Die Schweinfurter SPD-Politikerin Kerstin Westphal hat es nach zwei Legislaturperioden nicht wieder nach Straßburg und Brüssel geschafft. Angesichts des bundesweit schlechten Abschneidens ihrer Partei hatte sie mit Listenplatz 23 keine Chance. Für den CSU-Kandidaten für Unterfranken, Christian Staat aus Büchold (Lkr. Main-Spessart), gibt es möglicherweise doch eine Perspektive: Die Hochrechnungen am Abend schwankten zwischen sechs und sieben Sitzen für die CSU. Bei sieben Abgeordneten wäre Staat erster Nachrücker unter den CSU-Abgeordneten – und bei einer Wahl von Manfred Weber zum EU-Kommissionspräsidenten im Parlament dabei.
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"Mist. Einfach Mist." Kerstin Westphal fand noch am Wahlabend klare Worte für das Abschneiden der SPD – und ihr persönliches Aus, mit dem sie nach den letzten Umfragen habe rechnen müssen. Für Unterfranken sei das Wahlergebnis besonders bitter. Regionalpolitik sei das "Pfund", mit dem sie habe wuchern können. Sie fürchte, dass es nun für die Region weniger Unterstützung aus Brüssel geben könnte, so Westphal. Das Abschneiden der SPD insgesamt nannte die 56-Jährige eine "Katastrophe". Da sei "nichts zu beschönigen". Es sei nicht gelungen, das sozialdemokratische Modell einer Umweltpolitik, die auch soziale Belange berücksichtigt, zu vermitteln.
CSU: Christian Staat hofft auf einen Nachrücker-Sitz
Für CSU-Kandidat Staat wurde es ein langer Abend bei der Wahlparty in seiner Heimat Arnstein (Lkr. Main-Spessart). Zunächst zeigte er sich etwas enttäuscht, weil er persönlich vom CSU-Ergebnis jenseits der 40 Prozent nicht zu profitieren schien. Als dann aber gegen 19.30 Uhr die Hochrechnungen der CSU sieben statt der bislang fünf Abgeordneten-Sitze prognostizierten, hellte sich die Stimmung auf. Später war wieder von nur sechs Mandaten die Rede. Ob es für den 35-Jährigen, der auf Platz acht der CSU-Liste steht, für den ersten Nachrücker-Platz reicht, soll sich erst im Lauf der Nacht entscheiden. Das CSU-Ergebnis insgesamt bewertete Staat als "sehr positiv". Gegenüber der Landtagswahl habe man zugelegt. "Der Abwärtstrend ist gebrochen."
CSU-Vize Dorothee Bär sprach dann auch von einem "Super-Abend" für die CSU, während sich Bezirkschef Gerhard Eck zurückhaltender äußerte. "Ich hätte mir mehr erhofft", so der Innenstaatssekretär in einer ersten Stellungnahme. Bär freute sich auch, "dass die AfD in Bayern Stimmen verloren hat". Das bestätige den klaren Abgrenzungskurs der CSU. Das Regieren in Berlin werde hingegen nicht leichter, glaubt die Staatsministerin im Kanzleramt. Grund sei das schlechte Wahlergebnis der SPD und deren Personalquerelen. Zu möglichen Forderungen an die CDU, Kanzlerin Angela Merkel gegen Annegret Kramp-Karrenbauer zu tauschen, wollte sich Bär nicht äußern.
Grüne: Rottmann freut sich über euphorische Stimmung
"Die Stimmung ist euphorisch", sagte Manuela Rottmann, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen). Dass ihre Partei auch in den ländlichen Kreisen Bad Kissingen, Haßberge und Rhön-Grabfeld bei 13 bis 14 Prozent liegt, bezeichnete Rottmann als "eine Sensation" Sie sei den vielen jungen Leuten, die bei der "Fridays for Future"-Bewegung ihr Anliegen auf die Straße gebracht und viele zum Wählen animiert hätten, "wahnsinnig dankbar". Dies zeigt: "Parteien sind nur ein Teil der politischen Öffentlichkeit und unsere parlamentarische Demokratie funktioniert." In Würzburg bestätigten die Grünen ihr gutes Ergebnis von der Landtagswahl. Erneut lagen sie mit 31,1 Prozent vor der CSU (29,0 Prozent).
SPD: Rützel will noch keine Personaldebatte
"Dass ich nicht zufrieden bin, ist klar", betonte SPD-Bezirkschef Bernd Rützel aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart). "Arbeitsschutz, Grundrente, Mitbestimmung, all diese Themen, die mir so wichtig sind und auf die ich von Bürgern immer wieder angesprochen wurde, haben offenbar keine Rolle gespielt." Doppelt schlimm treffe es ihn, dass die SPD in seiner Heimat Main-Spessart gerade einmal auf elf Prozent der Stimmen kommt. Zum Höhenflug der Grünen sagte Rützel: "Umweltthemen überlagern momentan alles." Auf die Durchhalteparolen von Parteichefin Andrea Nahles angesprochen, entgegnete Rützel: "Sonntagabend ist nicht der richtige Zeitpunkt, an dem man Personaldebatten anspricht."
AfD: Graupner rechnete mit besserem Abschneiden
Schlechte Stimmung indes bei der AfD: "Wir hätten uns mehr gewünscht", sagt der unterfränkische AfD-Chef Richard Graupner am Wahlabend. "Nach der Stimmung, die wir an unseren Infoständen wahrgenommen haben, sind wir von einem besseren Ergebnis ausgegangen." Als die ersten Zahlen kamen, habe wohl "niemand bei uns gejubelt", so Graupner. In den Hochrechnungen kommt die AfD bundesweit auf 10,6 Prozent. Das ist zwar mehr als bei der letzten Europawahl 2014 (7,1 Prozent), aber weniger als bei der Bundestagswahl 2017 (12,6 Prozent). Woran es lag? Jedenfalls nicht an der Ibiza-Affäre rund um die FPÖ, glaubt Graupner.