die Euphorie groß. Biogas erzeugen, Strom und Abwärme gewinnen - und mit letzterer eine Heizanlage speisen, die den Klärschlamm trocknet, das war das Ziel. Die Entro-Geschichte ist jedoch eine Abfolge von Misserfolgen, Rücktritten und Gerichtsverfahren. Sie verkaufte zum 1. Januar 2013 aus der Not heraus ihre Biogasanlage.
Käufer Hermann Fischer ist Landwirt und speist die Biogasanlage mit verschiedenen Getreiden, vor allem aber mit Mais und Rinderdung. Durch die Vergärung erzeugt er Gas und mit diesem über eine Kraft-Wärmekopplungsanlage dann Strom und Abwärme. Die Stromerzeugung allein bringt ihm aber nicht den Gewinn, den er sich ausgerechnet hatte.
Laut Bürgermeister Konrad Schlier aus Bergtheimhat Fischer die Anlage „günstig gekriegt“: für die Kaufsumme von 1,26 Millionen Euro. Fischer seinerseits hat seit dem Kauf, wie er sagt, noch weitere 800 000 Euro in die Anlage gesteckt, zum Beispiel in den Ausbau des Endlagers, damit er, wie vertraglich gefordert, Futter für ein halbes Jahr vorhalten kann. Ein Fermenter wurde saniert, die Technik teils erneuert.
Gegenseitige vertragliche Verpflichtungen, jahrzehntelange Laufzeit
Die Entro GmbH hat dem Käufer vertraglich die vollständige Abnahme der Abwärme der Biogasanlage zugesichert, und zwar für die gesamte Vertragslaufzeit bis 2043, mit dem Recht auf Verlängerung des Erbbaurechtsvertrags um weitere 30 Jahre. Das bedeutet, die Entro übernimmt die Abwärme der Biogasanlage, um damit Klärschlamm zu trocknen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Fischer KG zur verlässlichen Wärmelieferung.
Schon vor dem Verkauf der Biogasanlage war die Trocknungsanlage für den Klärschlamm kaputt. Nach eigenen Angaben erfuhr das Fischer erst zwei Jahre nach den Vertragsverhandlungen. Die vom Stromerzeuger schon geleisteten Zahlungen für die Jahre 2013 und 2014 musste Hermann Fischer zurücküberweisen. Dann wandte er sich an den Zweckverband, um Ersatzzahlungen zu erhalten. Doch die hat der Verband wieder eingestellt.
Zweckverband bezweifelt Gültigkeit des Vertrages - trotz anders lautendem Gerichtsurteil
Die Verbandsräte waren aufgrund eines Gutachtens nämlich der Meinung, dass der Vertrag nicht wirksam sei, weil der damalige Vorsitzende des Abwasserzweckverbandes Fredy Arnold den endgültigen Verkaufsvertrag ohne ausdrückliche Genehmigung des Verbandsrats abgeschlossen habe. Außerdem hätte die Kommunalaufsicht bis dahin nicht zugestimmt. Für die Gegenseite verweist Rechtsanwalt Baumann jedoch darauf, Arnold habe laut Protokoll nicht nur die Zustimmung des Zweckverbands gehabt, sondern laut Rechtssprechung habe er auch "ganz klar unterschreiben dürfen."
Verbandsvorsitzender Bernd Schraud, selbst Bürgermeister von Hausen, plädiert für den Bau einer neuen Trocknungsanlage für den Klärschlamm. Eventuell könne die Abwärme der Biogasanlage auch anderweitig genutzt werden, etwa für ein Nahwärmenetz oder die Trocknung von Produkten aus der Land- und Forstwirtschaft. Sein Vorgänger im Zweckverband Konrad Schlier hat aber Bedenken: "Hermann Fischer hat eine Ausstiegsklausel und kann den Betrieb der Biogasanlage nach seinem Ermessen jederzeit einstellen. Wir von der Entro haben diese Ausstiegsklausel nicht." Allerdings bekäme Fischer, würde er aussteigen, nur 70 Prozent der Kaufsumme zurück und keinen Ersatz für bereits getätigte Investitionen - sagt Hermann Fischer selbst.
Am Montag gab es weitere Verhandlungsgespräche
Aus einem aktuellen Gespräch mit Fischer am 7. Januar 2019 sieht Konrad Schlier aber zumindest "die Tendenz, dass man sich verständigen kann." Sollte der Zweckverband eine Trocknungsanlage für den Klärschlamm in Betrieb nehmen, "brauchen wir über einen gewissen Zeitraum auch eine gewisse Garantie": zehn Jahre etwa, sagt Schlier. Details sollen in der nächsten Verbandsversammlung besprochen werden.
Eine Lösung gibt es noch nicht. Aktueller Stand ist das Gerichtsurteil des Landgerichts Würzburg, das der Fischer KG in allen Punkten Recht zusprach.